Todesdrohung gegen Erdogan-Gegner in der Moschee
Eigentlich wollte Salih Gunes im Supermarkt in der Reichenaustraße 30 in Konstanz an diesem Donnerstag vor zwei Wochen wie schon öfter zuvor nur eine Kleinigkeit einkaufen. Doch dann sah sich der aus der Türkei stammende 60-jährige Rentner im Erdgeschoss der Mevlana-Moschee unvermittelt mit massiven Drohungen von Landsleuten konfrontiert.
Hintergrund des Vorfalls war offensichtlich eine Demonstration gegen die diktatorische Politik des türkischen Staatspräsidenten und seines AKP-Regimes, an der sich am 11. November auf der Marktstätte rund 150 Menschen beteiligt hatten. Gunes, seit einiger Zeit in Kreuzlingen lebender, langjähriger Aktivist für Menschenrechte in seinem Land, engagiert sich im jüngst gegründeten „Verein demokratische ArbeiterInnen und Jugendliche Bodensee e.V.“ (VdAJ), der zu den Organisatoren der Protestaktion gehörte. Der „Südkurier“ hatte im Vorfeld über die Hintergründe der Demo berichtet, in dem Artikel war auf einem Foto, das einige der DemoaufruferInnen zeigt, auch Gunes zu erkennen.
Das Lebensmittelgeschäft an der Reichenaustraße, das Salih Gunes an diesem Donnerstag aufgesucht hatte, befindet sich zusammen mit einem Döner-Imbiss im Erdgeschoss der Konstanzer Mevlana Moschee, ihre Betreiber haben Mietverträge mit der Türkisch-Islamischen Gemeinde DITIB Konstanz. Der Mieter der Imbissbude nun sprach Gunes unvermittelt an und verwickelte ihn, unterstützt von einem Unbekannten, in ein Gespräch über die Demonstration, das in der offenen Drohung gipfelte, „Terroristen“ wie ihn müsse man alle umbringen.
Anruf vom Konsulat?
Im Verlauf des Disputs plauderte der Mann, der – so Gunes‘ Eindruck – über gute Beziehungen zum Vorstand des Moscheevereins zu verfügen scheint, gegenüber dem perplexen Erdogan-Gegner brisante Details aus. Einen Tag nach dem Erscheinen des Südkurier-Berichts, behauptete der Ladenbetreiber, habe das zuständige türkische Konsulat telefonisch Kontakt mit dem Vorstand der Mevlana-Moschee aufgenommen. Die Forderung der Staatsbeamten: Der Moscheeverein solle versuchen, die Anti-Erdogan-Demo zu sabotieren. Tatsächlich waren dort einige wenige AKP-Anhänger aufgetaucht, die nach Aussage von Landsleuten dem Moschee-Umfeld zuzurechnen sind. Zu Störungen kam es dann aber nicht, zu gering war wohl die Zahl der türkischen Nationalisten.
Zurück zur Attacke auf Salih Gunes im Gebäude der Mevlana Moschee. Bei drohenden Worten sollte es dabei vermutlich nicht bleiben. Denn der unbekannte zweite Gesprächsteilnehmer rief nach einigen Minuten des verbalen Schlagabtauschs per Mobiltelefon Unterstützung herbei – aus den Räumlichkeiten der Moschee. Zwei jüngere Männer näherten sich dem Rentner in unverkennbar aggressiver Haltung, so dass Gunes schließlich den Rückzug auf die Straße antreten musste.
Am Gängelband des Regimes?
Der Vorfall wirft kein gutes Licht auf die Konstanzer Moschee-Gemeinde, die sich nach außen hin gern weltoffen und tolerant zeigt. Schon in den letzten Monaten war an den Verantwortlichen in der Reichenauer Straße immer wieder Kritik laut geworden, weil sie zu den offenkundigen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei eisern schweigen. Der jüngste Zwischenfall nährt nun erneut Befürchtungen, dass hinter dieser Fassade Kräfte agieren, die fest am Gängelband des türkischen Regimes hängen, und auch vor massiven Einschüchterungsversuchen kritischer Landsleute nicht zurückschrecken.
