Über sieche Krankenhäuser und Lobbyismus in der Stadt

Der Ratssaal war bei Beginn der letzten Gemeinderatssitzung für einmal von Besuchern und Besucherinnen (zum Teil noch mit Schnuller im Mund) überlaufen. Die Zukunft der Krankenhäuser im Landkreis wurde denn auch das zentrale Thema eines sehr, sehr langen Abends. Doch auch die Sylvesterknallerei und unterdrückte Unterlagen waren Thema im Gemeinderat.

Nach einer Schweigeminute für die Opfer der Katastrophe in Japan wurde der brutale Überfall auf die SPD-Landtagskandidatin Zahide Sarikas vom Konstanzer Gemeinderat einhellig verurteilt. OB Horst Frank rief zur Missbilligung rechter Gewalt und zu Mitgefühl und gelebter Solidarität mit Zahide Sarikas auf.

12000 Unterschriften

Dutzende Eltern und Kinder waren in den Ratssaal geströmt (sofern sie überhaupt schon laufen konnten), um dem OB insgesamt 12000 Unterschriften für den Erhalt der Klinik für Kinder und Jugendliche in Konstanz zu überreichen. Ihre Befürchtungen zeigen, welche Diskussionen in der Konstanzer Bevölkerung und den politischen Gremien in nächster Zeit anstehen. Die Zusammenlegung der wirtschaftlich maroden Krankenhäuser im Landkreis Konstanz dürfte zum Verlust ganzer Abteilungen an verschiedenen Standorten und damit in den betroffenen Gemeinden zu erheblichem Widerstand aus der Bevölkerung führen. Es steht auch zu vermuten, dass es zu einem zähen Ringen kommen dürfte, welcher Standort welche Einrichtungen behalten darf, wobei es nicht nur um die aller Voraussicht nach wegfallenden Arbeitsplätze und die optimale Versorgung der gesamten Bevölkerung des Landkreises gehen dürfte, sondern auch um pure Kirchturmpolitik.

Derzeit ist die Lage eindeutig: Noch ist nichts klar, außer dass es nicht so weitergehen wird wie bisher, da eigenständige kommunale Krankenhäuser im Landkreis unter den aktuellen Rahmenbedingungen der Gesundheitspolitik wirtschaftlich nicht mehr überlebensfähig sind. Die Krankenhäuser in Singen und Konstanz schreiben bekanntlich nachhaltig rote Zahlen. Bürgermeister Claus Boldt eröffnete die Debatte über die künftige Krankenhausstruktur mit der Versicherung, es solle auch in Zukunft eine Grundversorgung in Konstanz ebenso wie in Singen geben, und dazu gehöre auch eine Kinderklinik. Auf der Suche nach einer Lösung für den Kreis forsche man derzeit mit erhöhtem Tempo nach einer möglichst großen Schnittmenge der Interessen aller Beteiligten. Eine solche Lösung in Form einer Holding sei zwar ganz klar eine Vernunftehe, aber auch daraus könne ja manchmal eine große Liebe entstehen. Derzeit trete monatlich eine Lenkungsgruppe zusammen, zu der u.a. die Geschäftsführer der Kliniken, Bürgermeister und der Landrat gehören. Parallel dazu seien medizinisch orientierte Arbeitsgruppen am Werke.

Nach seiner Einschätzung sei das Glas derzeit zu einem Viertel voll, es seien aber noch harte Nüsse zu knacken. Dazu gehöre etwa das Bestellerprinzip, nach dem eine Kommune für eine medizinische Einrichtung, die sie wolle, auch finanziell aufkommen müsse. Primäres Ziel sei es, die Krankenhäuser durch einen Zusammenschluss wirtschaftlich zu stabilisieren, was einige Zeit brauchen werde. Niko Zantl, ärztlicher Direktor des Konstanzer Klinikums, erklärte, die Chefärzte sowohl in Konstanz als auch in Singen seien einhellig für eine Kreislösung.

