Studi-Demo: Es geht um mehr als Wohnungsnot

Am Freitag Abend ging ein kleiner studentischer Demo-Zug von rund 70 Leuten vom Telekom-Gebäude bis zum Münsterplatz durch Konstanz. Anlass: Der AStA der Universität hatte dazu aufgerufen, sich an den bundesweiten Kundgebungen „Studis gegen Wohnungsnot“ zu beteiligen. Der Protest, so die drei Redner einhellig, dürfe allerdings nicht nach der Demo enden. Vielmehr müsse dies der Auftakt einer größer angelegten Arbeit am Thema sein

Auch wenn Freitag ist, viele Studierende vielleicht zu ihren Eltern heim fahren, andere vielleicht gerade arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, so ist es bedrückend zu sehen, wenn eine Studierendenvertretung zu Protesten zum vielleicht drängendsten Problem in Konstanz aufruft, allerdings nur 70 von nahezu 14.000 Studierenden in der Stadt die Zeit finden, den Demozug zu unterstützen. Es ist eben nicht mehr 1997, als die Studierendenschaft im Dezember für eine Woche die Uni bestreikte, weil führende Unionspolitiker_innen es einfach nur wagten, das Wort „Studiengebühreneinführung“ in den Mund zu nehmen. Es ist eben nicht mehr Dezember 1997, als eine Fachschaft Biologie gegen Studiengebühren im Neoprenanzug im Rhein eisbaden ging – anno 2013 bezeichnet sich selbige Fachschaft lieber als unpolitisch, um bloß nirgends anzuecken.

Trotzdem sind solche Proteste richtig und wichtig. Die sozialen Einschnitte sind längst angekommen. Anscheinend konkurriert man lieber um die schnellstmögliche Beendigung des Studiums statt sich den sozialen Belangen organisiert zu widmen – noch dazu bei einem Thema, das von wohl über 90% der Studierenden gerade als Thema Nr.1 wahrgenommen wird. So ist es ermutigend zu sehen, dass sich in der Stadt zumindest eine kleine Minderheit der Studierenden der Problematik annimmt, sie Flagge zeigt, Farbe bekennt.

Zwar wurden die Studiengebühren längst von der Grün-Roten Landesregierung zurückgenommen, die ansonsten bildungspolitisch in Sachen Kürzungspolitik ihrer schwarz-gelben Vorgängerin in nichts nachsteht. Jedoch wurden die gesparten Studiengebühren im Geldbeutel der Studierenden praktisch durch die exorbitante Mietpreissteigerung wieder aufgefressen. Hier ist die Politik gefragt – es bleibt abzuwarten, wie faul der Kompromiss um die Mietpreisbremse im schwarz-roten Koalitionsvertrag der angehenden Bundesregierung ausfallen wird.

„Es geht nicht nur um Mieten. Es geht für Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Studierende, um den kompletten Bildungsbereich an und für sich. Wohnraum ist Menschenrecht genauso wie der Zugang zur Bildung ein Menschenrecht ist, welches in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben ist. Nach dieser Menschenrechtskonvention gibt es sogar ein Verschlechterungsverbot, was den finanziellen Zugang zu Bildung betrifft. Dies wird durch die hohen Mietpreissteigerungen klar unterlaufen, da sie das persönliche Bildungsbudget angreifen. Die Politik muss hier handeln“, stellte Ryk Fechner klar, der für die linksjugend[’solid] und den Studierendenverband DieLinke.SDS spricht: „Doch wir dürfen uns nicht damit begnügen, einfach geringere Mieten zu fordern. Langfristig muss man über eine Welt nachdenken, die sich ohne Mieten organisiert. Natürlich ist dies vorerst eine Utopie. Doch eine Utopie steht am Anfang einer jeglichen sozialen Veränderung.“ Auch erinnerte Fechner daran, dass die soziale Schieflage nicht nur junge Menschen trifft: Auch Menschen aus der Mittelschicht, viel schlimmer aber sozial Benachteiligte, insbesondere Obdachlose, litten besonders unter der prekären Situation.