Verwunderlich wäre das nicht. DITIB, die bundesweit agierende Trägerorganisation, der auch die Konstanzer Einrichtung angehört, steht unter direkter Aufsicht des türkischen Staates, die Imame werden in der Regel von der Religionsbehörde in Ankara in die deutschen Gemeinden entsandt. Deutschlandweit häufen sich inzwischen Berichte, denen zufolge in den vom türkischen Staat finanzierten und gelenkten Gebetshäusern nicht nur der türkisch-islamische Nationalismus à la Erdogan angeheizt wird, sondern auch fundamentalistische Hasspredigten längst keine Ausnahmen mehr sind.
Der Moscheeverein weiß von nichts
Immerhin: Auf eine Anfrage zu diesem Zwischenfall reagierte Peyman Özen, die Vorsitzende des Konstanzer Moscheevereins, prompt. Sie habe heute zum ersten Mal davon gehört, „dass in der Moschee so was passiert sein soll“, beteuerte Özen und sicherte zu, dem nachgehen zu wollen. Allerdings sei der Imbissbetreiber nur ein Mieter, der in keiner weiteren Verbindung zum Vorstand stehe. Auch eine Intervention des türkischen Konsulats im Vorfeld der Demonstration stritt die Vorsitzende entschieden ab.
Salih Gunes jedenfalls will wegen des Vorfalls nach reiflicher Überlegung und Gesprächen mit Freunden nun Anzeige erstatten. Der VdAJ fordert den Vorstand der Mevlana-Moschee auf, umgehend öffentlich Stellung zu nehmen und vor allem dafür zu sorgen, dass sich solche Einschüchertungsversuche nicht wiederholen.
J. Geiger
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25.07.16 | Das große Schweigen aus der Mevlana Moschee
Herr Boyraz, lesen sie bitte richtig: Bei Juristen in Europa ist das PKK-Verbot umstritten – nicht mehr und nicht weniger! Man darf hier noch darüber nachdenken und diskutieren (nicht jedoch in der Türkei).
Keinesfalls unterstütze ich ein blutiges Vorgehen- egal von welcher Seite. Lassen Sie deshalb solche Unterstellungen. Vielmehr unterstütze ich einen Friedensprozess und ein Ende des Blutvergießens. Daran aber hat die türkische Regierung kein Interesse sonst hätte sie Frieden geschlossen. So aber geht das grausame Blutvergießen, die Zerstörung, Mord und Folter weiter. Und Menschen wie Sie halten sich hier vornehm heraus und sehen zu. Eine weitere Diskussion scheint mir hier sinnlos.
Herr Geiger da Sie mein Kommentar nicht richtig gelesen haben. Schreibe ich es hier nochmal auf, die DIDF wurde im Verfassungsbericht 2007 im Kapitel „Sicherheitsgefärdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern und Verdachtsfälle (ohne Islamismus) erwähnt und beobachtet. Das sagt alles aus. Frau Künstler allein die Behauptung dass der Verbot der Terrororganisation Pkk für Sie fragwürdig ist. Überrascht mich nicht. All das was sie da über die Pkk sagen, heisst für Sie, dass das Blutige Vorgehen der Pkk gegen die Türkei berechtigt wäre.
