Verkehrswende, SUV-Verbot, Nulltarif

Die Klimadiskussion kommt in Fahrt. Auf allen Ebenen präsentieren Politiker Vorschläge, wie’s besser werden soll. Der Verkehrssektor, verantwortlich für 20 Prozent der CO2-Emissionen ist so eine Baustelle, auf der es dringend mal vorangehen sollte. Wir stellen eine Initiative von drei Publizisten vor, die SUVs zu Leibe rücken wollen, und berichten außerdem vom Vorstoß einer hessischen Stadt in Sachen Nulltarif.

Die von der Wucht der SchülerInnenproteste und den Ergebnissen der „Klimawahl“ unsanft aus dem Dämmerschlaf gerissenen VerantwortungsträgerInnen versichern, nun handeln zu wollen. Die größte Stadt am Bodensee hat schon mal den Klimanotstand ausgerufen, ihr OB beteuert, den seit Jahren gesprochenen Worten würden nun Taten folgen. Von Berlin bis Konstanz präsentiert man Konzepte, die teils seit Jahren in Regierungs- und Verwaltungsschubladen verstauben. Kohleausstieg, CO2-Steuer, Plastikverzicht, E-Mobilität und weiteres mehr – Parteien und Unternehmen übertreffen sich mit Ankündigungen, diesmal werde man die Zukunft aber wirklich ökoaffin gestalten. Handfeste Maßnahmen bleiben indes Mangelware, schließlich hat man die Profitmacherei zu garantieren. Vor allem die Frage, wer die Kosten für die Klimawende zahlen soll, spart man ängstlich aus.

Verkehrswende überfällig

Ein Feld, auf dem Maßnahmen dringend geboten sind, ist die Verkehrspolitik. Denn gerade dieser Sektor heizt dem Klima gewaltig ein. Laut Experten geht rund ein Fünftel des in Deutschland ausgestoßenen Kohlendioxids (CO2), hauptschuldig an der menschgemachten Erderwärmung, auf das Konto des Verkehrs. 84 Prozent entweichen direkt den Auspuffen von Autos, Lastwagen und Motorrädern. Während der schädliche Output in vielen anderen Bereichen seit einigen Jahren rückläufig ist, steigen die durch den Verkehr verursachten CO2-Emissionen an. So unterschiedlich die Vorschläge für eine ernstgemeinte Verkehrswende sind, alle laufen deshalb darauf hinaus, den motorisierten Individualverkehr zurückzudrängen zugunsten von mehr umweltfreundlicher öffentlicher Mobilität.

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SUVs gehören abgeschafft

Die Publizisten Wolfgang Storz, Claus Fokke Wermann und Detlef zum Winkel haben nun ein Verbot von SUVs ins Spiel gebracht. In einem ersten Schritt wollen sie diese geländegängigen „Sport Utility Vehicles“, die trotz aller klimapolitischen Beteuerungen der Autokonzerne deren größten Profitbringer sind, mit einer Strafsteuer belegen und aus den Innenstädten verbannen. Dazu haben die streitbaren Publizisten eine Online-Petition initiiert, in der sie ihren an den Petitionsausschuss des Bundestags gerichteten Vorstoß wie folgt begründen:

„Inzwischen ist fast jedes dritte Auto, das in Deutschland neu zugelassen wird, ein Geländewagen oder ein geländegängiger SUV (Sport Utility Vehicle). Allein 2018 waren es (in zahlreichen Varianten) 933.000 SUVs; darunter 303.000 klassische Geländewagen. Der Gesamtbestand in Deutschland Anfang 2019: gut 5.500.000 dieser Maschinen.

Ihre Merkmale: Niemand braucht sie, um sich bei uns sicher und bequem fortzubewegen. Sie sind also nutzlos. Sie verbreiten Unsicherheit, brauchen sehr viel Platz und Sprit und schaden Natur, Umwelt und Mensch erheblich stärker als jedes andere Auto. Die Autoindustrie produziert sie nur, um höhere Gewinne zu erzielen.

