Südkurier-Chef Wiesner: „Haustarif nur über meine Leiche“

Rainer Wiesner

Es brodelt beim Südkurier, und zwar kräftig. Geschäftsführer Rainer Wiesner kippt täglich Öl ins Feuer. Nicht mal auf einen Haustarif will er sich einlassen. „Nur über meine Leiche“, soll er den Beschäftigten erklärt haben. Stattdessen setzt er auf Einzelgespräche und droht mit „Klein-GmbHs“ und Auslagerungen, sollten die „Uneinsichtigen“ nicht einverstanden sein mit Gehaltskürzungen und Mehrarbeit. Der Mann gibt den Betonkopf. An einer einvernehmlichen Lösung ist er wohl nicht interessiert.

Der kürzliche Streik beim Südkurier hat Wiesner die Stirnadern schwellen lassen. Mehr als 3000 Postabonnenten bekamen ihre Zeitung nicht und das Blatt kam noch dünner als sonst daher. Seitdem erscheint der Konstanzer Lokalteil z.B. immer häufiger mit Berichten aus anderen Regionen, ganze Seiten werden neuerdings mit Leserbriefen gefüllt: Platz, der für die doch so wichtige, lokale Berichterstattung fehlt.

Wie der Südkurier seine Mitarbeiter erpresst

Seit Ende letzten Jahres die Südkurier GmbH aus dem Arbeitgeberverband ausgeschieden ist, gilt auch der zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern geschlossene Tarifvertrag nicht mehr. Das heißt für die Südkurier-Beschäftigten: Für ihre Gehaltsstrukturen und Arbeitsbedingungen gilt keine allgemein gültige Vereinbarung mehr. Die Taktik der Personalleitung: Sie zitiert einzelne Mitarbeiter und drängt ihnen nun neue Arbeitsverträge mit – natürlich – verschlechterten Gehalt- und Arbeitsbedingungen auf. Akzeptiert der/die Beschäftigte nicht, wird mit der Auslagerung ihrer/seiner Abteilung gedroht. Die dann neue GmbH könnte neue Arbeitsverträge zu nur ihren Bedingungen diktieren – akzeptiert der Beschäftigte nicht, ist der Job weg. Eine Lösung im Sinne der Beschäftigten wäre ein Haustarifvertrag nur für die Menschen beim Südkurier. Doch das geht – so Wiesner – nur „über meine Leiche.“

Wiesner weiß: Kommt es zu einem erneuten Streik und erstreckt sich dieser über mehr als drei Tage, dann könnte die Situation eskalieren. Bislang merkten nur wenige LeserInnen, dass gestreikt wurde. Wie auch? Die Geschäftsleitung hat beschlossen, darüber kein Wort verlauten zu lassen. Ein mehr als unsouveräner Umgang mit der Situation – andere Zeitungen wie die in Stuttgart oder München berichten regelmäßig über die Tarifauseinandersetzungen auch in ihrem Haus.

Ärger mit der Online-Radaktion

„Wiesner stellt die Machtfrage und riskiert, dass das Haus in Scherben geht“, so die Einschätzung vieler Mitarbeiter. In allen Abteilungen herrsche „dicke Luft“. Einig sind sich die meisten darin: „Wiesner richtet mit seiner Verweigerungshaltung großen Schaden an“. Auch mit der Online-Redaktion hadert der Südkurier-Geschäftsführer.

Bei einer Besprechung moserte er patzig über die schlechte Qualität des Online-Auftritts. Kein Wunder, denn zur Zeit kümmert sich gerade mal ein ausgebildeter Redakteur um diese Abteilung, dazu drei nicht ausgebildete Kollegen und etwa zehn freischwebende Aushilfskräfte. Erst kürzlich haben vier ausgebildete Redakteure aufgrund der angespannten Situation die Online-Redaktion verlassen und sich anderweitig orientiert. Das rächt sich nun.

Ärger auch mit Politikern

Ebenfalls unklug war Rainer Wiesners Absage an Landrat Frank Hämmerle Anfang Juli. Hämmerle hatte Wiesner eingeladen, um sich über den arbeits- und tarifrechtlichen Konflikt auszutauschen und an einer Einigung mitzuwirken. Mit am Tisch sitzen sollten Südkurier-Personalvertreter, alle Oberbürgermeister aus dem Landkreis Konstanz und die parlamentarischen Vertreter Andreas Jung (MdB CDU), Birgit Homburger (MdB FDP), Till Seiler (MdB Grüne), Hans-Peter Storz (MdL SPD), Wolfgang Reuther (MdL CDU) und Europaminister Peter Friedrich (SPD). Sie alle machen sich Sorgen um die sich zuspitzende Situation beim Südkurier.

Doch Wiesner lehnte die Einladung am 11.7. brüsk ab, unter anderem „aus grundsätzlichen Erwägungen und terminlichen Gründen“. Ziemlich arrogant seine Einlassung: „Unsere betriebsinternen Vorgänge werden wir wie bereits in der Vergangenheit mit großer Umsicht und unter Wahrung der Interessen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unserer Kunden und unserer Gesellschafter zu meistern wissen“. Gespräche würde Wiesner „gerne trennen von dem Dialog, den wir mit unserer Arbeitnehmervertretung in der Südkurier GmbH führen“.

Vorbereitungen für den Südkurier-Verkauf?

Langsam stellt sich die Frage, ob Wiesner noch der richtige Mann ist, um den Betrieb in ruhigere Gewässer zu führen. Andererseits könnte es auch sein, dass der Verkauf des Südkurier aktueller ist denn je. Jeder nicht tarifgebundene und damit preiswertere Mitarbeitervertrag macht den Deal für einen potentiellen Käufer interessanter, weil billiger.

Was Wiesner auch nicht passt: Im Oktober soll dem Südkurier der Adenauer-Preis für die beste Tageszeitung verliehen werden. Wohlgemerkt: Ausgezeichnet wird die Blatt-Konzeption, also die tatsächlich gute Idee, die Seiten 2 und 3 weitgehend für Hintergrundberichte zu reservieren. Von Qualitätsjournalismus, guter Schreibe oder effektiver Recherche etwa, ist in der Laudatio ausdrücklich nicht die Rede.

Bis zur Preisverteilung sollte Ruhe herrschen im Karton. Ein zusätzlicher und eventuell auch längerer Streik, vor allem während der Sommerferien, könnte das Fass zum Überlaufen bringen. Denn wer sollte außer Chefredakteur Stefan Lutz und Geschäftsführer Rainer Wiesner dann noch zur Preisverleihung kommen?

Autor: hr/hpk

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