Synagoge: Liberale protestieren gegen Zwangsauflösung

seemoz-jgk-logoUm den Bau der Synagoge in der Sigismundstraße jetzt doch voranzutreiben, hat die Israelitische Religionsgemeinschaft (IRG) Baden die in Konstanz tätigen jüdischen Gemeinden IKG und JGK aufgelöst. Eine „Synagogengemeinde“ soll nun entstehen. Die liberale JGK wehrt sich vehement gegen die Zerstörung ihrer Strukturen. Geht nun das Synagogen-Theater von vorne los?

Ende 2014 hat die IRG die Stadt wissen lassen, dass sie auf den Neubau einer Synagoge verzichte. Über zehn Jahre lang stand das Thema auf der Tagesordnung, aber mehrmals wurde der Spatenstich verschoben. Verwaltung und Gemeinderat zeigten viel Geduld und standen, auch aufgrund der deutschen Geschichte, immer hinter dem Projekt, obwohl sich der Bauplatz im Herzen der Stadt langsam zu einem innerstädtischen Müllplatz entwickelte und Unmut in der Bevölkerung aufkam.

Vorhang auf für die nächste Runde

Nicht wenigen fiel ein Stein vom Herzen, als die IRG, der Dachverband der jüdischen Gemeinden in Baden, ihre Baupläne einmottete und man sich in der Verwaltung schon damit beschäftigte, für das Grundstück in der Sigismundstraße eine alternative Nutzung anzudenken. Unklar ist, was die IRG dazu bewogen hat, den überraschenden Rückzug vom Rückzug anzutreten. Vergangenen Freitag gab sie bekannt, dass sowohl die liberale jüdische Gemeinde (JGK), als auch die orthodoxe Israelitische Kultusgemeinde Konstanz (IKG) aufgelöst wurden. Umgehend, so eine Pressemitteilung der IRG, solle es nur noch eine „Synagogengemeinde“ für alle Menschen jüdischen Glaubens in und um Konstanz geben. Das habe der Oberrat der IRG beschlossen und somit stünde dem Neubau einer Synagoge nichts mehr im Wege.

Massiver Protest

Es war abzusehen, dass sich der liberale Flügel, bei dem eher Frauen das Sagen haben, gegen die Entscheidung ihres Dachverbands, dort führen ältere Herren das Regiment, auf die Barrikaden gehen würde. Eine Pressemitteilung der JGK, die sich kürzlich der „Union progressiver Juden“ angeschlossen hat, lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. „Null und nichtig“ sei diese Zwangsfusion, erklärt die JGK-Vorsitzende Minia Joneck. Und weiter: „Diese zwangsweise über uns verhängte Auflösung ist wohlgemerkt der erste Versuch nach der Schoah, eine jüdische Gemeinde in Baden zu zerstören. Das Engagement und der Enthusiasmus unserer Gemeindemitglieder (…) werden dadurch mit Füßen getreten“. Die JGK wird gegen die Auflösung ihrer Gemeinde juristisch vorgehen und das Schiedsgericht des Zentralrats der Juden bemühen. Schon einmal hatte die JGK damit Erfolg: 2011 verwarf der Zentralrat ein vergleichbares Vorgehen der IRG und sicherte damals den Fortbestand der liberalen jüdischen Gemeinde in Konstanz. Außerdem, so Joneck, schulde die IRG der JGK noch Zuschüsse ab dem Jahr 2012 – von rund 375 000 Euro ist die Rede.

Wie entscheidet der Gemeinderat?

In einer der nächsten Ratssitzungen steht also der Synagogenbau erneut auf dem Spielplan. Manche RätInnen, die allerdings nicht zitiert werden wollen, haben keinen Bedarf mehr, sich von der IRG „weiter auf der Nase herumtanzen zu lassen“. Andere scheuen sich vor einer offenen Diskussion und verweisen darauf, dass man sich nicht „in innerreligiöse Auseinandersetzungen“ einmischen dürfe. Das aber tat man bereits, als man die IRG letztes Jahr aufforderte, in der gewünschten Synagoge dafür zu sorgen, dass beiden jüdischen Gemeinden eine „diskriminierungsfreie Religionsausübung“ möglich sein sollte. Der Hintergrund: Die Orthodoxen verbannen während des Gottesdienstes die Frauen hinter einen Vorhang oder auf eine Empore. Und nicht nur das geht mit den Liberalen rein gar nicht. Hier treffen Welten aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein können.

H. Reile

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