Südkurier-AfD: Nächster Akt des Trauerspiels

Das Amtsblatt der Stadt Konstanz wird vom Pressereferat verfertigt und vom Südkurier Medienhaus gedruckt und zusammen mit dessen Konstanzer Anzeiger in die Konstanzer Briefkästen gesteckt. Nachdem der Anzeiger aber zur Landtagswahl eine üppige Beilage der AfD unter die Leute brachte, die dem redaktionellen Teil zum Verwechseln ähnlich sah, gibt es etliche Stimmen in der Stadt, die den Amtsblatt-Vertrag mit dem Südkurier kündigen möchten. Der Gemeinderat aber bleibt ihm mehrheitlich treu.

Das Amtsblatt erscheint seit Anfang 2018 und wird vom Südkurier Medienhaus gedruckt und verteilt, nachdem es damals eine städtische Ausschreibung gewonnen hatte. Der Vertrag läuft derzeit noch bis zum 15.10.2021, kann aber von den beiden Vertragsparteien bis zum 15.4.2021 gekündigt werden. Trotz des weitverbreiteten Ärgers über den AfD-Beileger (die Badische Zeitung hat sich ja für eine ähnliche Aktion anders als der Südkurier entschuldigt) schlug die Verwaltung dem Gemeinderat vor, den Vertrag mit dem Medienhaus bis zum 15.10.2022 fortzuführen. Dann muss der Vertrag ohnehin neu ausgeschrieben werden, weil er nach fünf Jahren ausläuft. „Der weitere Ablauf sieht vor, die Ausschreibungsunterlagen im Laufe des Jahres zu erstellen und sie dem Gemeinderat nach der Sommerpause zur Beschlussfassung vorzulegen“, formuliert es die Verwaltung in ihrer Entscheidungsvorlage für den Gemeinderat.

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Es riecht a weng

Zusammen mit der Frage, ob der Südkurier weiterhin der richtige Partner für die Stadt in Sachen Amtsblatt sein kann, waren auch immer wieder Überlegungen zu hören, das Amtsblatt inhaltlich komplett neu aufzustellen. Den Zusammenhang zwischen Kündigungsfristen und einer eventuellen inhaltlichen Neuausrichtung der Publikation erläuterte der städtische Pressereferent Walter Rügert, und er tat dies mit einem durchaus warnenden Unterton. Wenn die Stadt Konstanz zum 15.10.2021 aus dem Vertrag mit dem Südkurier aussteigt, muss sie bis dahin ein neues Ausschreibungsverfahren durchgeführt haben, und ein solches Verfahren dauert mindestens vier Monate, sofern man unverändert bei dem bisherigen redaktionellen Konzept und Umfang des Blattes bleibt. Wenn der Gemeinderat aber etwas am Grundmodell des Amtsblattes ändern will, benötigt die Pressestelle dafür deutlich mehr Zeit, der Pressereferent rechnete mit mindestens sieben, wahrscheinlich aber wesentlich mehr Monaten. „Dazu kommt noch die Zeit, in der der Rat formuliert, was er in Zukunft redaktionell vom Amtsblatt erwartet. Wenn tatsächlich alternative Modelle gewünscht werden, wäre es also am sinnvollsten, jetzt noch einmal bis Oktober 2022 mit dem Südkurier zu verlängern und in dieser Zeit über die künftige Gestaltung des Amtsblatts zu diskutieren und zu beschließen. Man könnte bis Anfang 2022 das neue Modell für das Amtsblatt entwickeln, es Anfang 2022 neu ausschreiben und dann im Herbst 2022 mit dem neuen Amtsblatt an den Start gehen.“ Rügert wies auch darauf hin, dass man, wenn man möglichst viele Anbieter interessieren will, mit möglichst langen Ausschreibungsfristen arbeiten müsse.

Zu Hochdeutsch: Die Zeit läuft für den Südkurier, und Zeit- und Sachzwänge sind in der Politik ja immer wieder beliebte Keulen in der Hand der Verwaltung, die jederzeit auf den politischen Gegner niederdonnern können, wenn er es gerade am wenigsten erwartet.

Oberbürgermeister Uli Burchardt zeigte sich sichtlich nicht begeistert vom Gedanken an ausführliche Diskussionen über eine Neuausrichtung des städtischen Mitteilungsblattes. Er forderte RätInnen dazu auf, gegebenenfalls einen entsprechenden Antrag zur Abstimmung zustellen. „Sonst könnte das Ergebnis endloser Diskussionen sein, dass wir genau dort wieder herauskommen, wo wir jetzt gerade schon sind.“ Er sprach sich klar für die Fortführung des Vertrages mit dem Südkurier Medienhaus aus, und es steht zu vermuten, dass er das Amtsblatt auch über das Jahr 2022 hinaus gern in dessen Händen sähe.

