„Verbaut nicht unsere Zukunft“

Von der Arbeit des Kreistags nimmt meist kaum jemand Notiz. Weitgehend geräuschlos kann das Gremium auch gewichtige Projekte auf den Weg bringen. Das war am Montag für einmal anders: Auf dem Weg zur monatlichen Sitzung sah sich Landrat Zeno Danner (die meisten RätInnen nahmen virtuell teil) mit Demonstrierenden konfrontiert. Ein gutes Dutzend Klima-AktivistInnen forderte, der Konstanzer Landkreis müsse beim Bau eines neuen Berufsschulzentrums mit gutem Beispiel vorangehen und soweit wie möglich auf den Baustoff Beton verzichten.

Im Konstanzer Stadtteil Petershausen soll demnächst der Startschuss für eines der größten Bauprojekte im Landkreis fallen. Zwei Schulen werden dabei zu einem gemeinsamen Berufsschulzentrum zusammengezogen, das einmal Raum für 1300 SchülerInnen und 160 Lehrkräfte bietet. Dafür muss kräftig gebaut werden: Neben Unterrichts- und Gemeinschaftsräumen sind auch eine Sporthalle, Werkstätten und eine Cafeteria geplant. Zudem sollen Unterbringungen für Kreisarchiv und Kreismedienzentrum entstehen.

Gute Gründe also für die Klima-AktivistInnen von Fridays for Future (FfF), an die klimapolitische Verantwortung von Landrat und Kreisparlament zu appellieren. Ihre Forderung: Angesichts der verheerenden Klimabilanz des Baustoffs Beton müsse die Schule zumindest oberirdisch komplett aus ökologischerem Material, beispielsweise Holz, gebaut werden, so eine FfF-Pressemitteilung. Für die AktivistInnen ist das nicht nur aus Klimaschutzsicht geboten: Der Verzicht auf Kies – einer der Hauptbestandteile von Beton – wäre auch ein Beitrag zum Schutz der hiesigen Natur. „Neben dem gerade von Klimaschützern besetzten Altdorfer Wald bei Ravensburg sollen schließlich auch im Hegau weitere Naturflächen für den Kiesabbau geopfert werden“, heißt es in der Mitteilung.

Betonausstieg bis 2030

Für ihre Forderung nach einem Betonausstieg erhalten die Klima-AktivistInnen gewichtige Unterstützung aus der Wissenschaft. So verlangt etwa Prof. Hans Joachim Schellnhuber, Gründer und langjähriger Direktor des renommierten Potsdamer Klimaforschungsinstituts, einen weltweiten Ausstieg aus dem Bauen mit Stahlbeton bis 2030. Aus gutem Grund: In Deutschland ist die Zementproduktion für rund acht Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Der fällt nicht nur beim energieintensiven Kalkbrennen an, die chemische Reaktion setzt aus dem Kalkstein überdies fossiles CO2 frei.

Klimaneutralität sei mit einem Weiter so beim Bauen mit Beton deshalb kaum zu erreichen, müsste das dabei freiwerdende Gas doch anderweitig wieder gespeichert werden. „Da besonders im globalen Süden in den nächsten Jahren noch sehr viel Infrastruktur gebaut werden wird, müssen wir in den weit entwickelten Industrieländern allein schon aus Gründen der Klimagerechtigkeit sofort raus aus dem Bauen mit Beton, zumindest dort, wo es technisch möglich ist“ betonte Felix Müller von Fridays for Future.

Mit konkreten Zusagen für einen Betonverzicht tat sich Landrat Danner im Gespräch mit den Demonstrierenden aber sichtlich schwer. Er sagte jedoch zu, alle Optionen prüfen zu lassen und dabei auch einen CO2-Schattenpreis zu berücksichtigen. Über die Höhe eines solchen Preises, der es möglich macht, die realen Folgekosten schon heute bei öffentlichen Ausschreibungen einzupreisen, konnte er keine Angaben machen. Fridays for Future beziffert ihn auf 195 Euro pro Tonne, laut Umweltbundesamt entspricht das zu erwartenden Klimaschäden. Die neue Regierungskoalition in Stuttgart plant für die nächste Legislaturperiode mit einem internen CO2-Preis von 180 Euro.

Längst erprobte Alternativen nutzen

Schützenhilfe gibt’s für die KlimaschützerInnen derweil auch aus der Baubranche. Als Vertreter der architects 4 future nahm am Montag Sebastian Lederer an der Demo teil. „Es kann nicht sein, dass wir immer noch an Stellen mit Beton bauen, für die es längst erprobte Alternativen, zum Beispiel im Holzbau gibt“ sagte der Architekt. „Auch einzelne Bauteile wie Geschossdecken können, in Beton geplant, die ganze Klimabilanz verhageln. Die öffentliche Hand kann und muss jetzt Vorbild sein. Es wird Zeit, endlich nicht mehr für die Tonne, sondern gut zu bauen – ohne Beton und kreislauffähig“.

Mit den architects 4 future wollen er und weitere ArchitektInnen und Studierende die Forderungen der Klimabewegung auf den Bausektor übertragen. Der sei schließlich nicht nur für einen Großteil des deutschen CO2-Ausstoßes verantwortlich, sondern auch für rund 55 Prozent des deutschen Mülls. Da es bei jedem Gebäude um hunderte oder gar tausende Tonnen Rohstoffe gehe, hätten auch vermeintlich kleine Entscheidungen, wie die Wahl des verwendeten Baustoffs, enorme Auswirkungen. Bei einem Großprojekt wie dem neuen Berufsschulzentrum sei diese Verantwortung deshalb umso größer.

MM/jüg (Bild: Fridays for Future Konstanz)