Südkurier erteilt Abrissgenehmigung
Die Debatte um das Haus am Konstanzer Stephansplatz 31 wurde von seemoz angestoßen und, wie in anderen Fällen auch, dieselte der Südkurier notgedrungen hinterher. Anfangs verwies man in einem ersten Beitrag noch darauf, dass das Haus unter Denkmalschutz stehe und durchaus schützenswert sei. Nun aber kommt die Kehrtwende und SK-Redakteur Philipp Zieger plädiert dafür, das Kulturdenkmal abzureissen. Artiger Dispens für den uneinsichtigen Dekan
„Denkmalschutz: Nicht um jeden Preis“, so der Titel eines Textes in der Wochenendausgabe der Tageszeitung zum derzeit viel diskutierten Thema. „Etliche Bauwerke“, säuselt Zieger, seien zwar „stumme Zeugen der geschichtlichen Entwicklung“ einer Stadt, aber übertreiben solle man es damit nun wirklich nicht. Denkmalschutz irgendwie schon, aber ab und zu wird man wohl eine Ausnahme machen dürfen. Also drückt er mal wohlwollend beide Augen zu. Vielleicht auch deshalb, weil sich die Immobilie im Besitz der einflussreichen katholischen Kirche befindet? Deren städtisches Netzwerk bis hinein in die SK-Redaktionsstuben funktioniert nachweislich bestens. Für die Glaubens-Krake vor Ort stand der Südkurier schon immer gerne Gewehr bei Fuß.
Freuen wird dieser mediale Beistand vor allem CDU-Stadtrat Wolfgang Müller-Fehrenbach, auch MüFe genannt, der in dem klerikalen Beziehungsgeflecht eine tragende Rolle spielt. Als während der letzten Gemeinderatssitzung das Haus am Stephansplatz kurz zur Sprache kam, erhob MüFe das Wort und behauptete, der Abriss des Kulturdenkmals diene alleine einem sozialen Zweck, denn die Kirche wolle an dieser Stelle Wohnraum für Beschäftigte schaffen. Daraufhin brach schallendes Gelächter aus, weiß man doch querbeet, dass der CDU-Frontmann schon lange nach einer Seligsprechung giert und keine Gelegenheit auslässt, vor der katholischen Geistlichkeit devot sein Knie zu beugen und Ergebenheitsadressen abzusondern.
Springt ein Investor ein ?
Im Gegensatz dazu kämpfen vor allem Baubürgermeister Kurt Werner und Denkmalschützer Frank Mienhardt für den Erhalt des historischen Gebäudes. Sie erteilten bislang keine Abrissgenehmigung und bemühen sich um Fördergelder, um den ehemaligen Chorherrenhof zu sanieren. Möglich wäre auch, dass die Stadt die Immobilie erwirbt oder aber ein privater Investor einspringt.
Dass die Kirche unter Zuchtmeister Dekan Trennert-Helwig zur Besinnung kommt, ist eher nicht zu erwarten. Sie will offenbar ihre Neubaupläne gerichtlich durchboxen und alsbald die Bagger anrollen lassen. Außer, das deutet sich an, die Immobilie lässt sich noch schnell gewinnbringend verhökern und man schafft sich damit weiteren Ärger vom Hals. An der Pflege des kulturhistorischen Gemäuers hatte die Kirche nie Interesse: Fast dreißig Jahre ist es her, dass sie letztmals Gelder in notwendige Renovierungen steckte. Und seit dem Auszug mehrerer Mieter hat sie Wohnraum leerstehen und verrotten lassen.
Lokalredaktion hatte kein Interesse
Das war auch mit ein Grund, dass der Südkurier schon vor einem Jahr über die Zustände am Stephansplatz 31 aus erster Hand informiert wurde. Anwohner sprachen bei der Lokalredaktion vor und regten an, die leer stehenden Wohnungen könnten doch hergerichtet und an Studenten vermietet werden. Ein dementsprechender Bericht im Südkurier, so die Tippgeber, würde eventuell dazu beitragen, die Kirche an ihre soziale Verantwortung zu erinnern. Passiert ist nichts, man wollte es sich offensichtlich nicht mit der Geistlichkeit verscherzen. Erst jetzt, als seemoz schon des öfteren darüber berichtet hat, zog auch die örtliche Tageszeitung nach, gebärdet sich aber als Denkmalstürmer.
