„… und dann die Angst vor der Obdachlosigkeit“

Schrecken und Sorgen gehen um in der Schwaketenstraße zu Konstanz: 260 MieterInnen fürchten Mieterhöhungen, die in die Hunderte gehen, und Lärm und Schmutz und Toiletten auf dem Gehweg. Doch jetzt wehren sie sich: Kommenden Mittwoch wollen sie eine Mieter-Initiative gründen und nicht nur dem Vermieter, sondern auch Politikern in Berlin, Stuttgart und Konstanz ordentlich Dampf machen.

Corina Jäger ist eine dieser Mieterinnen. Ihre Zwei-Zimmer-Wohnung soll, so hat es der Besitzer Vonovia erst letzten Monat wissen lassen, ab Juni „saniert“ werden. Wie die anderen 260 Wohnungen in dem achtstöckigen Klotz und im Nebenhaus auch. Bäder samt Toiletten werden raus gerissen, der Fahrstuhl stillgelegt, Fassade und Balkone behandelt, eine „energetische Sanierung“ ist geplant – 3,9 Millionen Euro soll das alles kosten, sagt der Besitzer Vonovia, Deutschlands größtes Wohnungsunternehmen. „Dann müssen wir, auch nachts, im Container auf der Straße zur Toilette gehen“, sorgt sich Corina Jäger und denkt an ihre Nachbarn, von denen viele Rentner und krank sind. 33 Wochen sind als Bauzeit vorgesehen, aber allzu häufig werde die Frist überschritten, verraten Berichte von Betroffenen im Internet.

300 Euro Mieterhöhung?

„Einen nicht geringen Teil der Sanierungskosten werden die MieterInnen mit Mieterhöhungen finanzieren müssen“, schaltet sich Herbert Weber, Vorsitzender des Mieterbundes in Konstanz, ein, der die erschreckter Mieter berät. Laut Gesetz kann der Vermieter elf Prozent der Sanierungskosten auf die Miete umlegen – „das bedeutet im Einzelfall, dass die Mieten um 40 bis 50 Prozent angehoben werden können“. „Konkret sind das zwei- bis dreihundert Euro pro Wohnung“, klagt Corina Jäger, „und das können viele nicht zahlen. Es geht wirklich die Angst vor Obdachlosigkeit im Haus um, denn wo in Konstanz kann ich noch eine bezahlbare Wohnung finden?“

Heute: Ortstermin

Auf Einladung des Mieterbundes Bodensee informiert sich der wohnungspolitische Sprecher der SPD im Landtag, Daniel Born, über die geplanten Modernisierungen zu Lasten der Vonovia-Mieter in Konstanz. Der Ortstermin ist schon heute, Montag, 14. Mai, um 16 Uhr; Treffpunkt ist vor dem Haus Nummer 98.

„Instandsetzung ja, Sanierung nein“ ist das Motto von Frau Jäger und ihrer Mitstreiterinnen. Klar, die Instandsetzung zahlen Vermieter oder Besitzer vollständig, die Sanierungskosten aber können teilweise auf die Mieter umgelegt werden. Experten des Mieterbundes prüfen derzeit, was an den vorgesehenen Baumaßnahmen Sanierung ist und was nicht, was rechtlich machbar ist oder was hingenommen werden muss. Vier Anwälte beschäftigt allein der Mieterbund Konstanz damit. Denn die Wohnungen wurden bereits vom Vorbesitzer, der LEG, saniert und auch damals stiegen die Mieten. „Warum sollen wir zweimal zahlen?“

Kein Mittel gegen Legionellen?

Wäre nur Vonovia immer so flott und effektiv. „Seit zwei Jahren haben wir Legionellen in unserem Wasser, aber die Gegenmaßnahmen – erst nach zahlreichen Beschwerden eingeleitet – verpuffen, die Filter taugen nicht“, erzählt die Mieterin der Zwei-Zimmer-Wohnung, die jetzt einer 40-prozentigen Mieterhöhung entgegensieht. Dabei dürfte eine solche Reparatur für Vonovia kein Problem sein, der Konzern unterhält vermutlich eigene Baufirmen, von denen die Arbeit ausgeführt werden kann – Vonovia verdient bei solchen Sanierungen also doppelt.

Übermorgen: Gründungsversammlung

Bereits übermorgen, Mittwoch, 16. Mai, laden Corina Jäger und ihre bislang zwei Mitstreiterinnen zur Gründungsversammlung einer Mieter-Initiative ein. Vonovia-MieterInnen sind ab 17 Uhr in die Räume des Deutschen Mieterbundes Bodensee (DMB), Zähringerplatz 15, eingeladen. Dort sollen weitere Schritte der Gegenwehr beraten werden – angedacht sind auch Proteste und Aktionen bei Politikern in Berlin, Stuttgart und Konstanz.

Eines ist Herbert Weber, der für die SPD auch im Konstanzer Gemeinderat sitzt, zum Schluss des Gespräches noch besonders wichtig: „In der Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung ist eine Absenkung der Umlagegrenze von elf auf acht Prozent formuliert. Doch damit wird dieser schändlichen Praxis kein Ende gesetzt, das ist völlig unzureichend.“ Er will weiter auf allen politischen Ebenen für einen besseren Mieterschutz vor solchen Mieterhöhungen kämpfen.

hpk

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