Studierende als Mietsklaven?

seemoz-C3 (2)Wer sich die Mietverträge im neuen C3-Studentenheim in der Chérisy anschaut, muss nicht Jurist sein, um zum Urteil zu gelangen: Knebelverträge sind das. Auch ohne juristische Bewertung – die steht noch aus – wird deutlich, welche Blüten die Wohnungsnot, die nicht nur Konstanzer StudentInnen plagt, treibt. MieterInnen werden zu geradezu unerträglichen Zugeständnissen genötigt.

Auch die Studierendenvertretung (StuVe, früher AStA) kritisiert diese Verträge (s. seemoz v. 18.3.), wenn sie neben den deutlich überdurchschnittlich hohen Mieten vor allem den Datenschutz bemängelt. Denn in §12 des elfseitigen Mietvertrages (inkl. Hausordnung) wird zum Beispiel bestimmt, dass „der Mieter … der Aufzeichnung durch die Videoanlage zustimmt.“ Zwar wird weiter unten beschönigend erklärt, solche Aufnahmen dienten nur dazu, „Beschädigungen festzustellen“ – aber Datenschutz sieht anders aus, denn unschwer können so auch Bewegungsprofile aller Bewohner erstellt werden.

Anderes Beispiel: Die Haftung des Mieters für Beschädigungen wird in §10 als nahezu grenzenlos beschrieben, während im vorigen Paragrafen etliche Voraussetzungen aufgezählt werden, die eine Haftung des Vermieters nahezu ausschließen.

Auch die Miet-Rahmenbedingungen lesen sich abenteuerlich. So werden Übernachtungsgäste (§6) ohne schriftliche Genehmigung nicht länger als drei Nächte geduldet – meine Güte, da war meine Vermieterin zu Studizeiten vor 50 Jahren in Aachen noch großzügiger. Eine Untervermietung ist nicht ohne eine Gebühr von 100 € möglich, und „die Aufnahme einer weiteren Person zu Wohnungszwecken ist untersagt“ – nix da mit Einzug der Freundin.

Da wundert es kaum noch, dass in §2 eine Staffelmiete mit jährlich steigendem Mietzins festgesetzt ist, dass der Mietvertrag frühestens nach vier Jahren gekündigt werden kann und dass eine Kaution hingeblättert werden muss, die unverzinst bleibt.

Die Hausordnung, fester Bestandteil des Mietvertrages, ähnelt eher eine Gefängnisordnung: Da sind mittägliche Ruhezeiten angeordnet und nächtliche ohnehin. Da gibt es Vorschriften zum Schließen der Fenster und zur Nutzung von Parkplätzen, natürlich ist das Rauchen verboten und das Grillen ohnehin. Wohl selten findet man eine derart teure Kasernierung.

Dieses Vertragswerk braucht dringend eine nicht nur juristische Überprüfung. Oder haben Sie schon einmal eine Hausordnung gelesen, die das Heizen der Wohnung vorschreibt und regelt?

hpk

 

Und das meint der Mieterbund dazu:

Ein neu errichtetes und privat betriebenes Wohnheim für Studierende ist ins Gerede gekommen. Der Mieterbund Bodensee hat den Mietvertrag, den die künftigen Bewohnerinnen und Bewohner unterschreiben sollen, kritisch geprüft. Aus unserer Sicht sind eine ganze Reihe von Klauseln problematisch, um es zurückhaltend zu formulieren:

Selbst dem rechtsunkundigen Leser sticht ins Auge, dass die Mieter vier Jahre lang auf ihr Kündigungsrecht verzichten sollen. Das ist zwar das rechtlich zulässige Maximum. Da sich der Vermieter jedoch ein Sonderkündigungsrecht, zum Beispiel für den Fall einer Exmatrikulation, vorbehält, ist diese Konstruktion wahrscheinlich unwirksam. Wenn in einem Mietvertrag auf das Kündigungsrecht verzichtet werden soll, muss dies für beide Vertragspartner gleichermaßen gelten. Und was in einem Studierendenwohnheim ein Zeitmietvertrag von vier Jahren Dauer soll, verstehe wer will.

Der Vermieter verlangt eine – auch für den Konstanzer Wohnungsmarkt – recht hohe pauschale Miete, die sämtliche Betriebskosten mit einschließt. Eine solche Inklusivmiete ist natürlich zulässig. Der Vermieter muss in diesem Fall keine Abrechnung vorlegen und kann auch die Miete einseitig aufgrund gestiegener Kosten erhöhen. Aber: Aus dem uns vorliegenden Vertrag geht gar nicht hervor, wie hoch die Pauschale überhaupt ist! Unsere Rechtsberater gehen daher davon aus, dass diese unklare und intransparente Regelung dazu führt, dass der Vermieter keinen Anspruch hat, die Pauschale zu erhöhen. Zusätzlich sieht der Mietvertrag eine Staffelmiete vor. Das heißt, die Miete wird jährlich um einen im Voraus vereinbarten Betrag ansteigen. Solche Regelungen sind aus Mietersicht zwar nicht schön, rechtlich aber zulässig.

Mietkautionen müssen vom Vermögen des Vermieters getrennt angelegt und marktüblich verzinst werden. Zinsen auf die Kaution müssen nur dann nicht bezahlt werden, wenn die Miete erheblich unterhalb des ortsüblichen Preisniveaus liegt. Das ist bei diesen Wohnungen eindeutig nicht der Fall – im Gegenteil!

Studierende haben ein berechtigtes Interesse ihre Wohnung unter zu vermieten, wenn sie wegen Praktika oder eines Auslandssemesters nicht am Studienort leben. Da dies für Vermieter Aufwand bedeutet, dürfen sie selbstverständlich eine Gebühr dafür verlangen. Aber 100 Euro sind unseres Erachtens eindeutig zu viel!

Der Eigentümer verlangt eine Selbstbeteiligung der Mieter bei sogenannten Bagatellreparaturen und setzt die Wertgrenze bei 100 Euro, maximal jedoch sechs Prozent der Jahresmiete an. Der Vertragstext ist zwar unglücklich formuliert, aber zulässig. Es ist aber beinahe unnötig zu erwähnen, dass diese Klausel den rechtlich möglichen Rahmen voll ausschöpft. Problematisch dagegen ist die Regelung, dass Schäden in den Gemeinschaftsräumen von allen Mietern gemeinschaftlich zu tragen sind. Da die Bewohner keinen gemeinsamen Vertrag unterzeichnen, sondern rechtlich selbstständige Mieter sind, kommt eine solche Haftung unserer Ansicht nach nicht in Betracht. Vermieter haben kein Recht auf eine regelmäßige Überprüfung der Mietsache. Besuche von Hausverwaltung oder Vermieter sind zulässig. Sie müssen aber einen Grund haben und zuvor angekündigt werden.

Der Mieterbund Bodensee ist aufgrund dieser Regelungen der Ansicht, dass Mieter in diesem Objekt unangemessen benachteiligt werden. Es liegt am extrem angespannten Konstanzer Wohnungsmarkt, dass sich Vermieter überhaupt trauen, Mietern solch einseitige Verträge zur Unterschrift vorzulegen. Insbesondere die Eigentümer sollten dabei bedenken: Wer mit solchen Praktiken arbeitet, gefährdet seinen guten Ruf in der Öffentlichkeit und somit langfristig auch die Vermietbarkeit seiner Wohnungen. Unseres Erachtens haben Mieter gute Chancen, sich rechtlich gegen diese Klauseln zur Wehr zu setzen.

Winfried Kropp, Pressesprecher Mieterbund Bodensee