Unterbrechung der Gäubahn verhindern
Die geplante mindestens fünfjährige Unterbrechung der internationalen Bahnverbindung Stuttgart – Zürich (Gäubahn) betrachten die Fahrgastverbände und -beiräte als unverhältnismäßig. Sie beklagen erheblich verlängerte Reisezeiten im internationalen, nationalen und regionalen Bahnverkehr, negative Rückwirkungen auf die Stuttgarter S-Bahn und im Endeffekt mehr Verkehr auf der Straße und weniger auf der Schiene. Sie fordern daher, diese Strecke auch während der Bauarbeiten offenzuhalten.
Im Rahmen des Städtebauprojektes Stuttgart 21 beabsichtigt die Stadt Stuttgart, die Bahnlinie im Stadtgebiet Stuttgart zu unterbrechen. Erst rund fünf Jahre später soll wieder ein durchgehender Schienenstrang Richtung Süden über den Flughafen entstehen. Während der Dauer der Unterbrechung müssen die Fahrgäste in Stuttgart-Vaihingen bzw. Stuttgart-Nord in die S-Bahn umsteigen. Dadurch verlängert sich die Reisezeit um bis zu eine Stunde. Das Notfallkonzept für die S-Bahn bei einer Störung des Innenstadttunnels funktioniert während der Unterbrechung auch nicht mehr.
[the_ad id=“70230″]
„Aus Sicht der Interessenvertreter der Fahrgäste ist diese Unterbrechung unverhältnismäßig,“ erklären VCD, PRO BAHN und der Sprecher des VVS-Fahrgastbeirates. „Durch ein geändertes Baufahren kann die Unterbrechung gänzlich vermieden werden und das bei verhältnismäßig geringen Mehraufwendungen im einstelligen Millionenbereich.“
Es könne nicht sein, dass die Stadt Stuttgart aus Gründen des Städtebaus die Strecke unterbrechen wolle und die Deutsche Bahn AG zur Vermeidung von Strafzahlungen an die Stadt Stuttgart dies toleriere. Schwer enttäuscht seien die Interessenvertreter der Fahrgäste vom Verkehrsministerium des Landes und vom Verband Region Stuttgart, den Aufgabenträgern für den Schienenverkehr im Land bzw. für die S-Bahn, die ohne Not die Belange der Fahrgäste den städtebaulichen Interessen der Stadt Stuttgart untergeordnet hätten.
„Die Gäubahn ist eine internationale Bahnverbindung in die Schweiz und weiter nach Italien. Die geplanten zusätzlichen Umstiege sind für Fernreisende unattraktiv“, heißt es in der Medienmitteilung. „Die Landeshauptstadt Stuttgart hat auch eine Verantwortung gegenüber dem gesamten Land. Hier wird bewusst Verkehr von der Schiene auf die Straße verlagert – trotz aller verbalen Ankündigungen, mehr Verkehr auf die Schiene bringen zu wollen. Dies widerspricht allen Klimaschutzbemühungen im Verkehr“.
Außerdem verweisen die Organisationen darau, dass mit der Unterbrechung der Gäubahn für mindestens fünf Jahre auch kein Notfallkonzept für rund 400.000 tägliche S-Bahn-Fahrgäste zur Verfügung steht, wenn es eine Störung im S-Bahn-Tunnel gibt. „Heute können S-Bahnen über die Gäubahn zum Hauptbahnhof umgeleitet werden, was derzeit rund zweimal pro Woche geschieht. Zukünftig entfällt diese Möglichkeit. Die Stadtbahn kann diese zusätzlichen Fahrgäste nicht aufnehmen.“
Die Fahrgastverbände und Fahrgastbeiräte fordern deshalb die Projektpartner von Stuttgart 21 auf, diese Unterbrechung der Gäubahn zu unterlassen. Die Gäubahn ist durch ein modifiziertes Bauverfahren bis zur Fertigstellung einer leistungsfähigen alternativen durchgängigen Schienenverbindung vom Hauptbahnhof Richtung Süden vollständig zu erhalten.
