Theater-Erlebnis mit Hindernissen
Ein rauschendes Abschiedsgeschenk der scheidenden Oberspielleiterin Johanna Wehner an das Konstanzer Theaterpublikum sollte die Freilichtinszenierung von Schillers „Wilhelm Tell“ auf dem Münsterplatz werden. Doch das ist nur in Teilen gelungen.
Dafür gibt es viele Gründe: Anders als die Vorgänger-Aufführungen „Konstanz am Meer“, „Der Glöckner von Notre Dame“ oder auch „Der Name der Rose“, bei denen die Münster-Fassade nicht nur das Bühnenbild ergänzte, eignet sich der Münsterplatz für den „Tell“ weniger (ein Platz am See wäre ideal gewesen). So musste ein waghalsiges Bühnenbild (Bühne: Elisabeth Vogetseder) aus übereinander geschichteten Sitzbänken eine Berglandschaft simulieren, in der die Schauspieler oft nur ungelenk agieren konnten. Weiterer Grund: Für viele ZuschauerInnen blieben Schillers Originalreime schwer verdaulich – wann immer sich, selten genug, ein „Hallo“ oder „Schweizer Schokolade“ in den Text schlich, ging ein aufhellendes Geraune durch die Sitzreihen.
Und: Nach zweieinhalb Stunden präsentierten sich sage und schreibe gut 50 DarstellerInnen dem dennoch kräftig applaudierenden Publikum – fast das gesamte Stadttheater-Ensemble war involviert, Dutzende vom Komparsen, darunter manch‘ bekanntes Gesicht aus dem Stadtbild, überschwemmten die Spielstätte: Da wurde viel gerannt und mühsam geklettert, ein harmonisches Miteinander wollte sich selten einstellen – da schien die Inszenierung überfordert wie auch bei einigen „Einlagen“, deren Sinn sich nicht erschloss.
Dennoch konnte die Aufführung in manchen Augenblicken und an manchen Stellen positiv überraschen: Pfiffig die Übersetzung des Apfelschusses (die Äpfel sind aus Plastik) oder auch die des Rachemordes am Reichsvogt Gessler, beeindruckend die Verkleidung (Kostüme: Uschi Haug) und, wie fast immer, die schauspielerischen Leistungen, die von charmant (einige Kinder-Darsteller) bis professionell reichten.
Geschichte und Legenden
Ob es den Rütlischwur, ob es den Wilhelm Tell jemals gegeben hat, ist weiterhin strittig. Gemäß der Legende schlossen Vertreter der Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden auf dem Rütli, einer Wiese über dem Vierwaldstättersee, mit einem Eid einen Bund gegen die tyrannischen Vögte der Habsburger, die damals (letzte Datierung 1291) die Schweiz beherrschten und die Schweizer unterdrückten (lt. wikipedia). Nach der Ermordung eines Vogts durch Wilhelm Tell (?) brach ein offener Aufstand aus (Burgenbruch), der dann zur Alten Eidgenossenschaft führte.
Dass der Theaterabend dennoch zum Erlebnis wurde, liegt zum einen am Aufführungsort: Der Konstanzer Münsterplatz ist einfach geschaffen für großes Theater und der ideale Platz für ein hoffentlich jetzt gesetztes, alljährliches Theaterfest. Zum zweiten am Thema: Schillers letztes Stück gilt seit jeher als Paradeparabel für den Widerstand gegen die Obrigkeit und für den Mut zur gelebten Demokratie – Eigenschaften, die gerade heute wieder gefordert sind, wie Theaterintendant Christoph Nix in seiner Eingangsrede am Premierenabend betonte.
hpk
Weitere Aufführungen: 26.6. | 27.6. | 28.6. | 29.6. | 30.6. | 1.7. | 3.7. 4.7. | 5.7. | 6.7. | 8.7. | 9.7. | 11.7. | 12.7. | 13.7. | 14.7. | 15.7. | 16.7. | 18.7. | 19.7 | 20.7. | 22.7. | 24.7. | 25.7. | 26.7. | 27.7., jeweils 19:00 auf der Freilichtbühne.
Kompliment für diese Tell Inszenierung,
mir hat es sehr gefallen,
das Bühnenbild mit den aufgestapelten Bänken und
den darin verschlungen steilen Pfaden als schwer zugängliche Bergwelt ist ein richtiger Knaller. Es ist erstaunlich wie sicher
sich die Darsteller, ob alt oder jung, ob Turnschuh oder
Highhills darin bewegen, man kann sich hervorragend
in diese Bergsituation hinein versetzen.
Die Übersetzung von Schillers Tell in die heutige Zeit fand ich
sehr gelungen, die Darsteller, voran die Kinderschauspieler
haben das Drama wunderbar gespielt,
Bravo!