Vertrauen ist futsch

Die Position des Oberbürgermeisters und das Südkurier Medienhaus wurden von verschiedenen Seiten mit unterschiedlichen Argumenten kritisiert, am intensivsten von Holger Reile (LLK): „Es geht nicht um eine Bestrafungsaktion, denn das wäre zu kurz gegriffen. Ich möchte als Vertreter dieses Rates und Bürger dieser Stadt nicht, dass ein Partner der Stadt, und als Produzent und Verteiler des Amtsblattes ist der Südkurier ein Partner der Stadt, unser Amtsblatt austrägt, dem es nicht blöde genug ist, vermutlich aus reiner Geldgier rechte, rassistische und dumme Fakes und News unter die LeserInnen zu bringen. Ich will Partner, die beim Kampf gegen solche Leute glaubhaft dabei sind. Das Medienhaus hätte diesen AfD-Auftrag ohne Probleme zu bekommen ablehnen können. Wir sind vor einigen Tagen der europäischen Städtekoalition gegen Rassismus beigetreten, können wir da so etwas hinnehmen? Es geht mir nicht um eine Strafaktion, sondern um ein klares Zeichen. Wir beantragen daher, dass der Vertrag mit dem Medienhaus Südkurier nicht um ein weiteres Jahr verlängert, sondern so schnell wie möglich neu ausgeschrieben wird.“ Sein Fraktionskollege Simon Pschorr (LLK) legte nach: „Man kündigt einen Vertrag in der Regel dann, wenn man mit der Vertragsdurchführung durch den Vertragspartner nicht mehr zufrieden und wenn das Vertrauensverhältnis mit diesem Partner zerrüttet ist. Ich denke, das alles ist hier der Fall.“

Einen weiteren Aspekt brachte Christine Finke (JFK) ein, deren Fraktion die Fortführung des Vertrages mit dem Südkurier ebenfalls einhellig ablehnte, denn wir könnten „nicht so tun, als sei nichts Einschneidendes passiert. Ein Konstanzer Anzeiger, der einer Ausgabe eine Publikation einer demokratiezersetzenden Partei beilegt, die fast so aussieht wie unser Amtsblatt, ist nicht die richtige Umgebung für unsere städtischen Mitteilungen.“ Sie regte an, darüber nachzudenken, ob das Amtsblatt auch in Zukunft in einer gedruckten Fassung verteilt werden solle, oder ob man es nicht ausschließlich digital im Internet zur Verfügung stellen könne. „Die Verwaltung argumentiert, dass durch ein digitales Amtsblatt all die Haushalte ausgeschlossen werden, die über keinen Internetanschluss verfügen. Aber sind das wirklich so viel mehr Haushalte als die, die das Amtsblatt nicht bekommen, weil sie einen Aufkleber ‚Keine Werbung bitte‘ an ihrem Briefkasten hängen haben?“ Ein digitales Amtsblatt kann ihrer Einschätzung nach außerdem durch Links auf weitere Inhalte den Lesern einen echten Mehrwert gegenüber der gedruckten Ausgabe bieten. „Wir möchten das Amtsblatt also entweder neu ausschreiben, oder erst einmal ganz auf die Print-Version verzichten.“ Der Charme dieser Lösung wäre natürlich, dass die Produktion und Verteilung eines elektronischen Amtsblatts, das man sich von der Homepage der Stadt herunterladen kann, ganz ohne ein externes Medienhaus allein vom Pressereferat erledigt werden kann.

Echte Empörung

Die Ratsmehrheit aber will, um das Ergebnis der Abstimmung vorwegzunehmen, – AfD-Kumpanei hin und her – dem Südkurier Medienhaus mindestens bis Herbst 2022 treu bleiben. Für die CDU bekundete Wolfgang Müller-Fehrenbach, dass seine Fraktion es falsch finde, die Diskussion über die Ausschreibung dazu nutzen zu wollen, jemanden zu bestrafen. Roger Tscheulin (CDU) war gar richtiggehend empört, dass man als Grund für die Nichtverlängerung des Vertrages „die Geschichte mit der AfD als Grund nimmt, das sollte man sich auch unter dem Gesichtspunkt der Neutralitätspflicht der Stadt gut überlegen“. „So können wir als Stadt nicht agieren, indem wir ganz offensichtlich versuchen, die Presse zu beeinflussen. Ich möchte mal wissen, was der Herr Reile [der ja nicht nur LLK-Stadtrat, sondern auch verantwortlich für seemoz sowie als freier Journalist tätig ist] sagen würde, wenn man dem so reinpfuschen würde. Der müsste sich eigentlich als erster für seine Kollegen vom Südkurier stark machen.“

Tscheulin, der alte Politfuchs: Ein (linker) Presseverantwortlicher wie Reile wäre also moralisch verpflichtet, sich für seine Kollegen aus dem anderen Lager stark zu machen, wenn sie die Steigbügelhalter der rechten Wirrköpfe mimen? Das ist ein perfide gutes Argument – allerdings nur in der Tscheulin-Welt, in der eine Krähe der anderen kein Auge aushackt und links wie rechts wundersamerweise irgendwie dasselbe ist. Vermutlich wollte Tscheulin mit moralischem Elan an dieser Stelle auch gleich noch Rosa Luxemburg („Freiheit der Andersdenkenden“ usw.) zitieren, aber ihm brach vor Entrüstung über so viel linke Unmoral die Stimme, so dass er abrupt schloss: „Ich kann nur mit dem Kopf schütteln.“ Und zu diesen Worten schüttelte er den Kopf besonders vielsagend.

Wie gesagt: Am Ende stimmte die Mehrheit pro Südkurier, es bleibt erst einmal alles wie gehabt, und nächstes Jahr muss dann ja ohnehin neu ausgeschrieben werden. Dann wird sich weisen, ob es RätInnen gibt, die sich an eine Neuausrichtung des Amtsblättchens wagen – und ob es wirklich andere Unternehmen als das örtliche Medienhaus allein gibt, die sich in Konstanz an die Briefkästen heranwagen.

O. Pugliese (Bild: )