MM/red (Foto: Regional-Express im Bahnhof Tuttlingen; Donautalbahner / CC BY)
da waren sie bestimmt Opfer der „Pofalla-Wende“,
der Infrastrukturvorstand der Bahn, Roland Pofalla (ja, der mit dem no-spy-Abkommen), hatte eine Idee, die Unpünktlichkeit der Bahn zu beheben,´ mit der Pofalla-Wende: Ein verspäteter ICE dreht einfach früher um, um auf dem Rückweg wieder in den Fahrplan zu kommen…die Fahrgäste der Reststrecke müssen eben schauen, wo sie bleiben. Das ist kein Scherz.
Lieber Herr Greszki,
bei dem Problem stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Ich halte es sogar schon für eine Zumutung dass man von Zürich oder Konstanz über Singen drei Stunden Fahrzeit benötigt. Die gleiche Strecke wird in der Schweiz ohne Hochgeschwindigkeitszüge durch intelligente und integrale Fahrpläne in knapp über zwei Stunden bewältigt. Auf Fernstrecken kann die Schweiz nicht mithalten. Sie hat keine Hochgeschwindigkeitszüge, aber von Geneve nach Chur in vier Stunden ist bei dem Netz und den Zügen ist mehr als beachtlich und das i.d.R ohne Verspätungen.
Deutschland hat auf den ICE Ausbau gesetzt kommt aber dabei weder in Geschwindigkeit (Paris-Marseille dreieinhalb Stunden) und schon gar nicht in der Zuverlässigkeit oder Fahrsicherheit (Stichwort Jakobsdrehgestell, Eschede, Trafobrände) an das französische TGV System heran. Dieses setzte nämlich von Anfang an auf ein eigenes Netz und eine überlegene Technik. Diese Entwicklung ist nicht dem deutschen Föderalismus geschuldet sondern Bahn AG mit ihren ehemaligen Automobilmanagern an der Spitze und dem verantwortlichen Autohörigen Ministerium.
Kaum eine Zivilgesellschaft hat so ausdauernd gegen ein sinnloses Infrastrukturprojekt demonstriert wie die Suttgarter. Zudem wurde von den Kritikern mit K21 eine bessere Alternative präsentiert. Die Verhinderung dieser liegt auch nicht im Föderalismus, denn anders als bei vielen anderen Problemen in diesem Land hat Mutti immer die schützende Hand über S21 gehalten.
Ohne den Föderalismus zu bemühen könnte man natürlich auch zu dem Schluss kommen, die Bahn sei das deutsche Sinnbild wie aus einem funktionierenden Staatsunternehmen ein marodes Privatunternhmen wird. Die SNCF ist übrigens noch immer ein Staatsunternehmen, die Privilegien der Mitarbeiter bei Gehalt und Pensionsansprüchen sind aber natürlich neoliberalen Geistern wie Macron ein Dorn im Auge…
Ein wunderschönes Beispiel für die negativen Auswirkungen von falsch implementiertem Föderalismus. Derartige Verkehrsinfrastruktur gehört national und international verwaltet und entschieden, das Stuttgart hier ein Mitspracherecht über Aspekte wie „Anbindung an andere Regionen“ oder „Vermeidung negativer Auswirkungen wie Lärm“ hat ist eindeutig kontraproduktiv.
Ich muss beruflich und privat das gesamte Bundesgebiet bereisen. Schon vor Corona habe ich es geschafft auf Flüge weitestgehend zu verzichten – obwohl Reisen mit der Bahn alles andere als angenehm ist. Ich würde es eher als eine Zumutung bezeichnen. Mit der geplanten Lösung für 5 Jahre würde die Bahn bei Reisen in den Nordosten für mich praktisch unbenutzbar.
Beispiel:
Tür-zu-Tür Reisezeiten Singen-Berlin:
Auto: ca. 8h
Bahn: ca. 10h (ca.2h davon mit anderen ÖPNV)
Flug: ca. 5h (ca. 2h ÖPNV + 2h reine Wartezeit/Abfertigungszeiten)
Würden in Stuttgart zu den 10h noch weitere Stunden hinzukommen, dann wäre unsere Region faktisch für Strecken über Stuttgart abgekoppelt. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen dass auch die 10h Singen-Berlin nur stimmen wenn keine Verspätung einer Umsteigeverbindung eintritt – ich komme nur in weit weniger als 50% aller Reisen punktlich an. Meist verpasse ich den Anschluss oder dieser ist selbst verspätet. Daher kalkuliere ich immer mit 13h Reisezeit wenn ich wichtige Termine habe. In 2020. Für gerade 820km.