Straßenbenennung: Es fehlt an einer klaren Linie

Vor kurzem hat der Gemeinderat beschlossen, die Von-Emmich-Straße nach Georges Ferber umzubenennen. Bald darauf revoltierten die Anwohner. Trotz zum Teil seltsamer Kritik aus ihren Reihen: Recht haben sie, wenn sie bemängeln, dass man sie nicht im Vorfeld über die Umbenennung informiert hat. Kippt der Gemeinderat am 28.Juni seine Entscheidung unter dem Eindruck des massiven BürgerInnenprotests? Wie will man in Zukunft mit dem Thema umgehen?

Die Straßenbenennungskommission hatte vorgeschlagen, die Von-Emmich-Straße zu tilgen. General Otto von Emmich (1848-1915) war 1914 für Massaker und Kriegsverbrechen an der belgischen Bevölkerung verantwortlich. Der damals als „Held von Lüttich“ gefeierte Soldat könne aus heutiger Sicht nicht als Vorbild gelten, vielmehr, so die Kommission, sei Von-Emmich ein „typisches Beispiel eines militaristischen und nationalistischen Heldenkults“. Seit der Umbenennung in Georges-Ferber-Straße aber peitschen die Wogen der Empörung hoch, BürgerInnen gehen auf die Barrikaden und fordern vom Gemeinderat eine Rücknahme der Entscheidung.

Vielen geht es nur ums Geld

Eine Mehrheit der betroffenen BürgerInnen, insgesamt geht es um rund 150 AnwohnerInnen, kritisiert, dass man sie nicht in den Entscheidungsprozess mit einbezogen habe. Das wurde auch bei einer öffentlichen Erörterung deutlich. Sie fühlen sich „übergangen“ und „überfahren“. Das Vorgehen der Verwaltung, so eine aufgebrachte Bürgerin in einer Mitteilung an das zuständige Amt, erinnere sie „eher an Diktatur denn an Demokratie“. Außerdem entstünden mit der Adressänderung Kosten und jede Menge Zeitverlust durch die Lauferei auf zuständige Ämter. Manche fürchten auch um ihre Bonität bei Banken, wenn sie innerhalb kürzester Zeit erneut ihre Adresse ändern müssten. Bliebe es bei der Umbenennung, so eine zusätzliche Foderung, solle die Stadt die anfallenden Kosten übernehmen. Christoph Sigg vom Hochbau- und Liegenschaftsamt meint, dass die Umbenennung auch finanziell „zumutbar“ sei. Lediglich die Umschreibung des KFZ-Zulassungsscheins verursache Kosten in Höhe von etwa 15 Euro, andere Änderungen würden großteils von der Verwaltung übernommen. Schwierig werde es allerdings, wenn sich die Stadt bereit erklärt, die tatsächlich entstandenen Kosten zu ersetzen. Was tun mit einem Gewerbetreibenden aus der Von-Emmich-Straße, der seinen Firmenwagen umlackieren lassen müsste und dafür rund 15 000 Euro in Rechnung stellt? Da würden Präzedenzfälle geschaffen, so Sigg, die auch bei weiteren Umbenennungen Probleme bereiten könnten.

Wer kennt schon Beethoven?

Ein anderer Anwohner mag das Argument der Straßenbenennungskommission, Von-Emmich sei nicht mehr zeitgemäß, grundsätzlich nicht gelten lassen: „Glauben Sie wirklich, dass jüngere Bürger Goethe, Lessing, Mozart, Beethoven usw. noch zeitgemäß finden?“ Denkt man auf dieser gefährlichen Schiene weiter, so der Einwand eher geschichtsbewusster KonstanzerInnen, dann könnte die Rheinbrücke heute noch Horst-Wessel-Brücke heißen und die Hugenbergstraße hätte nicht in Bodanstraße umbenannt werden müssen, denn mit diesen beiden Herren könne wohl eine überwiegende Mehrheit ebenso wenig anfangen. Aus einem ähnlichen Grund hätte man auch darauf verzichten können, den Wilhelm-von-Scholz-Weg umzubenennen, denn wer aus der jüngeren Generation weiß schon, dass Scholz auch glühende Hymnen auf Adolf Hitler verfasst hat? Was also tun?

Leitlinien erarbeiten

Daniel Gross, Historiker und bekannter Stadtführer, plädiert für einen ehrlicheren, transparenteren und offeneren Umgang mit dem heiklen Thema. Für ihn hat die Umbenennung im Fall Von-Emmich den Geruch einer „Willküraktion“. Ihm fehlt eine nachvollziehbare Regelung, wie man zukünftig mit Straßennamen oder personenbezogenen Ehrungen prinzipiell umgehen sollte. „Es ist kaum vermittelbar, wenn man Altoberbürgermeister Helmle richtigerweise nicht nur die Ehrenbürgerwürde der Stadt Konstanz aberkennt, sondern auch die Ehrensenatorenschaft der Uni Konstanz, aber Altkanzler Kurt-Georg Kiesinger trotz seiner NSDAP-Mitgliedschaft weiterhin als Ehrensenator geführt wird.“

Ein anderer Fall: Die nach dem späteren Kaiser Sigismund benannte Straße. War da nicht was? Richtig, Sigismund hat während des Konstanzer Konzils den Reformator Jan Hus verbrennen lassen, dennoch hat sich bislang niemand darüber aufgeregt, dass nach dem Mörder aus den Anfängen des 15. Jahrhunderts eine Konstanzer Straße benannt ist. Die Liste ließ sich beliebig fortsetzen: Wie geht man mit Otto-Raggenbass oder mit Moltke um? Wie mit dem ehemaligen Oberbürgermeister Franz Knapp oder Erzbischof Conrad Gröber, die zum Teil eng mit dem NS-Regime verbandelt waren und mit ihm kooperierten? Gross könnte sich eine Art Bestandsschutz vorstellen: „Überprüfen, wer zu Recht geehrt wurde und aussortieren, wer sich nach heutiger Auffassung diverser Verbrechen als Rassist oder Kriegstreiber schuldig gemacht hat“. Doch ab wann soll dieser Gesinnungscheck zu Ergebnissen führen? Ab 1848 oder schon früher? Ab 1914 oder erst ab 1933? Damit wäre zumindest der bereits erwähnte Kaiser Sigismund fein raus.

Auch der Historiker Arnulf Moser hat unlängst darauf hingewiesen, dass Benennungen „meist dem Wandel der politischen Systeme unterliegen“ und die Überlegung in die Debatte eingebracht, zukünftig auf politische Namen zu verzichten. Längst dazu durchgerungen hat sich die eidgenössische Nachbargemeinde Kreuzlingen. Dort werden öffentliche Straßen und Plätze nicht mehr nach Personen benannt. Die nochmalige Diskussion des Gemeinderats am 28.6. zur Causa Von-Emmich wird wohl nicht die letzte sein, die sich mit dem historischen Gewissen der Kommune beschäftigt.

Autor: Holger Reile

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