Redakteur Zieger fällt sein Urteil anlässlich der zu hohen Sanierungskosten und mokiert sich außerdem über die Außenansicht. Was sich im Inneren des Hauses befindet (seemoz hilft mit aktuellen Bildern aus: die Stadtmauer aus dem 11. Jahrhundert und die historische Zimmerdecke) und auch unter der Fassade (derzeit bei einer Sanierung in der Konradigasse Nr. 35 zu besichtigen, wo unter dem 100 Jahre alten Fassadenputz, wie wohl auch am Stephansplatz, eine ursprüngliche Natursteinmauer erscheint), interessiert Zieger nicht. Der gesetzliche Schutzmantel Denkmalschutz müsse „nicht ewig wärmen“, schreibt der Journalist. Da „der Erhaltenswert schon an der Fassade nicht ablesbar ist, muss der Mantel auch ausgezogen werden dürfen“. Nicht nur der Dekan wird sich bei Zieger für diese Einschätzung vermutlich allerherzlichst bedanken.
Autor: H.Reile
Weitere Links:
Schonfrist für Kulturdenkmal: Abbruch erneut abgelehnt
Katholische Kirche droht mit Rausschmiss
Stephansplatz 31: Gschmäckle um ein Gutachten?
Es ist ein unmöglicher Ansatz Baudenkmäler über die „Ansehnlichkeit“ zu beurteilen. Man kann dem Dekan vielleicht
zugutehalten, daß er in den 60er und 70er Jahren noch nicht in Konstanz wirkte. Sonst hätte er wissen müssen, wie zu großen Teilen die Niederburg aussah. Mit dem Argument „unansehnlich“ hätte man damals mindestens die Hälfte der Häuser abreißen müssen. Eine erschreckende Vorstellung !! Ordentlich saniert würde das Haus St.Stephansplatz 31 ein Schmuckstück werden. Nur instandgesetzt bleibt es wenigstens günstiger Wohnraum.
Ina Deeg Konstanz
Immobilienbesitz bringt Gewinn und verursacht Kosten. Seriöses Geschäftsgebahren kennt diese Größen. Es ist eine Sache, den Ertrag (Mieten) zu realisieren, die andere ist die Instandhaltung (Kosten) um den Ertrag auch langfristig abzusichern. Jeder seriöse Immobilieneigentümer weiß das und wird, wie u.a. bei Wohneigentum gesetzlich vorgeschrieben, aus einem Teil des Ertrags eine Rücklage für Instandhaltung und Modernisierung bilden. Der Eindruck drängt sich auf, daß die kath. Kirche als Eigentümer hier nur den Ertrag gezogen und keine Rücklagen gebildet hat. Jetzt, wo der Instandsetzungs- und Modernisierungsstau aufgelaufen ist, soll Abriß und Neubau und die dann natürlich zukünftig höher kalkulierte Mieten die Rendite sichern. Ein gängiges Vorgehen, aber es bleibt dennoch ein höchst unsoziales Vorgehen und eine unverantwortliche Vorgehensweise gegenüber einem Kulturdenkmal.
Hendrik Riemer, Riemer-Immobilien Allensbach
Der Gedanke der Südkurier-Redaktion: Denkmalschutz nur für Einige, nicht für alle – bekannt sind die besonderen Privilegien der katholischen Kirche, also warum nicht auch beim Denkmalschutz außerordentliche Maßstäbe anlegen?
Es ist wirklich bedauernswert, dass mit historischen Schätzen der unwiderbringlichen Vergangenheit aus Profitgier kurzer Prozess gemacht werden soll. Da muss man sich doch sehr wundern, wo doch die gerade frisch gewählte Kirchenführung doch Armut und Demut bekundet…