Heinrich Everke von der FDP bemängelte, dass der Gemeinderat sich nie ernsthaft Gedanken über eine Privatisierung gemacht und keinem privaten Anbieter die Gelegenheit gegeben habe, sich zu präsentieren. Er prognostiziert durch den Zusammenschluss eine Verschlechterung der medizinischen Versorgung in Konstanz und fürchtet, Konstanz werde nur eine Basisversorgung bekommen und Singen die wichtigen Teile. Damit stand er aber sogar in seiner eigenen Fraktion allein, sein Fraktionskollege Michael Fendrich warnte u.a., unter einer Privatisierung werde das Personal zu leiden haben. Jürgen Puchta (SPD) wies darauf hin, dass der Sinn der Übung nicht die Gewinnmaximierung für einen privaten Betreiber sein könne, sondern eine Lösung, die insgesamt wirtschaftlich stabile Verhältnisse garantiere, zu denen aber auch verlustbringende, doch medizinisch wichtige Abteilungen gehören. Auch Claus Boldt wandte ein, dass ein privater Betreiber, der sich an der Rendite orientiert, für Konstanz ohnehin nur Schließungen bedeuten würde.

Mehrheit für kreisweite Lösung

Die Linke Liste machte durch Vera Hemm klar, dass für sie Gesundheitsversorgung elementarer Bestandteil der sozialen Absicherung der Menschen sein müsse und forderte, den Personalrat in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Außerdem ist es ihr wichtig, auch in einer künftigen Holding den Einfluss der Politik sicherzustellen. Wie auch andere Gemeinderäte kritisierte Vera Hemm, dass zwar eine Grundversorgung an allen Standorten zugesichert werde, bisher aber unklar sei, was eigentlich zur Grundversorgung gehöre und was nicht. Der Gemeinderat erteilte jedenfalls mit großer Mehrheit (bei zwei Enthaltungen der linken Liste sowie zwei Gegenstimmen von Heinrich Everke (FDP und Klaus Frank (FuF)) der Verwaltung den Auftrag, im Sinne einer kreisweiten Lösung weiterzuverhandeln.

Man muss nicht gerade ein Prophet sein, um vorauszusagen, dass ein heftiges Hauen und Stechen ausbrechen wird, wenn die ersten konkreten Verhandlungsergebnisse vorliegen und deutlich wird, welche Stationen wo geschlossen werden sollen. Nachdem es bisher immer wieder Kritik an der Geheimniskrämerei der Verwaltung gegeben hat, die die wichtigen Informationen nichtöffentlich behandelt hat (auch aus Angst, ihre Verhandlungsposition den anderen Kommunen gegenüber zu schwächen), versicherte Claus Boldt, man wolle künftig über die Entwicklung der Verhandlungen regelmäßig berichten. Es steht zu hoffen, dass die Verwaltung sich dazu durchringt, die Menschen in dieser für alle existentiellen Frage durch eine transparente Informationspolitik wirklich einzubeziehen.

Keine Silvesterballerei mehr in Konstanzer Altstadt

Nach dem verheerenden Brand am Obermarkt am 23. Dezember wurde für das letzte Silvester im Bereich der Altstadt ein Feuerwerksverbot erlassen, um die historische Bausubstanz zu schützen. Der Gemeinderat hatte darüber zu befinden, ob dieses Verbot auch in Zukunft gelten soll.

Für die Feuerwehr bezog Klaus-Dieter Quintus Position. Für ihn macht ein solches Verbot für die Altstadt keinen Sinn, weil es in vielen anderen Teilen von Konstanz ebenso gefährdete Gebäude gibt. Dazu zählen etwa die Schindelhäuser im Paradies ebenso wie aus Holz errichtete Niedrigenergiehäuser in Wollmatingen, es gebe in jedem Stadtteil gefährdete Häuser. Demnach müsste man ein allgemeines Verbot erlassen, das aber nicht durchsetzbar sei. Selbst eine Verlegung der altstädtischen Feuerwerkerei in den Stadtgarten würde dazu führen, dass das Konzil abfackeln könne. Die Verwaltung wies darauf hin, dass das Verbot in diesem Jahr direkt nach dem Brand noch Akzeptanz in der Bevölkerung gefunden habe, in Zukunft aber – nicht zuletzt wegen der brauchtumsbedingten, keinesfalls unerheblichen Alkoholisierung der Bevölkerung an diesem Tage – auch mit starker Polizeipräsenz nur schwerlich zu verwirklichen sei.

