Dampfplauderer, Lobbyisten und ganz normale Bürger

Viele Debatten des Konstanzer Gemeinderates werden von der Öffentlichkeit wenig wahrgenommen, obwohl sie erhebliche Auswirkungen auf das öffentliche Leben haben (können). Hier ein kleiner Überblick über die letzte Sitzung, in der BürgerInnen der Verwaltung mit ihren Fragen und Vorschlägen wieder gehörig auf die Pelle rückten. Nebenbei ging es auch um das Honorar für einen Dampfplauderer.

Die erfreulichste Nachricht vorweg: Die Stadt Konstanz hat die Stadtwerke Konstanz mit dem städtischen Busverkehr betraut. Damit ist sichergestellt, dass die Stadt auch weiterhin den defizitären Busverkehr der Stadtwerke subventionieren darf, weil er Teil der kommunalen Daseinsvorsorge ist. Im Zuge europaweiter Regelungen, die allen Unternehmern gleiche Zugangsbedingungen zu sämtlichen Märkten (also auch dem städtischen Busverkehr) ermöglichen und Wettbewerbsverzerrungen durch Subventionen für bestimmte Unternehmen vermeiden sollen, ist ein solcher Betrauungsakt juristisch notwendig. Kurzum: Dieser Beschluss stellt sicher, dass bei Bus und Fähre alles so bleibt, wie es seit vielen Jahrzehnten ist. Das ist mal eine sinnvolle Neuerung.

Mehr Geld für die Kinderbetreuung

Ohne Aussprache hat der Gemeinderat einstimmig überplanmäßige, freiwillige Zuwendungen an Tageseinrichtungen beschlossen. „Im Haushalt 2016 wurde für die Bezuschussung der Betriebskosten der freien Träger der Kindertagesbetreuung eine Summe von 19 176 000 € eingestellt. Außerdem wurden in 2016 bisher zusätzlich 127 660 € überplanmäßig bereitgestellt.“ Vor allem für (höchst löbliche) Tariferhöhungen für das Personal im Erziehungswesen wurden jetzt vom Gemeinderat für das Jahr 2016 zusätzlich noch weitere 945 000 € genehmigt, die vorwiegend an die freien Träger gehen. Dass es sich bei diesen Trägern vor allem um die milliardenschweren Kirchen handelt, die diese von der Stadt bezahlte Kinderbetreuung dann auch noch als eigene karitative Leistung ausgeben, ist natürlich für manche ein Ärgernis.

Stadtmarketing und Tourismus

Der Gemeinderat hat außerdem mit großer Mehrheit der Umfirmierung der Tourist-Information Konstanz GmbH (TIK) zur Marketing und Tourismus Konstanz GmbH (MTK) zugestimmt. Zu einem späteren Zeitpunkt soll dann auch das Stadtmarketing (SMK) mit der MTK verschmolzen werden. Holger Reile (LLK) kritisierte diese neue GmbH-Konstruktion: „Aus unserer Sicht gehört der Bereich der Außendarstellung der Stadt auch unter die Kontrolle der Stadt Konstanz, sprich in öffentliche Verantwortung. Die GmbH-Konstruktion inklusive Förderverein mit privaten Gesellschaftern vor allem aus dem Einzelhandels- und Gastronomie-Umfeld wird dadurch nicht angerührt. Die Einflussmöglichkeiten der Wirtschafts-Lobby bleiben damit unangetastet, ja, sie sind ausdrücklich erwünscht. Dass noch nicht einmal daran gedacht war, beispielsweise Vertreter von Gewerkschaften und Umweltverbänden mit ins Boot zu nehmen, spricht in diesem Zusammenhang Bände.“ Ausdrücklich geißelte er, dass an der GmbH als Gesellschafter auch der Südkurier und die Lago-Betreibergesellschaft Prelios beteiligt sind, die damit zusätzliche Einflussmöglichkeiten auf die Außen- und Innenwirkung der Stadt erhalten. Außerdem sei das nicht gerade eine Stärkung der Unabhängigkeit der örtlichen Tageszeitung.

Während der Debatte über diesen Tagesordnungspunkt bemerkte Uli Burchardt an einer Stelle launig, „dies ist mein vorletzter Schritt zur Weltherrschaft, und keiner im Rat hat’s gemerkt.“ Bei 33 Stimmen für die Umfirmierung der GmbH gab es aber doch eine Nein-Stimme, nämlich die von Holger Reile, dem Burchardts Griff nach der Allmacht offensichtlich nicht entgangen war.