Der JuSo-Kreisvorsitzende Lukas Scheub stellte heraus, dass die WG-Suche oftmals nicht zu einem gewünschten Ergebnis führt und forderte die schwarz-grüne Mehrheit im Gemeinderat auf, endlich Geld für sozialen Wohnungsbau in die Hand zu nehmen. Oberbürgermeister Uli Burchardt solle seine Seilbahn endlich aufhängen und sich endlich um sozialen Wohnungsbau kümmern. Was Scheub allerdings vergisst: Es war eine Schröder-Regierung, die Wohneigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) an den Mietspiegel koppelte, was Seezeit zur Aufgabe der Häuser an der Wollmatinger Straße zwang, da der einst soziale Wohnraum sich zu sehr verteuerte. Auch vergisst Scheub, dass es im Januar 2011 ein JuSo-Mitglied war, der als studentischer Vertreter der Uni im Seezeit-Verwaltungsrat mit für den damaligen Wirtschaftsplan stimmte. Und das, obwohl dieser Wirtschaftsplan damals zur Folge hatte, dass Neumieter_innen mit im Schnitt 25 Euro teureren Zimmern rechnen mussten als ihre Vormieter_innen. So bleibt abzuwarten, wie ernst die jungen Sozialdemokraten es diesmal mit der Beteiligung am Protest meinen.

Marco Radojevic, der für die Studierendenvertretung der Uni sprach, stellte heraus, dass Wohnraum Menschenrecht ist und keine Spekulationsmasse sein dürfe: „Außerdem ist gegenseitige Schuldzuweisung unter den Bevölkerungsgruppen nicht zielführend. Alle sind Leidtragende dieser Entwicklung: Junge Familien, Arbeitslose, prekär Beschäftigte und sogar weite Teile der sogenannten Mittelschicht. Kurz: Die ganze Stadt leidet.“ Radojevic, bereits im Bundestagswahlkampf als sehr guter Redner aufgefallen, versteht es, auch Passantinnen und Passanten dazu zu bewegen, dem Anliegen des AStA Gehör zu schenken: „Seit Ende der 70er Jahre wurde von allen Bundesregierungen der öffentliche Wohnungsbau systematisch zurückgefahren, bestehende öffentliche Wohnungen wurden privatisiert, an den Höchstbietenden verscherbelt, und der Wohnungsmarkt sollte sich mehr an marktwirtschaftlichen Kriterien ausrichten. Doch hier in Konstanz ist doch ganz offensichtlich, dass diese Politik gescheitert ist: Aus der unsichtbaren, alles regulierenden Hand des Marktes wurde hier mittlerweile der ziemlich sichtbare Mittelfinger des Marktes – für alle Menschen mit niedrigem Einkommen.“

So bleiben die Forderung der Studierendenschaft nachwievor bestehen und zu einem großen Teil wohl auch eine Kernforderung der Konstanzer Bevölkerung allgemein: Mehr sowie günstigere Wohnheimplätze und sozialer Wohnungsbau, eine bessere Förderung der Studentenwerke, eine wirklich wirksame Mietpreisbremse für Altverträge sowie ein Verbot der Mieterhöhung bei Neuvermietungen.

Autor: Symeon Börner

Nachtrag: Dass relativ wenige Studenten sich an diesem Demonstrationszug beteiligten, lag sicher auch daran, dass es Zwist innerhalb der Studentenschaft gab. So polemisierte der Liberale Hochschulbund noch am Demonstrationstag gegen diese Aktion. Seiner Meinung nach überschreite der AStA seine Befugnisse, wenn er zu einer solchen Demonstration auffordere. Und überhaupt dürfe man keine Mietpreisbremse fordern, sondern sollte dem freien Spiel der Marktkräfte vertrauen.