Trommeln für ein Recht auf Asyl
Ein Wochenende der Solidarität in Singen: Während am Donnerstag mehr als 250 BürgerInnen über praktische Hilfe für Flüchtlinge und Asylbewerber berieten, feierten am Samstag über 300 Menschen mit den Gästen vor dem Asylbewerberheim in der Friedinger Straße. Solche Gesten kommen zur rechten Zeit, denn im Kreistag und in den Gemeinderäten wird in den nächsten Wochen die Flüchtlingsfrage eine beherrschende Rolle spielen
Gut 300 Menschen nahmen am Solidaritätsfest für Flüchtlinge und Asylbewerber am vergangenen Samstag teil. Die geborgten Bierbänke vom FC Singen 04 waren von den vielen Mitmenschen aus Singen und dem Kreis Konstanz gut belegt. Gewerkschaften, freie Jugendorganisationen wie die Teestube, Sozialarbeiterinnen und Repräsentanten des Stadtrats beteiligten sich mit reichlich Kuchenspenden sowie Sachspenden für Familien und Kinder. Die 39 Flüchtlinge und Asylbewerber des Heims an der Friedinger Straße 26 freuten sich sichtlich über die große Hilfsbereitschaft aus der Stadt und wohl auch manche Flüchtlingsfamilie aus der Nachbarschaft kam zum gemeinsamen Feiern. Flüchtlinge aus Ghana und Syrien trommelten für ein Recht auf Asyl und menschenwürdige Unterkunft.
Die Asylbehörde, in diesem Fall das Landratsamt in Konstanz, ist weiterhin dabei, für die 120 Flüchtlinge aus der Konstanzer Hegaustraße – das Haus wird definitiv abgerissen – jetzt eine passende Unterkunft in Singen einzurichten. Doch die freistehende Jugendherberge in der Friedinger Straße in Singen (direkt neben dem jetzigen Heim) würde zunächst für die Stadt Singen in der Renovierung zu viel Geld verschlingen.
Autor: Dietmar Messmer
Singen wirbt für ehrenamtliche Arbeit mit Flüchtlingen
Man muss die CDU und ihre Politik nicht mögen. Auch nicht, dass der Singener Oberbürgermeister Bernd Häusler ganz auf Parteilinie die absurde Unterscheidung zwischen Kriegs- und „Wirtschafts-“flüchtlingen macht. Doch muss man ihm und seiner Stadtverwaltung kluges Agieren attestieren, wenn es darum geht, Geflüchtete in Singen zu integrieren. Rund 250 Gäste lauschten am Donnerstag Abend einer Informationsveranstaltung der Stadt Singen zu diesem Thema.
Unter dem Motto „Asylbewerber und Flüchtlinge in Singen: Infoabend für Ehrenamtliche und Interessierte“ stellte die Stadt im Gemeindezentrum der Lutherpfarrei eine Initiative vor, bei der sie die Bevölkerung dazu aufrief, sich aktiv mit dem Leben von Geflüchteten auseinanderzusetzen. So wurde darüber Auskunft gegeben, dass ab jetzt jeden Monat ca. 100 neue Flüchtlinge dem Landkreis Konstanz zugewiesen würden.
Mit den Worten „Wir wollen solches Tun wie das Flugblatt-Verteilen hier nicht haben“, verurteilte OB Häusler darüber hinaus die Briefkastenaktion der rechten Partei „der Dritte Weg“ in der Romeiasstraße deutlich, deren Flyer zudem nur in Briefkästen mit „deutschen“ Namen gelandet seien. Auf taube Ohren stieß Häusler damit ganz und gar nicht. Der braune Mob zeigte sich an diesem Abend nicht.