Lieber Herr Boyraz, wenn sie sich auf den Verfassungsschutz beziehen, müssten sie wissen, dass dieser auch Moscheen im Visier hat, gerade deshalb, weil eben hier nicht nur gebetet wird. Zu Ihrer Information, das PKK – Verbot ist auch in Europa juristisch sehr umstritten. Vielfach wird seine Aufhebung gefordert. Die Gründung der PKK erfolgte aufgrund jahrzehntelanger Unterdrückung und Vertreibung der kurdischen Bevölkerung in der Türkei. In den 90 -ger Jahren war ich bei einem Besuch in Diyarbakir, Cizre und Idil selbst Zeuge davon geworden. Den Friedensprozess der letzten Jahre, bei dem die türkische Regierung auch mit zu dem PKK-Chef Öcalan verhandelt hat, wurde letztes Jahr kurz vor Vollendung von Erdogan einseitig aufgekündigt. Frieden wäre also dauerhaft möglich gewesen. Sehen Sie sich heute die Zerstörung und die hunderten Toten in diesen Städten an – es ist Terror! Sie schreiben, „ich interessiere mich nicht für die Politik in der Türkei“, dies sollten Sie aber angesichts der tausenden entlassener, verhafteter und gefolterter Menschen. Ich jedenfalls interessiere mich dafür und dies schon lange. Wohin das „Heraushalten“ führt haben wir am deutschen Faschismus gesehen.
@ Metin Boyraz: Ach herrjeh – „ich interessiere mich nicht für die Politik in der Türkei“. Mit dieser Aussage erübrigt sich dann ja jede weitere Kommentierung Ihrer kruden Aussagen, mit denen Sie DIDF als terroristisch diffamieren, eine Organisation, in der sich viele türkisch- und kurdischstämmige Mitgrant*innen gegen Rassismus engagieren und für soziale und demokratische Rechte von Menschen mit ausländischen Wurzeln streiten. Solche Untertanen wie Sie braucht der Terrorpate und Folterer Erdogan auf seinem Marsch in die Präsidialdiktatur: Beten und Klappe halten.
Lieber H.R. nun sollten wir alle vernünftig bleiben. Erstens, ich interessiere mich nicht für die Politik in der Türkei. Im Gegensatz zu der Person Salih Guenes. Auch ist es keine Unterstellung was ich da behauptet habe. All das kann man wo anders nachlesen wie z.b. in den Druckmedien das so ein Verein am 12.09.2016 in Konstanz gegründet worden ist. Auch hat sie eine eigene Facebookseite wo sie unter anderem über DIDF berichtet bzw. Werbung macht. Noch dazu sollten Sie wissen das ich als privat Person auftrete und nicht als Dialogbeauftragter. Als seemoz nicht bereit war mein Kommentar zu veröffentlichen habe ich noch erwähnt das ich ein Dialogbeauftragter bin. O weh dann ging es doch. Dialogbeauftragter heisst, wenn Sie über die Moschee und Islam Information haben möchten. Dann kann ich ihnen weiterhelfen, nicht aber mit politischen Themen. Das was Sie da jetzt machen, genau deshalb haltet sich die Gemeinde aus der Politik raus, ist eine reine Unterstellung über die Muslimen der Gemeinde Konstanz. Die wertvolle Arbeit für die Integration und das gute Zusammenleben in Konstanz vollbringt.
Herr Boyraz,
Mit Ihrer Einschätzung wäre der Diktator am Bosporus sicher hoch zufrieden. Sie treten ja in der Öffentlichkeit als „Dialogbeauftragter der Mevlana Moschee Konstanz“ auf. Das meinen Sie wahrscheinlich sogar ernst. Ihre zum Teil üblen Unterstellungen hier haben mit einem Dialog rein gar nichts zu tun. Und natürlich herrscht in der Türkei Terror, wie würden Sie das sonst bezeichnen? Es ist schon unglaublich, was von den Verantwortlichen in der Mevlana Moschee zu lesen ist. Das alles wirft kein gutes Licht auf die Konstanzer Moschee, in der angeblich nur gebetet wird. Auch das glaubt Ihnen kaum mehr jemand.
@Metin Boyraz
Ihnen ist vermutlich entgangen, dass so ziemlich jedes autoritäre bis faschistische Regime den politischen Gegner als „terroristisch“ diffamiert. So handhabt es eben auch Erdogan, wobei er leider nicht so einfältig ist wie die , die ihm glauben.
