Titanic ahoi
Nicht jeder mag sie als hübsch empfinden, und ihre seltsam altertümlichen Namen Constanze, Fridolin und Friedrich laden auch nicht gerade zum Knuddeln ein – aber anscheinend haben die Konstanzer Gemeinderäte und Gemeinderätinnen eine wahre Affenliebe zu den Bodensee-Katamaranen entwickelt, die sie sich gern auch immer wieder viel Geld kosten lassen. Bei manchen scheint die Zuneigung eher irrational begründet zu sein, andere machen ganz handfeste wirtschaftliche Gründe für ihre Liebe geltend.
Aber neben der Sachstandsdebatte zu den Schiffen wurden bei der Ratssitzung am 30.6. auch wegweisende Entscheidungen gefällt. So dürfen einige Kneipen länger als bisher öffnen, und das Trinken am Seeufer dürfte demnächst reglementiert werden.
Die Titanicles vom Bodensee
Der Katamaran wurde gerade sechs Jahre alt, ein guter Anlass also, Bilanz zu ziehen. Und die fällt alles andere als rosig aus, denn die Katamaran-Reederei Bodensee GmbH & Co. KG hat bisher stets herbe Verluste eingefahren. Wirtschaftlich gesehen sind die Katamarane also Titanicles, die seit ihrer Jungfernfahrt am Eisberg des Publikumsdesinteresses entlang schrammen. Stolze 2.186.354 Euro (437.271 Euro pro Jahr) musste jeder der beiden Gesellschafter, also Stadtwerke Konstanz GmbH (SWK) und Technische Werke Friedrichshafen GmbH (TWF), 2006-2010 zuschießen. Für die Jahre 2011-2015 rechnet Konrad Frommer, Geschäftsführer der SWK, für jeden der beiden Gesellschafter mit einem Verlust von 1.566.966 Euro (macht 313.393 Euro pro Jahr).
Allerdings hatte er auch positive Zahlen parat: So konnte 2011 durch Billigtarife unter dem Motto „Halber Preis, volle Zufriedenheit“ in den touristenarmen Monaten Januar bis April die Zahl der Fahrgäste gegenüber dem Vorjahr von 64.998 auf 137.738 mehr als verdoppelt werden; seit Ende der Rabattaktion pendelte sie sich im Mai aber schlagartig wieder auf dem Vorjahresniveau ein. Außerdem hoffen die Betreiber, die Katamarane nach einer neuen wasserrechtlichen Genehmigung mit nur noch einem statt bisher zwei Kapitänen betreiben zu dürfen und so Geld zu sparen – der äußerst sachkundige Andreas Ellegast (CDU) schlug der Reederei ein ganzes Bündel konkreter Maßnahmen vor. Doch es wird bei allen Kurskorrekturen, so Frommer, in den nächsten Jahren nur darum gehen, das Defizit zu verringern, an Gewinne sei nicht zu denken.
Die Steigerung der Fahrgastzahlen bei den von Januar bis Mitte April gewährten Preisnachlässen von rund 50% bedeutet kein wirkliches Geschäft, sondern gerade mal ein geringeres Defizit, wie Holger Reile von der Linken Liste kritisierte, für den sich insgesamt nicht viel an der wirtschaftlichen Lage geändert hat und der schon mehrfach die Einstellung des Katamaran-Betriebes forderte. Auch Werner Allweiss von den Grünen plädierte für den Ausstieg und verwies auf den Städteschnellbus Konstanz-Friedrichshafen, der nicht nur 2 Haltestellen wie der Katamaran anfährt und abseits am Hafen anlegt, sondern rund ein Dutzend Haltestellen bedient und damit insbesondere für Pendler wesentlich attraktiver ist.
Ein Streitpunkt im Gemeinderat war, ob es sich bei den Katamaranen um ein Angebot des Öffentlichen und Privaten Nahverkehrs oder um ein reines Tourismus-Projekt handelt. Keine Lappalie, da man von einem Touri-Angebot erwartet, dass es Geld einbringt, während Angebote des ÖPNV Geld kosten dürfen. Die bürgerlichen Befürworter der Katamaranverbindung sehen darin naturgemäß ein Angebot des ÖPNV und betonen sogar, dass damit nach ihrer Einschätzung indirekt viel Geld verdient werde: So sei es erwiesen, dass mehr Friedrichshafener als Konstanzer den Katamaran benutzen, und diese Friedrichshafener ließen in Konstanzer Geschäften und Restaurants viel Geld liegen.
