Synagoge: Hoffnung auf Eintracht
Die gute Nachricht: Die Konstanzer Synagoge wird gebaut. Die schlechte: Die jüdischen Gemeinden vor Ort stehen sich weiterhin skeptisch bis feindlich gegenüber. Der Traum von einer halbwegs harmonischen Einheitsgemeinde könnte spätestens am 6. Mai platzen. Denn dann sind Vorstandswahlen angesetzt und der liberale Flügel befürchtet eine Niederlage.
Der Bau der Synagoge in der Sigismundstraße soll etwa 2,8 Millionen Euro kosten. Kritiker bemängeln, dass alleine die Sanierungskosten für den maroden „Anker“ mit rund einer Million Euro veranschlagt werden. Diese Summe, so viele, sei „hinausgeworfenes Geld“. Aber dafür kann der Bauträger nichts, die Denkmalbehörde hat sich durchgesetzt.
Die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden (IRG) wird für das Projekt 1,8 Millionen Euro aufbringen. Diese Gelder kommen über den Staatsvertrag mit dem Land Baden-Württemberg und zum Teil auch aus Kirchensteuermitteln. Desweiteren gewährt die IRG einen Kredit über 845 000 Euro und auch die Stadt Konstanz beteiligt sich mit 115 000 Euro an der Finanzierung. Außerdem stellt die Stadt das Grundstück, das mit einem Wert von 615 000 Euro beziffert wird, gratis zur Verfügung. So weit, so gut.
Mit dem Bau der Synagoge ist auch die Hoffnung verbunden, dass die Streitigkeiten zwischen der eher orthodoxen Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz (IKG), die in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich von der Familie Nissenbaum geleitet wurde, und der als liberal geltenden Jüdischen Gemeinde Konstanz (JGK) endlich ein Ende finden. Die JGK hatte sich vor wenigen Jahren gegründet, weil deren Mitglieder sich von den jüdischen Traditionalisten um die Gebrüder Nissenbaum nicht zufriedenstellend vertreten fühlten. Von Machtmissbrauch war die Rede, von undurchsichtigen Geschäften und auch davon, dass die Familie Nissenbaum, so die Vorwürfe, die IKG nach Gutsherrenart führte und Glaubensfragen sehr oft mit wirtschaftlichen Interessen Hand in Hand gingen. Man stritt sich über lange Jahre vor Gerichten, es ging drunter und drüber. (seemoz berichtete mehrmals ausführlich).
Der Dachverband IRG plädiert schon seit längerem dafür, die beiden Konstanzer Gemeinden endlich wieder zusammen zu führen. Doch die gewünschte Einheitsgemeinde steht auf der Kippe. Zwar sprachen sich kürzlich zwei Drittel der Stimmberechtigten für eine Fusion der Gemeinden aus, aber die JGK stimmte fast einstimmig dagegen. Sie konnte sich nicht durchsetzen, da sich ein Großteil ihrer Mitglieder nicht an der Wahl beteiligte. Da die IKG-Mitglieder hingegen fast alle von ihrem Stimmrecht Gebrauch machten, gab es eine eindeutige Mehrheit für den Zusammenschluss.
Wolfgang Fuhl, Vorsitzender der IRG, konstatiert nüchtern: „Das war eine demokratische Abstimmung mit einem klaren Ergebnis und wenn eine Gruppe nur teilweise von ihrem Stimmrecht Gebrauch macht, darf sie sich nicht über den Ausgang wundern“. Ob die JGK nun vor das Schiedsgericht zieht, um die Fusionswahl anzufechten, ist bislang offen. Von einer Befriedung der Situation, wie es der Südkurier Ende 2011 seinen Lesern Glauben machen wollte, kann allerdings keine Rede sein.
Zum endgültigen Bruch könnte es am 6.Mai kommen, wenn ein neuer Vorstand gewählt wird. Zwar will sich die JGK mit einer Liste daran beteiligen, aber da in deren Reihen schon im Vorfeld die Fusion fast einheitlich abgelehnt wurde und damit zu rechnen ist, dass sich nicht alle an den Vorstandswahlen beteiligen, werden es wohl IKG-Leute sein, die den Vorstand stellen. Und hinter denen, das weiß man, steht immer noch die Familie Nissenbaum und zieht weiterhin die Strippen. Gut möglich, dass sich dann die JGK zurück zieht und der Traum einer Einheitsgemeinde in den Räumen der geplanten Synagoge endgültig scheitert. Unter anderem missfällt dem liberalen Flügel auch, dass Frauen in der neuen Synagoge bei Gottesdiensten auf einer Extraempore Platz nehmen sollen und sich dadurch als Menschen zweiter Klasse sehen.
Wolfgang Fuhl hofft dennoch, dass sich die Gemeinden trotz aller Gegensätzlichkeiten eines Besseren besinnen und aufeinander zugehen. Die neue Synagoge biete „Platz für alle“ und die Gemeinde vor Ort könne alleine darüber bestimmen, wie die jeweiligen Gottesdienste zu gestalten seien. Das funktioniere in anderen jüdischen Gemeinden auch, daran sollten sich die Konstanzer ein Beispiel nehmen. Baubeginn, so Fuhl, sei im Herbst, mit einer Fertigstellung der Synagoge rechnet man Ende 2013.
Autor: H.Reile