Wenn UnternehmerInnen frühstücken

Reile wollte außerdem wissen, welches Honorar die Stadt demnächst für den Hauptredner Jack Nasher bei einem Unternehmerfrühstück hinblättert. Bei diesem Event am 18. November soll der charmante Plauderer und Bestsellerautor den örtlichen UnternehmerInnen aus der Seele sprechen, und von Nasher werden immerhin Auftrittshonorare von 10 000 Euro plus Spesen kolportiert, so dass man es natürlich schon gern genauer wüsste. Genüsslich verwies Oberbürgermeister Uli Burchardt den Linken Reile darauf, dass er dieses Honorar natürlich gern offenlegen werde, allerdings nur im Aufsichtsrat des Stadtmarketings, alles andere sei juristisch unzulässig. Burchardts sichtliche Freude rührte wohl daher, dass die LLK in diesem Aufsichtsrat gar nicht vertreten ist.

Eric Thiel, Geschäftsführer der Stadtmarketing Konstanz GmbH, ließ informell ergänzend verlauten, man habe mit Herrn Nasher vertraglich Stillschweigen über dessen Honorar vereinbart, von daher sei an eine Auskunft ohnehin nicht zu denken. Wenn’s um die Ver(sch)wendung öffentlicher Mittel für die geistige Aufrüstung „unserer“ Wirtschaftselite geht, greift eben das Betriebsgeheimnis. Mal schauen, wie viele UnternehmerInnen sich bei schlappen 25 € Eintritt zu Speis, Trank und Nasherschem Entertainment im Morgengrauen zusammenfinden werden.

Reichsbürger in Konstanz

Nicht uninteressant war eine kurze Antwort von Burchardt auf eine Frage nach dem Kompetenzzentrum. Er sagte, er habe zur nächsten Sitzung des Betriebsausschusses [? das Wort war schwer zu verstehen] des Kompetenzzentrums auch den Eigentümer des Zentrums eingeladen. Das hörte sich an, als zweifele er daran, überhaupt mal jemanden von der anderen Seite zu Gesicht zu bekommen, der bei der Klärung der verfahrenen Situation zu helfen bereit ist. In dieser Angelegenheit hat der Gemeinderat vor etlichen Jahren, lange vor dem Amtsantritt Uli Burchardts, ganz offensichtlich gründlich aufs falsche Pferd gesetzt.

Dorothee Jacobs-Krahnen (FGL) hatte die Verwaltung auch nach Erkenntnissen über gefährliche Aktivitäten der „Reichsbürger“ in Konstanz angefragt. Der Oberbürgermeister zeigte sich unerschrocken. Er meinte sinngemäß, im unablässig über ihn hereinbrechenden Strom an Schmähungen und Drohbriefen sei gelegentlich auch mal etwas von dem einen oder anderen Reichsbürger. Diese Sippschaft rage aber in Konstanz in Hinsicht auf die Bekundungen ihres Unwillens bisher nicht aus der Masse der blutrünstigen „Normal“bürger heraus.

Bürger fragen, Andreas Osner antwortet

Die Bürgerfragestunde hat es oftmals in sich und brachte in der Gemeinderatssitzung am letzten Donnerstag die Bürgermeister und etliche Rätinnen und Räte schier zur Verzweiflung. Andreas Osner sprach in einer persönlichen Anmerkung gar von einem Missbrauch der Fragestunde durch die immer gleichen BürgerInnen, die nicht, wie eigentlich vorgesehen, Fragen an die Verwaltung formulieren, sondern Vorträge halten und richtiggehende Anträge zu stellen versuchen, was sie nicht dürfen. Aber so muss es sein: Die Obrigkeit treibt mit ihren Entscheidungen Tag für Tag zartbesaitete Menschen an den Rand des Nervenzusammenbruchs, da kann sie sich auch mal für eine Viertelstunde im Monat auf ihre vier Buchstaben hocken und mit gespitzten Ohren dem Volk aufs gelegentlich recht verquere Maul schauen.

Insbesondere die Bürgerin Elisabeth Schöndienst tritt im Ratssaal oft ans Mikrofon, um äußerst engagiert auf Missstände hinzuweisen und Verbesserungsvorschläge zu formulieren. Dieses Mal forderte Frau Schöndienst dazu auf, das Hus-Denkmal an der Laube endlich mit einem Schutz vor pinkelnden Hunden zu versehen und durch eine Informationstafel zu Hieronymus von Prag zu ergänzen, der in Konstanz ja ebenfalls verbrannt wurde. Außerdem regte sie an, die Bushaltestellen unter der neuen Rheinbrücke nahe dem Bodenseeforum endlich mit vernünftigen Wartehäuschen auszustatten und die Umsteigemöglichkeiten besser zu beschildern. Insbesondere ihre Sorge um die Wartehäuschen kann nachvollziehen, wer regelmäßig dort vorbeikommt. Aber immerhin: Wer dort wartet, hat schon jetzt die schützende Brücke über sich und braucht deshalb – beim Teutates! – keine Angst zu haben, dass ihm der Himmel auf den Kopf fallen könnte.

O. Pugliese