Jeder SUV- und Geländewagen-Käufer soll deshalb eine Klima- und Sicherheitsabgabe (auch XXL-Gebühr genannt) in Höhe von 50 Prozent auf den Bruttokaufpreis zahlen, die in den Bundeshaushalt fließt; Berufsgruppen wie Landwirte, Förster oder Betreuer von Wolfsrudeln sind ausgenommen.

Die Einnahmen kann der Staat verwenden, um den Fußgänger-, Fahrrad- und öffentlichen Nah- und Fernverkehr zu fördern.

Der Gebrauch der SUVs ist in Städten und Gemeinden besonders unnütz. Städte und Gemeinden werden deshalb vom Deutschen Bundestag aufgerufen — und dabei gesetzgeberisch und finanziell unterstützt —, den Gebrauch von Geländewagen und SUVs in ihren Einzugsbereichen möglichst bald zu untersagen.“

Vorfahrt für Bus und Bahn

So unterstützenswert der SUV-Vorstoß ist – für eine nachhaltige Verkehrswende stellt er allenfalls einen Mosaikstein dar. Progressive Verbände, Initiativen und auch die Partei Die Linke wollen längst mehr: Sie fordern einen radikalen Paradigmenwechsel bei den staatlichen Verkehrsausgaben: Investiert werden soll vornehmlich in den flächendeckenden Ausbau von Bahn- und Busverkehr, statt weiter Milliarden für den PKW-gerechten Straßenbau oder den Flugverkehr auszugeben. Vielerorts entspinnen sich zudem Debatten über eine Verbannung der Autos aus der Innenstadt, begleitet von einer radikalen Verbilligung des ÖPNV oder gleich den Nulltarif.

Monheim geht voran

In der Klimanotstands-Stadt Konstanz etwa fordert die Linke Liste schon seit 2014 eine autofreie Innenstadt, verkürzte und besser abgestimmte Taktzeiten und Nulltarif für den Roten Arnold. Dass das keine Phantastereien sind, macht jetzt Monheim in Hessen vor. Stimmt dort der Gemeinderat am 10. Juli einer Vorlage der Verwaltung zu, können die 44.000 EinwohnerInnen von 2020 an das städtische und regionale Bus- und Bahnangebot kostenlos nutzen.

Wörtlich heißt es in der Verwaltungsvorlage: „Der Öffentliche Personennahverkehr soll im Tarifgebiet 73 (Langenfeld/Monheim) des VRR für alle Monheimer Einwohnerinnen und Einwohner mit Hauptwohnsitz in der Stadt spätestens ab dem 1. April 2020 kostenfrei nutzbar sein.“ Wer weiter in umliegende Städte fahren will, soll dies entweder als Einzelfahrt oder im Monats-Abo hinzubuchen können. Damit würden sich beispielsweise die Fahrtkosten nach Düsseldorf, Köln oder Leverkusen in den meisten Fällen etwa halbieren.

Den erwarteten Erlösausfall für den Träger (Verkehrsverbund Rhein Ruhr) von rund 2,5 bis 3 Millionen Euro will die Stadt aus Haushaltsmitteln decken. Vorausgegangen war laut Angaben der Stadt ein Ausbau des Fahrplanangebots mit kurzen, auf die Fahrpläne der S-Bahn abgestimmten Taktzeiten. Mit den kostenlosen Bustickets hofft man im Rathaus nun, mehr Menschen zur Nutzung des ÖPNV bewegen zu können.

Eine kleine Stadt macht Ländern und Bund hier vor, wie Klimaschutz und soziale Mobilität funktionieren können.

jüg


Zur Petition „Besseres Klima, mehr Sicherheit: SUVs raus aus unseren Städten“ geht es hier.

Weitere Informationen zum Nulltarif in Monheim finden sich hier.