Unvergessen: Esther Bejarano
Esther Bejarano ist im Alter von 96 Jahren gestorben. Sie war eine der letzten Überlebenden der Konzentrationslager Auschwitz und Birkenau. Die unermüdliche Kämpferin gegen Faschismus und Rassismus hat sich weltweit einen Namen gemacht und genoss hohes Ansehen. Hier ein Nachruf der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund deutscher Antifaschistinnen und Antifaschisten“ (VVN/BdA), deren Ehrenvorsitzende sie war.
Wir alle kannten Sie als eine Frau von großer Entschiedenheit und geradezu unglaublichem Elan, die viele von uns noch bis vor kurzem auf der großen Bühne erleben durften. Zuletzt saß sie am 8. Mai auf unserer kleinen Bühne im Hamburger Gängeviertel und erzählte von ihrer Befreiung am 3. Mai 1945 durch Soldaten der Roten Armee und der US-Armee, die kurz nacheinander in der kleinen Stadt Lübsz eintrafen. Dort hatte Esther mit einigen Freundinnen aus dem KZ Ravensbrück Unterschlupf gefunden, nachdem sie gemeinsam dem Todesmarsch entflohen waren.
Wenige Tage zuvor, am 3. Mai, den sie ihren zweiten Geburtstag nannte, hat Esther sich noch mit einer Video-Botschaft zum Tag der Befreiung an uns alle gewendet. Darin bezog sie noch einmal deutlich Stellung zu aktuellen Auseinandersetzungen in der Stadt Hamburg und im ganzen Land. Obwohl sie dabei schon im Rollstuhl saß, waren ihre Worte klar und ihre Stimme kräftig, wie diese Aufnahme hier beweist.
Wir verdanken Esther viel; sie war immer da, wenn wir sie brauchten.
Als 1990 zum ersten Mal ein BundessprecherInnenkreis gewählt werden sollte und dafür Personen gesucht wurden, die Tradition und „Neuanfang“ verkörperten, stand sie dafür zur Verfügung und wurde eine unserer ersten Bundessprecherinnen in einer Zeit, in der wir der Diffamierung des Antifaschismus als „diskreditiert“ und „überkommen“ entgegentreten mussten. Sie hat einen großen Anteil daran, dass das gelungen ist.
Zum 50. Geburtstag der VVN richtete sie zusammen mit Peter Gingold einen bewegenden „Appell an die Jugend“:
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Als im November 2019 das Finanzamt für Körperschaften in Berlin unsere Gemeinnützigkeit bestritt, schritt sie mit ihrem flammenden Appell an Olaf Scholz „Das Haus brennt und Sie sperren die Feuerwehr aus“ ein und verbreiterte die öffentliche Debatte. Damit hat sie wesentlich zu unserem Erfolg in dieser Auseinandersetzung beigetragen.
Nun ist die unermüdliche „Zeitzeugin“ gegen Vergessen des historischen und Verharmlosen des aktuellen Faschismus, Mahnerin und Kämpferin für Menschenrechte, Frieden und eine solidarische Gesellschaft von uns gegangen. Sie wird uns fehlen, vielen von uns auch als verlässliche Freundin.Wir denken ans sie in Dankbarkeit, Trauer und Liebe.
Nehmen wir ihre letzte öffentliche Botschaft als Vermächtnis und arbeiten wir weiter daran, dass der 8. Mai endlich auch in Deutschland ein Feiertag wird, so wie sie es in ihrer Rede am 3. Mai noch einmal vorgetragen hat: „Ich fordere: Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Und hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschlagung des NS-Regimes. Am 8. Mai wäre dann Gelegenheit, über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken: Über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit.“
Text: VVN/BdA (Bild: Wolfram Mikuteit. Es zeigt Esther Bejarano bei einem Auftritt in Stuttgart. Vor fünf Jahren gastierte sie auch im Konstanzer K9. Ein Auftritt, der noch vielen in Erinnerung geblieben ist.)
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Und hier noch der Link zur Trauerrede des Schauspielers Rolf Becker zur Beisetzung von Esther Bejarano auf dem Jüdischen Friedhof Ohlsdorf in Hamburg, gehalten am Sonntag, dem 18. Juli 2021: http://www.jungewelt.de/artikel/406765.esther-bejarano-abschied-von-esther.html