Stolperstein-Schicksale

Bild: Max Braitsch

Am 14. Juli gibt es die fünfte Stolperstein-Verlegung in Konstanz. Über vier der Opfer berichten wir vorab und in zwei Folgen. Recherchiert und geschrieben von Uwe Brügmann, dem promovierten Historiker und langjährigen Leiter der Konstanzer Stadtbücherei. Vier Schicksale aus Konstanz, Nazi-Opfer, an die erinnert werden soll.

Max Braitsch (9. 10. 1901 – 9. 8. 1966)

Wohnadresse zum Zeitpunkt der Verhaftung: Konstanz, Wessenbergstraße 2 – dort wird auch der Stolperstein verlegt. Max Braitsch wurde am 9.10.1901 in Aichhalden/Kreis Rottweil geboren. Er hatte vier Geschwister, die Fabrikarbeiter waren. Vater Heinrich Braitsch starb schon 1920, seine Mutter hieß Maria, geb. Weisser, Er besuchte sieben Jahre lang die Volksschule in Aichhalden und half später in der kleinen Landwirtschaft (11 Morgen) seines Vaters aus; mit 14 Jahren ging er in die Junghans-Uhrenfabrik in Schramberg als Hilfsarbeiter, danach war er bis 1924 in der Uhrenfabrik Landenberger in Schramberg tätig.

1924 zog er nach Konstanz und nahm eine Tätigkeit als Hilfsarbeiter bei Herosé an. Am 28. 4. 1928 heiratete er Maria Wachendorfer; die Ehe blieb kinderlos. Seine Frau arbeitete als Kellnerin. Wegen seiner schwachen Konstitution war er vom Militärdienst befreit.

1931 trat Braitsch in die KPD ein. Am 11. 11. 1939 wurde Braitsch in Schutzhaft genommen, im Dezember 1939 wurde Haftbefehl gegen ihn erlassen. Am 8. April 1940 wurde Braitsch der Prozess wegen Hochverrats und Abhörens von „Fremdsendern“  vor dem Oberlandesgericht Stuttgart gemacht. Mitangeklagt waren Alfons Beck und dessen Frau Maria. Braitsch wurde zur Last gelegt, dass er zusammen mit Alfons Beck im Auftrag von Hans Böning, ehemaliger badischer kommunistischer Funktionär, als Kassierer für die verbotene KPD tätig war. Er war von Franz Greis aus Wollmatingen für diese Tätigkeit angeworben worden. Braitsch hatte wie der Mitangeklagte Alfons Beck die eingesammelten Mitgliedsbeiträge an die Unterkassierer Heinrich Haug, Josef Knäbel, Rupert Renner, alle aus Konstanz, an Hans Böning weitergegeben. Die ausgegebenen Mitgliedsmarken waren Mitgliedsmarken eines „Weltsparrabattvereins“ gewesen. Die Abrechnung erfolgte vierteljährlich.

Braitsch hatte auch für die „Rote Hilfe“ Geld gesammelt. Braitsch übte diese Kassierer-Tätigkeit bis Anfang 1934 aus, andere Zeugen sprechen von 1937. Max Braitsch wurde zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt und ins Lager Aschendorfermoor im Emsland überstellt. Obwohl zunächst als arbeitstauglich eingestuft, wurde er auf Grund seines schlechten Gesundheitszustandes am 9. Juli 1940 wieder nach Ludwigsburg zurück verlegt. 1943 wurde er einem Sonderkommando zur Beseitigung von Blindgängern zugeteilt. Am 20. 3. 1944 wird Max Braitsch freigelassen und mit Bewährungsauflagen bis zum 28. 2. 1947 belegt. Zurück in Konstanz, arbeitete er im Gaswerk als Ofenwärter.

Max Braitsch war insgesamt 4 Jahre, 4 Monate und 9 Tage in Haft. Er kehrte in seine Wohnung in die Wessenbergstraße 2 zurück. Max Braitsch starb am 9. 8. 1966 in Konstanz. Sein Grab befand sich auf dem Hauptfriedhof, Grabfeld 6 / Reihe 8; es existiert nicht mehr.

