Verwaltung online – nächstens irgendwann irgendwie

In dieser Woche gibt es gleich zwei Gemeinderatssitzungen, um das erhebliche Pensum besser zu bewältigen. Die gestrige am Dienstag war allerdings überraschend schnell vorbei und bot wenig Gelegenheit zur Debatte. Es gab vor allem einen ausführlichen Ausblick auf die geplante digitale Verwaltung. Wichtig war auch, was von der Tagesordnung verschwand.

Bereits im Vorfeld hatte sich Unmut über einen nur auf den ersten Blick unbedeutenden Tagesordnungspunkt artikuliert: Die Verwaltung will die „Satzung der Stadt Konstanz über die Erhebung von Verwaltungsgebühren (Verwaltungsgebührenordnung)“ ändern und dabei einige Gebühren deutlich erhöhen. Es wurde kritisiert, mit den Erhöhungen sollten gezielt Anfragen von BürgerInnen an die Stadtverwaltung per Gebührenschraube abgewürgt und die Öffentlichkeitsarbeit von politischen und gesellschaftlichen Gruppen verhindert werden. Oberbürgermeister Uli Burchardt versicherte gestern, das sei mitnichten ein unfreundlicher Akt und habe auch mit Politik nichts zu tun, es gehe allein um die Kostendeckung (belustigtes Gehüstel auf der Linken).

Da der Haupt- und Finanzausschuss die Verwaltung letzte Woche dazu verdonnert hatte, erst einmal Vergleichszahlen aus anderen Kommunen herbeizuschaffen, wurde dieser Tagesordnungspunkt auf Anfang 2018 verschoben. Damit blieb nicht mehr viel Zündstoff für die Sitzung, die zudem kaum Publikumszuspruch fand, so dass auch die BürgerInnenfragestunde, immer wieder mal ein Highlight der Sitzungen, entfiel.

Willkommen in der Gegenwart

Nicht uninteressant waren die Berichte von Andreas Thöni und Martin Schröpel über die Digitalisierungsbemühungen der Stadt Konstanz unter dem Oberbegriff „Konstanz digital“ [nicht zu verwechseln mit „KN digital“, einer Marke des größten deutschen Buchgroßhändlers Koch, Neff und Volckmar]. Es erschloss sich nicht, weshalb Andreas Thöni seinen Bericht nur mündlich abgab, statt seine anspruchsvolle Präsentation bereits den Sitzungsunterlagen beizufügen. So blieb im Getümmel der Daten und Absichtserklärungen leider vieles undeutlich.

Der OB verwies außerdem wiederholt darauf, dass bei der städtischen Digitalisierungsstrategie auch noch die Konzernstruktur der Stadt bedacht werden müsse – es gehe also nicht nur um die Stadtverwaltung, sondern auch um die Einbeziehung von Stadtwerken, Philharmonie und – nein, das Bodenseeforum ließ er in diesem Zusammenhang lieber unerwähnt, was ganz untypisch für ihn ist.

Die Ziele der Digitalisierung sind klar: BürgerInnen sollen ihren Kontakt zur Verwaltung zunehmend online pflegen, und die Stadt will damit auf lange Sicht Geld sparen. Außerdem verspricht die Verwaltung mehr Transparenz durch einen breiten Informationsfluss per Internet. Wer ab und zu mal Informationen im Internet sucht, weiß, wie mühsam das ist und welch Chaos unter www.konstanz.de herrscht. Dieser Auftritt soll jetzt von einem externen Unternehmen gründlich überarbeitet werden und im nächsten Jahr wesentlich informativer daherkommen.

Andreas Thöni stellte klar, dass „Konstanz digital“ auf eine Idee der MitarbeiterInnen in der Verwaltung zurückgeht und dass dafür erheblich Mehrarbeit geleistet werde, weil dafür zwar ausreichende Sachmittel von 300 000 €, aber keine zusätzlichen Stellen vorgesehen sind. Stadtrat Jürgen Faden (FWK) verstand das sichtlich falsch, denn er begehrte zu wissen, wie viele Stellen denn durch die Digitalisierung eingespart werden können.

