Stuttgart21-Protest erreicht lautstark den Bodensee
Überlingen, Konstanz, Ravensburg – am Wochenende schwappte der Protest am brutalen Polizei-Einsatz gegen S21-Demonstranten vom vergangenen Donnerstag in Stuttgart auf den Bodensee über. Die Grünen hatten bereits am Freitag in Überlingen zur Solidaritäts-Veranstaltung aufgerufen und tun es für den kommenden Montag in Ravensburg. Am Samstag fanden sich in Konstanz rund 50 Protestler zu einer spontanen Demonstration zusammen. Das Motto überall: “Mappus muss weg“
Von der Marktstätte durch die Innenstadt zur Konstanzer Polizeidirektion zogen die Demonstranten, um dort einen Gartenschlauch und Peffersprays abzuliefern als „symbolische Geste für den Wasserwerfer-Einsatz und den Reizgas-Überfall der Stuttgarter Polizei“, wie ein Sprecher durchs Megaphon dröhnte. Die Polizeiwache war vorsichtshalber abgeschlossen, doch der Einsatzleiter Alfred Reichle trat vor die Tür – nicht, um die „Geschenke“ anzunehmen, sondern um die Personalien des Sprechers aufzunehmen.
Hier lächelten die Polizisten…
Das hatte er schon zu Beginn der spontanen Demonstration auf der Marktstätte getan. Den Hinweis, es handele sich um eine spontane Demonstration, wollte er nicht gelten lassen („48 Stunden später ist keine Spontanität gegeben“) und notierte Namen und Anschrift einer Passantin, die sich freimütig bereits erklärte, die Verantwortung für den Zug durch die Stadt zu übernehmen. Mittlerweile hatten sich gut 50 Menschen – darunter als einzige Gemeinderatsmitglieder Vera Hemm und Holger Reile von der Linken Liste Konstanz – um die Transparente gesammelt und zogen dann über den Münsterplatz, die Laube und den Rhein zur Polizeidirektion auf dem Benediktinerplatz, immer skandierend: „Mappus weg“. Und stets begleitet von einem halben Dutzend freundlicher Polizisten, die, im Gegensatz zu ihren Kollegen in Stuttgart, lächelnd den Zug der Passanten vor allzu forschen Autofahrern beschützten.
Anders als in Konstanz, hatte sich bei der Überlinger Kundgebung am Vorabend fast die halbe Gemeindrats-Fraktion der Grünen unter die 15 Demonstranten gemischt. Unter ihnen auch Landtagskandidat Hahn, der meinte: „Ich habe den Eindruck, die CDU wollte die Eskalation in Stuttgart, um sagen zu können, hier sind die Radikalen; wir aber sind die, die für den Rechtsstaat einstehen.“ Dieses „Zauberspiel“, so Hahn, nähmen die Wähler der Landesregierung aber nicht mehr ab.
…dort lieferten sie die „Wurfgeschosse“
Davon gehen wohl auch die Grünen in Ravensburg aus. Deren Kreisverband ruft für Montag, 4.10., zu einer Demonstration auf; Treffpunkt: 18.55 Uhr am Bahnhof Ravensburg. Titel: „Es reicht – Schwabenstreich.“ In ihrem Aufruf weisen die Grünen darauf hin, dass die Landesregierung ihre ursprüngliche Behauptung, Demonstranten hätten Steine geworfen, zurücknehmen musste – es habe sich um Kastanien gehandelt, die vereinzelt auf die schwere Polizistenmontur trafen. Fast ulkig: Diese Kastanien waren zuvor erst von den Wasserwerfern aus den Bäumen gespritzt worden.
Auch andernorts nimmt die Kritik an den Stuttgarter Politikern zu. So sagte der Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes, ehemals Rektor der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen, am Wochende der ‚Stuttgarter Zeitung‘, es spreche vieles dafür, dass bei dem Einsatz von Anfang an keine Deeskalation geplant war. „Die Schuld dafür trägt das Innenministerium und die Landesregierung“. Feltes kritisierte den überzogenen Wasserwerfereinsatz und verwies darauf, dass die Wasserwerfer grundlos in die Menschenmenge hinein gerichtet gewesen seien. „Dass die Polizei gleich mit Wasserwerfern angerückt, war darauf angelegt, Stärke zu zeigen“, sagte der Wissenschaftler. „Man hat das Gefühl, die Politik wollte diesen Konflikt“.
Dabei fällt mir ein: Am 27.3. 2011 wird in Baden-Württemberg gewählt.
Autor: hpk