Karl Durst  (23.06.1903- Todesdatum unbekannt)

Adresse zum Zeitpunkt seiner Verhaftung: Konstanz,Turnierstraße 26.  Karl Durst wurde am 23. Juni 1903 in Nürnberg geboren. Sein Vater war Form- und Eisengießer. Im Elternhaus ging es sehr knapp zu, da Durst noch 17 Geschwister hatte, von denen 1938 noch sieben lebten. Nach dem Besuch der Volksschule in Nürnberg lernte er Schreiner. 1929 zog Durst nach Konstanz, arbeitete aber bis 1938 bei der Firma Jonasch und Co. im benachbarten schweizerischen Kreuzlingen.

1921 wurde Durst Mitglied des Arbeiter-, Turn und Sportbundes, 1923 wurde er Mitglied des Arbeitersängerbundes, 1931 trat er der Konstanzer SPD bei und 1938 wurde Durst Mitglied im Kreuzlinger Arbeiterturnverein. Zudem gehörte er dem schweizerischen Bau- und Holzarbeiterverband an.

1929 heiratete er Margarete, geb. Ronsdorf. Das Ehepaar Durst hatte 2 Kinder, Während der Haftzeit waren Frau Durst und ihre beiden Kinder bei ihren Eltern in Wuppertal und später dann bei Verwandten in Kalbach (Landkreis Fulda) untergebracht. Obwohl erst 1931 in die SPD eingetreten, wurde Durst als Nachfolger von Hubert Hormes am 4.Mai 1933 als Stadtrat bestellt. Er übte dieses Amt bis zum 14. Juni 1933 aus.

Schon bald nach 1933 war das Ehepaar Durst eine der Anlaufstationen für den illegalen Grenzübertritt in die Schweiz für verfolgte SPD-Funktionäre. Karl Durst wurde am 8. Mai 1938 festgenommen. Am 27.08.1938 wurde er zusammen mit Ernst Bärtschi und Andreas Fleig, beide aus Kreuzlingen, vom Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof Berlin angeklagt. Die Anklage warf ihm vor, „in Konstanz und an anderen Orten des Reichs seit dem Sommer 1933 bis zu ihrer Festnahme fortgesetzt und gemeinschaftlich miteinander und mit anderen das hochverräterische Unternehmen, die Verfassung des Reichs mit Gewalt zu ändern, vorbereitet zu haben“. Konkret lautete der Vorwurf, die drei hätten Schriften aus der Schweiz nach Deutschland eingeführt und sich für die „hochverräterischen Bestrebungen der SPD eingesetzt“ sowie als Verbindungsleute zwischen geflüchteten deutschen Gewerkschaftsfunktionären in der Schweiz, fungiert. Die Anklage warf Durst auch vor, mehrere Male mit gefälschten Papieren Personen in die Schweiz gebracht zu haben.

Am 12. Oktober 1938 wurde Karl Durst zu acht Jahren Zuchthaus und acht Jahren Ehrverlust verurteilt. Seine Mitangeklagten Ernst Bärtschi und Andreas Fleig erhielten 13 bzw. 15 Jahre Zuchthaus. Karl Durst wurde zunächst in das Gefängnis Berlin-Moabit eingeliefert. Von dort wurde er zurück nach Konstanz verlegt; dann ging es über Hamm in das Lager II Aschendorfermoor (bei Papenburg). Am 2.!2.1940 erfolgte die Verlegung in das Lager 1, Rodgau/Dieburg, in Hessen. Das Lager Rodgau/Dieburg war kein KZ, sondern ein Arbeitslager, das der NS-Justizverwaltung unterstand. Die Gefangenen wurden hier relativ human behandelt. Karl Durst soll bis Februar 1945 im Lager gewesen sein. Danach verliert sich seine Spur; möglich ist, dass er im Lager gestorben ist, möglich ist aber auch, dass er in eine Strafkompanie versetzt worden und im Krieg gefallen ist. Für seinen Tod vor Kriegsende spricht, dass in keinem Archiv eine Entschädigungsakte von ihm gefunden wurde.

Autor: Uwe Brügmann