TV-Fasnacht: Narrensamen im Konzil

Rund vier Stunden lang übertrug der SWR live aus dem Konzil. Man weiß aus Erfahrung, dass es bei Veranstaltungen dieser Art zuweilen derb zugeht. Was aber einige Darbieter zum Besten gaben, war schmerzensgeldpflichtig. Ein Zusammenschnitt von knapp 45 Minuten hätte gereicht. Der Rest war grausam.

Die Adressaten für fasnächtliche Attacken hatten es sich in den ersten Reihen bequem gemacht. OB Frank nebst ständig schunkelnder Gattin. Die hatte Landrat Hämmerle im Kreuz, was man auch nicht jedem wünscht. Mit dabei noch Baubürgermeister Werner, CDU-MdB Jung, das sozialdemokratische Politikerpaar Friedrich-Binder, CDU-MdL Hofmann und der Singener Ex-OB Andreas Renner. Aus den Reihen der Konstanzer Verwaltungsspitze fehlte lediglich Claus „Maultasch“ Boldt.

Durch das Programm führte ein neuer Moderator: Rainer Vollmer aus Stockach. Ein putzmunterer Dampf-Plauderer, der sein TV-Voluntariat im Fernstudium bei „Deutschland sucht den Superstar“ gemacht haben muss. Die Aufgabe, von einer Nummer zur anderen zu führen, hat er leidlich gut gelöst. Seinen eigenen Catch, den er mit Michael Zehnle anbot und dabei als eingewanderter Quotenitaliener „Guisepple“ eher peinlich agierte, hätte er sich sparen können. Immerhin: Schon nach fünf Minuten war klar, worauf man sich bis Mitternacht einzustellen hatte.
Ein paar abgestandene Merkel-Witzchen, die brandneue Erkenntnis, dass Westerwelle schwul ist und sich nicht vermehren könne…. Meine Herren, was ein Jammertal! Dazu noch der abgehalfterte Schweizer Kliby mit seiner Sprechpuppe „Caroline“. Dieses Duo ist auch noch für den drögesten Kindergeburtstag eine reine Zumutung. Dabei bietet das Verhältnis zur Schweiz jede Menge Stoff, der sich hätte trefflich verwerten lassen. Und: Wo waren die Guggenmusiker?

Aber die  unangenehmste Erkenntnis war, dass eine Mehrzahl der Akteure ihr närrisches Hirn wohl in der offenen Hose trägt. Was einem da an dumpfen Sexismus und Frauenfeindlichkeit zugemutet wurde, spottet jeder Beschreibung. Da war die Zote: „Frauen kannten früher nur zwei Wahlprogramme – das der Spül- und das der Waschmaschine“ noch eher harmlos. Ansonsten wurden Frauen zu Lustobjekten degradiert, die man im Eisenbahner-Hobbykeller besteigt oder von hinten „andockt“. Schade, dass ein bekannter Fasnachter wie Norbert Heizmann glaubt, er müsse sich ebenfalls auf das Niveau enthemmter Sexualneurotiker einlassen. Oder hat der SWR vor der Sendung allen Beteiligten eine Überdosis Viagra verabreicht? Das wäre zumindest eine Erklärung für das Debakel. Da wünscht man sich insgeheim eine militante Frauenbewegung zurück.

Einen jähen Stilbruch erfuhr der Abend, als der Konstanzer Comedian und Kabarettist Tobias Bücklein auf die Bühne gelassen wurde. Da kam einer, der nicht sein tropfendes Geschlechtsteil im Gesicht trug und auf amüsante Art sein persönliches Beziehungsgeflecht erklärte. Fragen könnte man den sympathischen Feingeist aber, was ihn dazu getrieben hat, seinen guten Namen herzugeben, um die Veranstaltung wenigstens für wenige Minuten aufzupeppen. Wie es um das Gesamtprogramm bestellt sein würde, wusste Bücklein, denn es gab im Vorfeld ausgiebige Proben.

Die wenigen Lichtblicke sind schnell aufgezählt. Das Trio Alfred Heizmann, Peter Maier und Kurt Rohrer gehörte eindeutig dazu. Schön deren etwas schwermütig vorgetragene Liebeserklärung an die Stadt: „Wenn ich mein Konstanz seh`…“. Stark auch Alfred Heizmanns Solo-Vortrag als „Der Mann für´s Grobe“. Was er in seinem „Textkischtle“ mit sich herum trägt, ist hörenswert.

Wer darauf gewartet hatte, dass sich einer den politischen Verhältnissen im Landkreis widmet und die „Großkopfeten“ in den ersten Reihen auf die Schaufel nimmt, der wurde erst nach zweistündiger Vorqual bedient. Kurt Köberlin war es, der die Bürgermeister-Troika Frank, Boldt und Werner in bester Fasnachtsmanier abwatschte. OB Frank wurde für seine KKH-Pläne gegeißelt, der abwesende Boldt bekam sein Fett weg für das Maultaschen-Desaster und Baubürgermeister Werner musste sich als gestrauchelter Brückenbauer anhören: „Ich find´ den Werner exquisit, er baut´s ja nur, er zahlt´s ja it“.

Im Südkurier war zu lesen, das sei „bösartig“ gewesen. Das war es nicht. Aber man stelle sich mal einen Redakteur des hiesigen Blattes vor, der sich traut, das dargebotene Elend auch als Elend zu bezeichnen. Er wäre die längste Zeit Lokalchef gewesen und dürfte nochmal ganz von unten als Leserreporter beginnen. Dafür kann man Verständnis haben.

Dem SWR wird das wohl alles ziemlich egal sein. Hauptsache, die Quote stimmt und landesweit haben sich rund 1 Million Gebührenzahler dazu durchgerungen, sich diese Übertragung zuzumuten.
Eine Fasnacht, die sich ihrer ursprünglichen Bedeutung bewusst ist, wird man die nächsten Tage in einigen Kneipen erleben oder auch beim Jakobiner-Tribunal auf der Marktstätte. Dort präsentiert sich der ein- oder andere Fasnachter, der Klasse hat. Und diese wenigen wissen ganz genau, warum sie um die Konstanzer TV-Fasnacht besser einen weiten Bogen machen.

Foto: © omron2003 / PIXELIO
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Autor: Holger Reile