HelferInnen für Flüchtlinge gesucht
Im Jahr 2010 lebten im Kreis Konstanz 240 Flüchtlinge in den Unterkünften für Asylbewerber, derzeit sind es 745, bis Ende des Jahres sollen es 1000 sein. Das stelle die Stadt vor Probleme. Wohnraum soll gesucht werden, wenn alle Stricke rissen, gäbe es im Landkreis auch geeignete „Turnhallen“, jedoch bekräftigte der Leiter der unteren Aufnahmebehörde im Landratsamt, Ludwig Egenhofer: „Eine reguläre Wohnung ist immer besser.“
Dass die Sozialbetreuung der Stadt nicht ausreicht, um die Geflüchteten zu unterstützen, weiß auch Häusler. Daher riefen er und seine Stadtverwaltung ein „Bürgerschaftliches Netzwerk für Flüchtlingsbetreuung“ ins Leben, welches neben Einrichtungen der Stadt und des Landkreises u.a. die Caritas und die Diakonie umfasst. Wer sich engagieren wolle, könne sich zur Flüchtlingsbetreuung in einer Liste eintragen, welche es den Menschen ermöglichen soll, dass ihnen in Bereichen wie Bildung, Arbeit, Familie, Kultur, Sport oder Gesundheit geholfen wird. Auch sei es möglich, Patenschaften zu übernehmen. Ein erstes Treffen des HelferInnenkreises soll es bereits am 23. Oktober geben. Ansprechpartner der Stadt ist der Leiter des Fachbereiches Jugend/Soziales/Ordnung, Torsten Kalb, der die Veranstaltung moderierte.
Änderungen in der Integrationspolitik
Stefan Swarowsky, seit kurzem Integrationsbeauftragter der Stadt Singen, bewertet es als positiv, dass man Menschen, die Asyl beantragen, jetzt aktiv unterstützen darf. In früherer Vergangenheit gab er anderen Orts bereits Deutschkurse für Menschen, deren Asylanträge noch liefen. Damals habe er noch „böse Post“ vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erhalten, da ja noch gar nicht sicher sei, ob die Leute überhaupt bleiben dürften. Das sei in jüngster Zeit durch die verheerende Lage in der Weltpolitik jetzt „glücklicher Weise“ anders.
Und derlei Integrationsmaßnahmen laufen bereits. So berichtet Swarowski von zehn jungen Männern aus Gambia, die vorm Heim immer Fußball gespielt hätten und jetzt – nach einer Spende von Fußballschuhen – aktiv beim FC Singen trainieren.
Frauensprachkurse
Was in Singen vielleicht heraussticht: Einmal im Monat laden der Caritas-Verband Singen-Hegau sowie die AWO Kreisverband Konstanz zum Sprachkurs „von Frauen für Frauen ein.“ So soll die Möglichkeit geschaffen werden, sich in Ruhe auszutauschen. Im Tafelrestaurant am Heinrich-Weber-Platz 2 wird es von 11 bis 13 Uhr am 15.11. sowie am 13.12. wieder so weit sein.
Solidarität auch in anderen Bereichen
Die Fragen aus dem Publikum waren unerwartet solidarisch. So beschäftigte nicht etwa vermeintlich potentieller Lärm der „Anderen“, sondern vielmehr die Frage, was man denn tun könne, um die Leute mit Kleiderspenden zu unterstützen: eine Kleiderkammer würde im November in der Ringstraße eröffnet.
Singen als Vorbild für Konstanz?
Wie gesagt, man muss die etablierte, bürgerliche Politiklandschaft längst nicht mögen, doch offensichtlich hat die Verwaltung um Bernd Häusler verstanden, dass man sich keinen Gefallen tut, wenn man das Thema Flüchtlingspolitik stiefmütterlich behandelt, sich selbst überlässt oder gar Vorurteile schürt. Und obwohl derartige Infoabende, wie jener am Donnerstag, nicht verstecken können, dass die Zahl an rassistischen Übergriffen auf AsylbewerberInnen zunimmt und auch im Landkreis Konstanz dubiose Gründe dazu ausreichen, um eine Familie, die seit Jahren hier lebte, in die Perspektivlosigkeit abzuschieben, so sollte der Abend zumindest als Denkanstoß verstanden werden, ob nicht auch im restlichen Kreis Konstanz von den Stadtverwaltungen darüber nachgedacht werden sollte, ähnliche ehrenamtliche HelferInnenkreise ins Leben zu rufen.
Und so sehr Kritik an der Einrichtung des Ehrenamtes angebracht wäre: Hier würde es zumindest dafür sorgen, dass Menschen, die hier unbefristet leben zu dürfen, sich mit den Problemen jener auseinandersetzen müssten, die nicht das Glück haben, im Pass „EU-Bürger*in“ stehen zu haben.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: Ryk Fechner