Universität erforscht Meinungen zu Corona
Die Universität Konstanz erforscht seit Beginn der Pandemie auf mehreren Feldern die sich wandelnde Meinung von Menschen zu den Folgen der Krankheit. Die ForscherInnen legten jetzt Zwischenergebnisse vor. Eine Studie zeigt, dass die empfundene Ungleichheit am Arbeitsplatz unter den Bedingungen von Corona weltweit gewachsen ist. Die andere Studie erfragte in Deutschland, wie zufrieden die Menschen in Sachen Pandemie-Bekämpfung mit den föderalen Strukturen sind.
Hier zwei Medienmitteilungen der Universität in gekürzter Form.
Studie I: Ungleichheit
Seit April 2020 untersuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie sich die weltweite COVID-19- Pandemie auf das Erleben und Verhalten von bislang 5000 Teilnehmenden auswirkt. Erste Zwischenergebnisse der Studie, die auf Daten aus mittlerweile über 140 Ländern beruhen, geben klare Hinweise darauf, dass die empfundene Ungleichheit seit Beginn der Corona-Krise angestiegen ist. So berichten die Probandinnen sowohl in Deutschland als auch international von erheblichen Einschnitten.
„Die Befragung der deutschen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer zeigt deutlich, dass sich die Ungleichheit kurzfristig stark vergrößert hat“, so Ulf-Dietrich Reips, Professor für Psychologische Methoden, Diagnostik und iScience an der Universität Konstanz. 27 Prozent der Befragten gaben an, dass sich der individuelle Arbeitsaufwand durch COVID-19 reduziert habe, fast ebenso viele (21 Prozent) berichteten jedoch von einem erhöhten Arbeitsaufwand. Drei Prozent der deutschen Teilnehmenden erklärten, ihren Arbeitsplatz verloren zu haben. 47 Prozent der deutschen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern gaben außerdem an, von zuhause aus arbeiten zu müssen. 40 Prozent dieser Gruppe fühlte sich bei der Erfüllung der an sie gestellten Arbeitsanforderungen eingeschränkt.
Globale Trends
Auch globale Trends zeigen einen erheblichen Einfluss von COVID-19 auf die Lebensumstände: 48 Prozent der internationalen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer bleiben derzeit aufgrund von COVID-19 zuhause. Im Durchschnitt leben sie dabei mit zwei weiteren Personen in einem Haushalt, der im Mittel 3,7 Räume (ohne Badezimmer) umfasst. Ein Drittel aller Teilnehmenden befürchtete einen Einkommensverlust im kommenden Monat. Beim Thema Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz signalisierten die meisten Europäerinnen und Europäer Zufriedenheit. Dies gilt jedoch nicht für Bürgerinnen und Bürger in Frankreich, Irland und Spanien.
Studie II: Föderalismus
Sollte Deutschland in der Krisenbewältigung zentral agieren, oder sollten die einzelnen Bundesländer situationsangepasst jeweils eigene Maßnahmen treffen? Eine repräsentative Studie von Steffen Eckhard und Alexa Lenz zur öffentlichen Wahrnehmung des Corona-Krisenmanagements mit bundesweit rund 3.000 Teilnehmenden zeigt: Auch wenn der Föderalismus als prinzipiell hinderlich für effektives Krisenmanagement betrachtet wird, so wird implizit das individuelle Vorgehen der Bundesländer doch seitens der Bürgerinnen und Bürger wertgeschätzt. „Der Föderalismus ermöglicht situationsangepasstes Handeln – und das scheint von der Bevölkerung honoriert zu werden“, erläutert Prof. Dr. Steffen Eckhard, Juniorprofessor für öffentliche Verwaltung und Organisationstheorie an der Universität Konstanz und Leiter der Studie. „Im Verlauf der Corona-Krise machten sich Bemühungen bemerkbar, den Ländern Zuständigkeiten zu entziehen und dem Bund mehr Steuerungskompetenzen zuzusprechen. In Politik und Medien wurde befürchtet, dass der Verwaltungsföderalismus zu einen ‚Kompetenz-Wirrwarr‘ und großen Disparitäten führen würde“.
Kritische Haltung
Die Ergebnisse der bundesweiten Studie spiegeln diese kritische Haltung gegenüber einem föderal umgesetzten Krisenmanagement zunächst wider: Nur rund ein Viertel der Befragten beurteilt das föderale System als hilfreich in der Bewältigung der Corona-Situation, 40 Prozent bewerten den Föderalismus hingegen als klar kontraproduktiv für das Krisenmanagement.
„Generell wird der Föderalismus in Deutschland von der Bevölkerung also eher als ungeeignet für effektives Krisenmanagement gesehen“, so Co-Autorin Alexa Lenz. „Auf den zweiten Blick ergibt sich aber ein differenzierteres Bild: Zwischen den Bundesländern liegen erkennbare Unterschiede in den Zustimmungswerten zu den verordneten Maßnahmen vor.“ Die Auswertung der Studie zeigt, dass die Corona-Verordnungen in Bundesländern mit niedriger Infektionszahl kritischer bewertet werden als in stärker betroffenen Ländern.
Vertrauensvorschuss nur bedingt
Die fortlaufende Studie ermöglicht einen differenzierteren Blick auf das öffentliche Bild vom Corona-Krisenmanagement. Die aktuelle erste Auswertungsphase der Befragung konzentriert sich auf den frühen Zeitraum der Corona-Verordnungen vom 26. März bis 6. April 2020, als zunehmende Beschränkungen des öffentlichen Lebens eintraten. Die Analysen zeigen, dass der vielzitierte „Vertrauensvorschuss“ in Politik und Verwaltung nur bedingt gewährt wurde: Während die Maßnahmen zu Beginn der Krise zwar eine hohe Akzeptanz erfuhren, waren die Bürgerinnen und Bürger zeitgleich wesentlich skeptischer gegenüber dem zukünftigen Krisenmanagement und geplanten, aber noch nicht umgesetzten Maßnahmen.
Insbesondere Personen, die ihre wirtschaftliche Existenz bedroht sahen, fühlten sich ungleich behandelt. Rund 50 Prozent der Befragten teilten in der frühen Phase des Krisenmanagements die Ansicht, dass die Effekte auf die Wirtschaft zu wenig berücksichtigt wurden. Werden die Befragten jedoch direkt auf ein potenzielles Dilemma zwischen Gesundheitsschutz und dem Schutz der Wirtschaft angesprochen, so ist das Votum in der deutschen Bevölkerung eindeutig: Selbst in der Gruppe der wirtschaftlich am stärksten bedrohten Personen sprechen sich noch rund 62 Prozent für die Priorisierung der Gesundheit aus.
MM/red (Bild: Universität Konstanz)