„Stopp der Stadtentwicklung ist kein Umweltschutz“
„Bund kontra Hafner“ titelte seemoz vor zwei Tagen – das ruft jetzt den Mieterbund Bodensee und seinen Vorsitzenden Herbert Weber auf den Plan, der mehr Wohnungsbau in Konstanz fordert.
„Wer abstrakt über die Grenzen des Wachstums spricht, sollte konkret sagen, welche Bevölkerungsgruppen auf Dauer nichts mehr in der Stadt Konstanz zu suchen haben: Busfahrerinnen? Krankenpfleger? Feuerwehrleute? Studierende? Flüchtlinge?“, sagte der Vorsitzende des Mieterbunds Bodensee zur Stellungnahme der Konstanzer Ortsgruppe des Bunds für Umwelt und Naturschutzes gegen den geplanten neuen Stadtteil nördlich des Hafner in Wollmatingen. Der Umweltverband wolle alle neuen Baugebiete in der Stadt verhindern und zeige so sein wahres Gesicht, so Weber. Doch ohne neues Bauland gebe es keine neuen Wohnungen. Die Möglichkeiten, innerhalb der bestehenden Bebauung neue Flächen für den Wohnungsbau zu entwickeln, seien in den vergangenen Jahren weitgehend ausgeschöpft worden.
Über viele Jahre hinweg seien in Konstanz zu wenige Mietwohnungen gebaut worden so Weber. Die Folge davon seien die außergewöhnlich hohen Miet- und Immobilienpreise in der Universitätsstadt. Die Konstanzer Mieten seien mittlerweile höher als in Frankfurt. Wer wie die „vermeintliche Umweltschutzorganisation“ kategorisch allen Wohnungsneubau ablehne, nehme weiter steigende Mieten in Kauf. Die sozialen Folgen davon seien verheerend: Menschen mit normalen Einkommen würden nach und nach aus der Stadt verdrängt. Studieren gehe in Konstanz demnächst nur noch mit richtig reichen Eltern.
In sämtlichen neuen Baugebieten mache die Stadt Vorgaben für flächen- und energiesparendes Bauen und plane nach dem Prinzip der „Stadt der kurzen Wege“. Wer jedoch den Wohnungsbau in Konstanz beenden wolle, weil die Stadt voll sei, sorge für mehr Flächenverbrauch im Hegau und für eine Verschärfung der Konstanzer Verkehrsprobleme, ergänzte Mieterbund-Vorstandsmitglied Winfried Kropp. Der Stopp der Stadtentwicklung stelle somit keinen Umweltschutz dar.
MM
Ralph R. Braun spricht sich für „massenhaftes Bauen“ durch die WOBAK aus. Gleichzeitig hat der Sympathie für die Behinderung von Baugebieten. Manche mögen darin vielleicht Dialektik sehen, ich nenne es: Inkonsequent.
Den „Mieterbundlobbyisten“ wirft er vor, an den freien Markt zu glauben und ausschließlich auf diesen zu setzen. Die Meinung ist zwar frei. Das gilt auch für diese Aussage: Sie ist frei von Wahrheit.
Ich stimme Ralph H. Braun in allen Punkten zu.
Und vielleicht könnte man von Fehlern anderer lernen.
In Freiburg sind zwischen 2011 und 2014 jährlich knapp 1000 Wohnung entstanden. Die Entwicklung von Stadtteilen Vauban und Rieselfeld waren vielbeachtet. Haben aber das Problem nicht gelöst. Nun soll es noch mehr Baugebiete geben. Notfalls auch mit Enteignung.
Aber wo soll das hinführen? Den Wohngürtel um die Stadt einfach immer weiter ausdehnen? So wie in München, wo Pendler im 100 Km-Bereich und mehr schon normal sind?
Und das Thema Enteignung?
Das Wort so leicht dahingesagt von Baubürgermeistern und jungen Journalisten der Lokalpresse.
Was bedeutet „Enteignung“ für eine Familie, deren Vorfahren vielleicht seit Jahrhunderten mit diesem „Eigentum“ ihre Existenz verbinden, und ein Gefühl von Sicherheit und Heimat. Und mit einem tiefgreifenden Recht auf Selbstbestimmung.
In der Politik werden jüngst die Themen „Zusammenhalt in der Gesellschaft“ und „Heimatgefühl“ hervorgehoben. Und bemängelt.
„Enteignung“ steht dem diametral gegenüber, meine ich. Wer mit Enteignung droht, hat die Heimat verkauft…
„Heimat Hafner“ wäre damit ein zynisches Motto.
Der Gedanke, man müsse nur das Angebot an Wohnungen erhöhen, um die Mietpreise zu senken, erscheint mir gelinde gesagt naiv. Hafner und was weiß noch alles für neue Baugebiete, so flächen-, energie-, kostensparend und innovativ sie auch sein mögen, werden den weiteren Anstieg der Mieten in der „Schwarmstadt“ nicht bremsen. Busfahrerinnen, Krankenpfleger und Feuerwehrleute werden vielleicht dann wieder eine bezahlbare Wohnung finden, wenn ihre Arbeitgeber Betriebswohnungen vorhalten, um überhaupt noch Personal rekrutieren zu können. Andere Gering- und Normalverdiener können nur darauf hoffen, dass die Kommune sich irgendwann wieder des Wohnungsbaus als Teil von Daseinsfürsorge erinnert, massenweise selbst bzw. über die WOBAK baut und preisgünstig vermietet (Beispiel Wien: Ein hoher Anteil von Gemeindebauten sorgt für niedrige Mieten auch im kommerziellen Wohnungsbestand). Die Beispiele Vincentius und Siemens-Areal zeigen indes, dass die Stadt, eingeschlossen die Mieterbundlobbyisten im Gemeinderat, weiterhin der Illusion nachhängt, der freie Markt werde schon preisgünstige Wohnungen schaffen, dank Sickereffekt und weil man mit baurechtlichen Mitteln ein wenig nachhelfe (siehe Vincentius, wo auch Sozialwohnungen mit nur zehnjähriger Bindungsfrist zur Spekulation einladen).
Solange aber das sog. Handlungsprogramm Wohnen in Wahrheit eine Handlungsprogramm Bauen ist, bei dem für Normalverdiener bezahlbare Wohnungen nur als temporäre Brosamen anfallen, ist mir das „wahre Gesicht“ des neue Baugebiete behindernden BUND höchst sympathisch.