Synagogenbau: Trauerspiel auf der Zielgeraden

IMG_2825.JPGErneut steht der Bau einer Synagoge in Konstanz auf der Tagesordnung der Gemeinderatssitzung am kommenden Donnerstag. Seit rund zehn Jahren wird über dieses Thema diskutiert und der vorgesehene Bauplatz in der Sigismundstraße 8 hat sich mittlerweile zu einer innerstädtischen Müllkippe entwickelt. Nun ein neuer Anlauf, der auch der letzte sein dürfte.

Bei der Gemeinderatssitzung am 29.4.2014 war das Meinungsbild klar umrissen: Der Bauträger, die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden (IRG), wurde aufgefordert, bis spätestens September 2014, „die zum Nachweis einer nun zügigen Umsetzung des Projektes erforderlichen Unterlagen vorzulegen“. Erst dann sei die Stadt eventuell gewillt, das in ihrem Besitz befindliche Grundstück in bester Lage der IRG zu übertragen. Vorsicht ist geboten, denn über lange Jahre war nichts vorwärts gegangen, immer wieder gab es Verzögerungen der unterschiedlichsten Art, für die ausschließlich die IRG verantwortlich zeichnete.

Die zwei in Konstanz ansässigen jüdischen Gemeinden – Israelitische Kultusgemeinde Konstanz (IKG) und Jüdische Gemeinde Konstanz (JGK) – sollen gemeinsam in der geplanten Synagoge Platz finden. Doch das ist kaum machbar, denn IKG und JGK stehen sich ablehnend bis offen feindlich gegenüber. Die IKG, dort hat die Familie Nissenbaum das Sagen, verkörpert das orthodoxe Judentum, die JGK hingegen steht für eine liberale, sprich säkulare Ausrichtung, der sich eine Mehrheit des Konstanzer Jüdinnen und Juden zugehörig fühlt. Somit trifft Tradition auf Moderne und das birgt seit jeher Zündstoff. Nur ein Beispiel: Die Orthodoxen verbannen während des Gottesdienstes die Frauen auf eine Empore oder hinter einen Vorhang. Diese Geschlechtertrennung wird von den Liberalen strikt abgelehnt. Auch in anderen Bereichen türmen sich zwischen den zwei Gemeinden Hürden auf, die kaum zu überspringen sind. Da stellt sich die berechtigte Frage: Soll die Stadt das umstrittene Vorhaben überhaupt noch unterstützen?

Dass Rami Suliman, Vorsitzender des IRG-Oberrats, ein ausgesprochen freundschaftliches Verhältnis zur Familie Nissenbaum pflegt, nährt zudem bei den liberalen Juden den nicht unbegründeten Verdacht, dass ihnen beim Bau einer neuen Synagoge bestenfalls ein Platz am Katzentisch zugewiesen wird. Zwar sehen die nun vorliegenden Pläne für den Synagogenbau einen eigenen Raum für die liberale Gemeinde vor, der aber, so Minia Joneck von der JGK, „viel zu klein ist“. Der in der Vergangenheit vielfach geäußerte Wunsch, mit dem Bau einer Synagoge würde „der Grundstein gelegt für das weitere Zusammenwachsen aller Juden in Konstanz“, so Suliman in einem Schreiben vom 15.9. an Oberbürgermeister Uli Burchardt, dürfte schwer umsetzbar sein. Dieser Versuch wurde schon mehrmals unternommen, ist aber immer wieder gescheitert. Vorsorglich nahm deshalb die Stadtverwaltung einen zusätzlichen Passus in die Sitzungsvorlage für Donnerstag mit auf: „Die Verwaltung wird beauftragt, in den Kaufvertrag eine Formulierung aufzunehmen, wonach in der zu errichtenden Synagoge grundsätzlich eine diskriminierungsfreie Religionsausübung für alle in Konstanz lebenden Juden möglich sein soll“.

Stimmt der Gemeinderat zu, dann greift folgender Zeitplan: Zuerst würden von März bis September 2015 die Archäologen auf dem Gelände nach historischen Hinterlassenschaften suchen. Ab 1.10.2015 könnte dann mit dem Bau der Synagoge begonnen werden, deren Fertigstellung auf Anfang April 2017 terminiert ist. Alles ohne Gewähr. Der Ausgang der Debatte ist offen. Allerdings mehren sich im Rat die Stimmen, die dem Langzeitprojekt aus mehreren Gründen kritisch gegenüber stehen und schon an alternative Nutzungen des Geländes denken. Denn die Gefahr, erneut und auf Jahre hinaus vertröstet und hingehalten zu werden, ist groß. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass die IRG die Stadt Konstanz an der Nase herum führt.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]

Autor: Holger Reile