Synagoge, die soundsovielte
Seit gut zehn Jahren ist geplant, in der Sigismundstraße 8 (s. Foto) eine neue Synagoge zu bauen. Das Vorhaben war begleitet von internen Scharmützeln innerhalb der jüdischen Gemeinden. Ende 2014 gab der Bauherr seinen Rückzug vom Projekt bekannt, zwei Monate später stieg er wieder ein. Heute beschäftigt sich erneut der Gemeinderat mit dem Langzeitthema.
Das städtische Grundstück soll der IRG Baden (Israelitische Religionsgemeinschaft), dem Dachverband der jüdischen Gemeinden, übertragen werden. Zusätzlich möchte die Stadt der IRG einen Baukostenzuschuss von insgesamt 155 000 Euro gewähren, wobei die erste Rate erst fällig wird, wenn tatsächlich gebaut wird. Wird bis 31.12.2015 nicht gebaut, geht das Grundstück an die Stadt zurück und wird der Wohnungsbaugesellschaft WOBAK zur Bebauung mit einem Wohn-/Geschäftshaus angeboten. Das sind nachvollziehbare Vorsichtsmaßnahmen, denn schon mehrmals in den vergangenen Jahren wurde der Spatenstich angekündigt.
Nun aber will die IRG tatsächlich ab Januar 2016 mit dem Bau der Synagoge beginnen, der Ende September 2017 abgeschlossen sein soll. Die Finanzierung sei gesichert, heißt es, mit Gesamtkosten von rund 4 Millionen Euro wird gerechnet. Ab kommenden August rücken aber erstmal die Archäologen an und fangen an, nach Hinterlassenschaften früherer Kulturen zu graben.
Bis noch vor wenigen Wochen existierten zwei jüdische Gemeinden in Konstanz: Die IKG (Israelitische Kultusgemeinde) und die JGK (Jüdische Gemeinde Konstanz). Letztere, eher liberal ausgerichtet, stemmte sich vehement gegen die Pläne der IKG, Frauen während des Gottesdienstes auf eine Empore oder hinter einen Vorhang zu verweisen. Außerdem beanspruchten sie für ihre Mitglieder mehr Raum in der neuen Synagoge, der ein Gemeindezentrum angegliedert wird. Mit knapp 30 Quadratmetern wollten und wollen sie sich nicht zufrieden geben. (seemoz berichtete mehrmals ausführlich).
Die IRG löste Ende März kurzerhand die jüdischen Gemeinden vor Ort auf und gründete eine „Synagogengemeinde“ (SG). Von einem „offenen Haus für alle Konstanzer Jüdinnen und Juden“ ist die Rede. Mitglieder der JGK sehen das anders und sprechen von einer „Zwangsgemeinde“, der sie sich nicht unterordnen wollen. Mit weiteren juristischen Streitereien darf also getrost gerechnet werden.
Die städtische Vorlage zum Thema liest sich widersprüchlich. Einerseits will man sich aus innerreligiösen Angelegenheiten heraushalten, andererseits aber soll im Kaufvertrag mit der IRG eine Nutzungsbedingung aufgenommen werden, dass „dieses Gebäude als offenes Haus für alle jüdischen MitbürgerInnen für deren Religionsausübung bestimmt ist“. Und genau das wird zwischen den zutiefst verfeindeten Parteien zumindest in absehbarer Zeit nicht der Fall sein.
Es wird heute wohl eine Mehrheit geben für den Bau der Synagoge. Viele RätInnen haben das „Gezerre“ und die „Faxen“ schlichtweg satt, wollen aber namentlich nicht zitiert werden. Sie eint der fromme Wunsch, dass sich die Gemüter schon irgendwann beruhigen werden und religiöser Friede einkehrt. Zu befürchten ist: Bis es dazu kommt, bleibt das Projekt, das einen würdigeren Umgang verdient gehabt hätte, wohl weiter ein saurer Zankapfel im Herzen der Stadt.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
H. Reile
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