Die dummen Friedrichshafener, soll das wohl heißen, tragen das Defizit für den Katamaran mit, der ordentlich Kaufkraft nach Konstanz transportiert. Das ist natürlich ein Geschäft ganz nach dem Geschmack der Konstanzer Pfeffersäcke, die sich immer freuen, jemand über den Löffel balbieren zu können, und die immer gern öffentliches Geld ausgeben, wenn davon einige Geschäftsleute profitieren können. Den besten Grund pro Katamaran allerdings hatte Klaus Frank (Frank und frei), der die Katamarane einfach schön findet; auf den nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag, die Dinger doch in Eigenregie zu übernehmen, will er allerdings scheint’s nicht eingehen.
Ach ja, eine kurze Befragung des Gemeinderates ergab, dass ca. 25 bis 30 Prozent der Konstanzer Gemeinderätinnen und -räte regelmäßig mit dem Katamaran fahren. Man darf gespannt sein, wann die ersten Konstanzer Gemeinderätinnen und -räte zurücktreten müssen – nicht wie in ihren Kreisen eigentlich üblich wegen abgeschriebener Doktorarbeiten, sondern weil sie in Friedrichshafen beim Einkaufen ertappt wurden.
Scherben bringen kein Glück
Kaum etwas hat die robusten Konstanzer Gemüter in der letzten Zeit derart erhitzt wie die feierfreudige Jugend etwa im Herosépark und an der Seestraße. Neben der Lärmbelästigung stört man sich an zugepinkelten Grünflächen und herumliegendem Müll. Außerdem haben sich Menschen, Erwachsene wie Kinder, aber auch Tiere beim Baden an den Scherben bereits erhebliche Schnittverletzungen zugezogen. Zudem sind selbst Minderjährige teils derart alkoholisiert, dass gar nichts mehr geht, wie OB Horst seine Erfahrungen mit einer Runde als Nachtwanderer beschrieb. Bisher ist es scheint’s juristisch nicht möglich, ein generelles Alkoholverbot auszusprechen, aber der OB hat gemeinsam mit seinen grünen Amtskollegen in Freiburg und Tübingen an die Landtagsfraktion der Grünen appeliert, einer entsprechenden Gesetzesänderung zuzustimmen; man muss abwarten, was dabei herauskommt.
Die CDU sprach sich für ein Glasverbot im gesamten Ufergebiet und für Platzverweise gegen auffällige Personen aus. Nachtwanderin Gabriele Weiner (FWG) hingegen warnte vor einem verzerrten Bild. Es sei in Wirklichkeit nur eine kleine Gruppe Jugendlicher, die aus dem Rahmen fielen. Es sei vielmehr nötig, den Dialog mit den Jugendlichen fortzusetzen und die Randalierer als Jugendliche zu begreifen, die selbst mit dem Rücken zur Wand stehen, und denen man durch eine intensivierte Jugendarbeit helfen müsse. Auch die Grüne Anne Mühlhäußer warnte davor, das Problem auf ein Raumproblem zu reduzieren. Man müsse sich fragen, welche Angebote die Jugendlichen vom Trinken abhalten könnten – und wie man als Erwachsener mit gutem Beispiel vorangehen könne.
Der Gemeinderat beauftragte die Verwaltung, bis zur nächsten Gemeinderatssitzung im Juli eine Verordnung für ein zeitlich und räumlich begrenztes Glasverbot an den beliebtesten Stellen des Seeufers vorzubereiten. Man wird sehen müssen, ob sich ein solches Verbot tatsächlich durchsetzen lässt und nicht einfach nur zu einer Verlagerung der Festivitäten an andere Orte führt.
Endlich länger trinken!
Im Gegensatz zu den trinklustigen Jugendlichen am Seeufer erfreuen sich die Konstanzer Kneipengänger ebenso wie die Gastronomen der Zuneigung des Gemeinderates: im Juli und August darf die Außengastronomie in der Stadt probehalber statt bis 23 Uhr bis Mitternacht öffnen – man will testen, wie die Reaktionen der Anwohner ausfallen. Man braucht keine seherischen Gaben, heftige Diskussionen genervter Altstadtbewohner schon jetzt vorherzusagen. Für das Hafengebiet, in dem es praktisch keine Wohnbevölkerung gibt, wurde gleichzeitig eine Sperrzeitverkürzung (also eine Öffnungszeitverlängerung) auf 3 Uhr morgens beschlossen. Also lautet die Devise ab sofort, sich nicht mehr nur schön, sondern auch erheblich länger zu trinken.
Autor: O. Pugliese