Theaterschiff Atlantis legt nicht ab

Viele TheaterfreundInnen rund um den See hatten sich den Termin längst in ihrer Agenda vermerkt: Anfang Mai 2020 sollte von Konstanz aus ein Theaterschiff in See stechen und die Bodensee-Anrainer Deutschland, Schweiz und Österreich kulturell miteinander verbinden. Ein großes und auch spannendes Projekt. Aber daraus wird nichts, hat Intendant Christoph Nix gestern auf einer Pressekonferenz bekannt gegeben und auch die Gründe benannt.

Über die Idee eines Theaterschiffs auf dem Bodensee war und ist im Programm über die letzte Spielzeit von Christoph Nix immer noch zu lesen: „Utopien schaffen, zum Träumen verleiten, die Zukunft erforschen (…) Mit dem Projekt werden sowohl Geschichte und Mythen aus der Bodenseeregion dramatisiert als auch die drei Anrainerstaaten und Städte bespielt und verbunden. So schafft das Theaterschiff ein neues Zentrum, das Kunst und Kultur der Länder vernetzt“.

Nix erläuterte gestern, warum das theatrale Traumschiff unter der geplanten Regie von Andrej Woron nicht in See stechen wird. Erstens: Es habe „Widerstände in der Stadtverwaltung“ gegeben, und er bemängelte auch die Unterstützung einiger politischer Entscheidungsträger. Vor allem CDU-Rat Müller-Fehrenbach sei immer wieder vorstellig geworden und habe ständig den angeblich völlig unzureichenden Finanzierungsrahmen des Vorhabens kritisiert. Diesen Vorwurf verneint Nix vehement: „Die Kohle war da“.

Der zweite und für ihn aber entscheidende Grund für die Absage: „Unser Ensemble ist völlig ausgelaugt und hat keine Energie mehr für das Schiff“. Das, so der Intendant weiter, dessen Vertrag im Sommer kommenden Jahres ausläuft, sei auch nicht verwunderlich, denn die Verträge von 14 der insgesamt 24 SchauspielerInnen liefen aus und würden auch nicht verlängert. Mit Beginn der nächsten Spielzeit 2020/21 übernimmt die neue Intendantin Karin Becker das Ruder im ältesten bespielten Theater Deutschlands. Zwar sei es durchaus üblich, dass es bei einem Intendantenwechsel auch zu personeller Fluktuation komme, aber nur selten in diesem Ausmaß, sagt Nix und schiebt hinterher: „Da flossen viele Tränen und ich habe auch Männer weinen sehen“.

Das war es also mit dem mächtigen Theaterschiff und den damit verbundenen Utopien und Träumen, übriggeblieben ist eine abgespeckte Form. Geplant ist, ebenfalls mit einem Schiff an einem noch nicht feststehenden Tag über den Bodensee zu schippern und eine Konferenz abzuhalten, die sich grenzüberschreitende Gedanken machen wird über die real existierende Kulturpolitik in unseren Breitengraden.

Nix nutzte vor versammelter Presse auch die Gelegenheit, sehr deutlich darauf hinzuweisen, was er vom Bodenseeforum hält. Da habe man mittlerweile weit über 25 Millionen Euro „verbrannt“ und ein Ende sei nicht abzusehen. Mit dieser Summe für das „Millionengrab“ hätte man beispielsweise das baulich marode Theater von Grund auf sanieren können. Was da laufe, wetterte der Theaterchef, sei ein „Skandal“. Er legte ein sechsseitiges „Faktenpapier Bodenseeforum“ vor, in dem die desaströse Entwicklung der Geldverbrennungsanlage am Seerhein ab 2014 feinsäuberlich aufgelistet wurde. seemoz wird es kommenden Montag veröffentlichen.

H. Reile (Bilder: Theater Konstanz, H. Reile)