Tag der Pflegenden: Kranken- und AltenpflegerInnen machen Druck für bessere Arbeitsbedingungen
Seit Beginn der Frühschicht um 5 Uhr läuft am Klinikum Konstanz eine Protestaktion von Beschäftigten. Sie ist Teil des von der Gewerkschaft ver.di initiierten bundesweiten Aktionstags, mit dem Kranken- und AltenpflegerInnen am heutigen Internationalen Tag der Pflegenden ihre Forderungen nach einer bedarfsgerechten Personalausstattung und angemessener Bezahlung untermauern. Auch im Schwarzwald und am Bodensee versammeln sich Kranken- und AltenpflegerInnen vor Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen.
Damit machen sie Druck vor der Bundestagswahl für Verbesserungen in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. „Es müssen dringend die richtigen Schlussfolgerungen aus den Erfahrungen in der Pandemie für das Gesundheitswesen gezogen werden. Die bisherigen Beschlüsse sind völlig unzureichend, von Entlastung ist im Betrieb nichts zu spüren – im Gegenteil“, sagt Franka Weis aus dem Kreiskrankenhaus Emmendingen.
Statt mehr Stellen gibt es nur warme Worte, kritisiert ver.di. „Mit der PPR 2.0 liegt seit Januar 2020 ein Instrument zur Personalbemessung in der Krankenhauspflege auf dem Tisch“, erläutert Hannes Hänssler vom Klinikum Konstanz. „Doch statt es nach 16 Monaten endlich in Kraft zu setzen, möchte Jens Spahn die Beschäftigten weiter vertrösten, mindestens bis 2025. Das geht überhaupt nicht.“ Nach einer aktuellen Befragung will fast jede dritte Pflegekraft in Intensivstationen, Notaufnahmen und Rettungsdiensten ihre Stelle in den kommenden zwölf Monaten aufgeben.
„Die Beschäftigten in den Krankenhäusern sind erschöpft. Sie arbeiten seit Monaten am Anschlag, um die Menschen in der Pandemie bestmöglich zu versorgen. In der Pflege ist die Lage angesichts der Personalnot weiterhin extrem angespannt“, berichtet Petra Mergenthaler aus der Uniklinik Freiburg. „Die beruflich Pflegenden brauchen jetzt das Signal, dass sich die Bedingungen schnellstmöglich und dauerhaft verbessern. Doch der Bundesgesundheitsminister spielt weiter auf Zeit.“ So habe Spahn zuletzt zwar etliche Gesetzesinitiativen vorgelegt, an den entscheidenden Stellen blieben diese jedoch weit hinter dem Notwendigen zurück. Weder in der Kranken- noch in der Altenpflege würden bedarfsgerechte und bundesweit einheitliche Personalvorgaben schnell auf den Weg gebracht.
„Damit der von Spahn vorgelegte Entwurf zur tariflichen Bezahlung in der Altenpflege nicht nur gut klingt, sondern tatsächlich das Problem löst, muss erheblich nachgebessert werden“, so ver.di. Der Minister erwecke zwar den Eindruck, er wolle eine tarifliche Bezahlung in der Altenpflege sichern. Das sei aber nicht der Fall. Denn nicht die Einhaltung relevanter Branchentarifverträge wie des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) werde zur Bedingung für den Abschluss von Versorgungsverträgen gemacht. „Tariflich nicht gebundene Arbeitgeber sollen sich vielmehr den für sie günstigsten Haustarifvertrag in ihrer Region aussuchen können, nach dem sie ihre Beschäftigten bezahlen“, so Heike Dittmann vom Pflegeheim Ortenau in Fußbach. „Die Niedriglöhne würden so zementiert statt überwunden.“
Nötig sei stattdessen die uneingeschränkte Anerkennung von in der Branche relevanten Flächentarifverträgen, wie des TVöD, der in kommunalen Altenpflegeeinrichtungen gilt – und vor allem eine längst überfällige bedarfsgerechte Personalbemessung in der Altenpflege.“ Damit höhere Löhne nicht auf Kosten der Bewohnerinnen und Bewohner gehen, plädiert ver.di für die sofortige Deckelung der Eigenanteile und perspektivisch die Übernahme aller pflegebedingten Kosten durch die Pflegeversicherung.
Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Errichtung einer Pflegekammer ist für ver.di keine Lösung. „Die Pflege im Land braucht echte Entlastung, dringend und sofort, sowie eine spürbare Aufwertung. Was wir nicht brauchen, ist, dass wir zukünftig als Kammermitglieder mit Pflichtmitgliedsbeiträgen dafür bezahlen müssen, in Entscheidungsgremien des Gesundheitswesens mehr beachtet zu werden! “
„Bundesregierung und Arbeitgeber stehen in der Verantwortung, die Flucht aus den Pflegeberufen durch bessere Arbeitsbedingungen zu stoppen“, sagt ver.di. „Die Beschäftigten zeigen der Gesundheitspolitik, die viel versprochen aber keine Entlastung gebracht hat, zum Tag der Pflegenden die rote Karte.“
MM/jüg (Bild: Beschäftigte der Uniklinik Freiburg verlangen anlässlich der Gesetzesanhörung im Bundestag im April 2021 angemessene Personalvorgaben; © ver.di)