Also ich würde mal sagen, nicht so voreilig meine Damen und Herren. Die Moscheen, Kirchen u. Synagogen ist ein Ort der Religionsausübungen und steht überparteilich-/politisch. Wenn jemand wirklich darauf versessen ist, Politik zu betreiben. Dann kann er/sie das überall machen, aber sicher nicht in einem Gotteshaus. Soweit ich über diesen Sachverhalt informiert bin, hat die Person Salih Gunes bewusst politische Themen im Gebäudekomplex Mevlana Moschee angesprochen. Ziel war es, für die neugegründeten Verein „Verein demokratische ArbeiterInnen und Jugendliche Bodensee e.V.“ (VdAJ) neue Symphatisanten bzw. Mitglieder zu finden. Ab hier wird es jetzt interessant, dieser Verein in Konstanz, gehört dem Dachverband „DIDF – Föderation Demokratischer Arbeitervereine in Deutschland“ an. Beziehungsweise, hat einen regen Kontakt zu diesem Dachverband. Die DIDF wurde im Verfassungsschutzbericht 2007 im Kapitel „Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern und Verdachtsfälle (ohne Islamismus)“ erwähnt und beobachtet. Zur Zeit ist es so, dass um die DIDF u. Ihre Vereine still geworden ist. Wobei dann im Verfassungsschutzbericht 2008 nicht mehr erwähnt wird. Das bedeutet nicht das die DIDF u. Ihre Vereine Extremismus abgeschworen haben. Sondern das sie still sind, liegt eher in der Strategie des Dachverbandes. Auch ist dieser Dachverband u. Ihre Vereine Zufluchtsort für extreme linke Türken/kurden die bei der PKK, DEV-YOL, TKP, MLP,….etc. sind. Die DIDF selbst ist links orientiert u. nicht umsonst hat die DIDF mehrmals Besuch von der LINKE insbesondere von der Frau Sevim Dagdelen. Die Frau Doris Künzel bezeichnet die Türkei als Terrorregime (das ist die Türkei sicherlich nicht), so wie ich Sie richtig verstanden habe. Muss die kurdische Terrororganisation PKK, für die Frau Künzel ein Samariter-Verein sein. Die getöteten unschulidgen Personen durch die PKK, darüber will Sie glaube ich nichts wissen.
Dass die Morddrohungen gegen Salih sehr ernst zu nehmen sind, zeigt die nachfolgende Einschätzung der KCD-E und die Tatsache, dass inzwischen die Bremer Staatsanwaltschaft in einem ähnlichen Fall ermittelt. Auch ich habe deshalb Salih zu einer Anzeige bei der Polizei geraten. Ich frage mich, wie lange diese Politik eines Terrorregime in der Türkei von Deutschland noch hingenommen wird.
Doris Künzel
Der »Kongress der kurdischen demokratischen Gesellschaften in Europa« (KCD-E) warnte unterdessen vor Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes MIT. »Die türkischen Botschaften und Vertretungen in Deutschland und Europa sind geradezu zu Geheimdienstzentralen umgerüstet worden«, heißt es in einer Erklärung. Dem Verband liegen nach eigenen Angaben konkrete Informationen über Agententeams in Deutschland und Frankreich vor. So sei ein als Fernsehjournalist auftretender Mehmet Fatih S., der ebenso wie sein Führungsoffizier T. C. seit zwei Jahren in Bremen lebe, »als professioneller Auftragsmörder nach Europa geschickt worden, um kurdische Politiker zu töten und kurdische Organisationen zu überwachen«. Anschlagsziele seien der in Bremen lebende KCD-E-Kovorsitzende Yüksel Koc sowie der Kovorsitzende des Volkskongresses Kurdistans, Remzi Kartal. Die Bremer Staatsanwaltschaft habe nach Vorlage von Beweisen durch Koc die Ermittlungen aufgenommen. Der KCD-E erinnerte in diesem Zusammenhang an die Ermordung von drei kurdischen Politikerinnen, darunter PKK-Mitbegründerin Sakine Cansiz, durch einen türkischen Agenten vor vier Jahren in Paris.
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