Anselm Venedey von den Freien Wählern vertrat mit allem Recht einen kulturphilosophisch-aufklärerischen Standpunkt: Die Silvesterballerei ist für ihn anachronistisch und ein Relikt, das allen vernünftigen Überlegungen zu Brandschutz, Umweltschutz usw. Hohn spreche, also solle man es doch einfach komplett unterlassen. Recht hat er. Denn wie sprach schon der weise Konfuzius vor 2.500 Jahren? Was soll ich der in den Himmel steigenden Rakete, welche nur Schall und Rauch ist, nachschauen, wo ich noch nicht einmal verstanden habe, wie der Weg beschaffen ist, auf dem meine Füße stehen? Ganz so philosophisch gesonnen ist der Gemeinderat noch nicht (vielleicht braucht’s ja nochmals 2.500 Jahre). Er beschloss mit großer Mehrheit ein Verbot für Silvesterfeuerwerke in den Bereichen Altstadt und Stadelhofen.

Umstrittene Erweiterung des Lago-Parkhauses

Unter dem Tagesordnungspunkt „Anfragen der Gemeinderäte“ brachte Till Seiler (FGL) die „Affäre“ Parkplatzerweiterung des Lago-Parkhauses zur Sprache. Wie hier an anderer Stelle bereits berichtet, wirft die Aktionsgemeinschaft „Das bessere Verkehrskonzept“ der Konstanzer Stadtverwaltung vor, kritische Anmerkungen zur prekären Verkehrssituation in der Bodanstraße der Öffentlichkeit vorenthalten und Vorlagen für die umstrittene Entscheidung in der September-Gemeinderatssitzung letzten Jahres geschönt zu haben. Unter anderem beruft sich die Initiative auf den ehemaligen Verkehrsplaner Christoph Menzel, der seine „klar formulierte Ablehnung einer Steigerung der Parkplatzkapazitäten am Ende der Bodanstraße“ in den damaligen Vorlagen vermisst hat.

Konkret stellte Seiler dem Oberbürgermeister zwei Fragen: 1. Wer trägt in der Stadtverwaltung die Verantwortung dafür, dass die Stellungnahme Dr. Menzels nicht erwähnt wurde und 2, durch welche Konsequenzen stellt die Stadt in Zukunft sicher, dass mit Steuergeldern finanzierte Expertisen vollständig an die Öffentlichkeit weitergeleitet werden? OB Frank unterbrach seinen Partei- und Fraktionskollegen rüde und bezeichnete es als „komisches Vorgehen, als einen Vertrauensbruch, aus Schriftstücken zu zitieren, die der Stadtverwaltung nicht vorliegen“. Des Weiteren habe die Stadtverwaltung die Stellungnahme einer hochkarätigen Expertenkommission höher bewertet als die Darstellung eines Sachbearbeiters – ein deutlicher und leicht gehässiger Seitenhieb gegen einen ehemaligen Mitarbeiter, der inzwischen als Professor der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Salzgitter die Freiheit der Lehre genießt und nachträglich Rückgrat beweist. Ab 2007 bis zu seiner Berufung im Februar 2011 war Christoph Menzel als Sachgebietsleiter für die Verkehrsentwicklungsplanung der Stadt Konstanz zuständig.

Nicht eben eine Position, die als „kleine Sachbearbeiterstelle“ herab gewürdigt werden kann. Horst Frank machte deutlich, dass die Angelegenheit umfassend rechtlich geprüft werde und Till Seiler über die Ergebnisse schriftlich informiert werde. Dieser Prüfung sehen wir mit Interesse entgegen: Es wird sich doch wohl nicht herausstellen, dass die Stadt sich dem Lobbyismus interessierter Kreise gebeugt und tatsächlich wichtige Informationen unterdrückt hat?

Autor: O. Pugliese/A. Schwede