Zusammen, was zusammen gehört

Auf Dauer soll das alles dann in einem landesweiten Portal für Verwaltungsaufgaben, Services und Informationen aufgehen. Während Amazon in Dutzenden von Ländern praktisch identisch auftritt, gibt es dann irgendwann in Deutschland nur mehr annähernd so viele Portale wie Bundesländer – und nicht mehr für jede Kommune eins. Immerhin. Einen Vorgeschmack darauf gibt es unter http://service.konstanz.de/

Natürlich wurde auch auf wichtige Erfolge verwiesen: So kann das Stadtarchiv mittlerweile auch elektronische Dokumente dauerhaft archivieren. Je mehr sich die elektronische Kommunikation auch in der Verwaltung breitmacht, desto wichtiger wird es, elektronische Dokumente dauerhaft abzulegen. Und vor allem auch dafür zu sorgen, dass die entsprechenden Dateien auch noch nach Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten wieder gefunden und gelesen werden können. Nicht wegen irgendwelcher Würmer, die sich in die elektronischen Speichermedien fräßen, sondern wegen der Veränderung von Dateiformaten, die gelegentlich dazu führen, dass Dateien schon nach 20 Jahren nicht mehr geöffnet werden können. Von Problemlösungen für Computerviren, Zugriffsberechtigungen, Hackerangriffen und sonstigen Sicherheitsfragen ganz zu schweigen.

Apropos: Die Speicherung der Konstanzer Daten findet größtenteils in Baden-Württemberg statt und nichts davon liegt außerhalb Deutschlands in den Grenzen von 2017. Was der NSA wie datengierigen Großkonzernen ganz egal ist, denn für sie ist das gesamte Internet ein einziges Dorf.

Schweizer online melken

Außerdem kann man seine Ordnungswidrigkeiten jetzt auch online begleichen, was insbesondere für die schweizerische Kundschaft erhebliche Erleichterungen mit sich bringt. Manche Dinge kann man bei der Stadt also bereits jetzt, im frühen 21. Jahrhundert, per Kreditkarte oder PayPal bezahlen. Letzteres wurde in der Präsentation übrigens verschämt als „Paybal“ bezeichnet, was ein Scherzbold im Publikum glucksend in „Playboy“ korrigierte. Zum Glück hat das der OB nicht gehört, denn der wies immer wieder ausdrücklich darauf hin, dass Konstanz in Sachen Digitalisierung absoluter Vorreiter und Pionier sei. Digital bis in die Haarspitzen sozusagen.

Alle Transparenzversprechen und alle Digitalisierung nützen natürlich nichts, wenn die Verwaltung schmollt und der Öffentlichkeit einfach keine Informationen zur Verfügung stellt – wie etwa im Fall des Bodenseeforums, wo es keinerlei aktuelle Geschäftszahlen gibt, während die Südwestdeutsche Philharmonie regelmäßig detaillierte Auskünfte über ihren Geschäftsverlauf veröffentlicht. Auch in Zukunft wird die Obrigkeit die dann digitalen Inhalte bestimmen. Wer die Musik bezahlt, bestimmt auch, was gespielt wird.

Bürger können Konstanz mitgestalten

Und noch einen Konstanzer Internetauftritt gilt es, sich zu merken: Die Seite www.konstanz-mitgestalten.de/ ist ein Service: Das heißt, diese Software wird im Internet von einem externen Unternehmen betrieben, und die Konstanzer stellen nur ihre Inhalte hinein. Die Stadt kann, wenn sie denn will, weitere Dienste (Module) in diesem Auftritt hinzu buchen, aber das steht noch in den Sternen. Derzeit kostet die Seite 10 000 € Miete pro Jahr und gibt vor allem einen Überblick über die städtische Vorhabenliste. BürgerInnen können dort außerdem Mängel melden und Fragen stellen. Die Verwaltung verspricht ihnen dafür eine schnelle Reaktion und stellt den Fortschritt der Abarbeitung dar.

Die künftigen Aufgaben dieses Forums liegen noch ziemlich im Dunkeln. Bisher wird diese Seite von BürgerInnen genutzt, um überquellende Papierkörbe, vor sich hinrostende Fahrräder, kaputte Straßenlaternen und die Ordnungswidrigkeiten der Nachbarschaft zu melden, aber es ist viel mehr angedacht. Noch ist diese Plattform laut OB allerdings nicht bereit etwa für Diskussionen über das Polizeigesetz. Auf Dauer hofft die Verwaltung aber – man höre und staune über diese Offenheit -, dass hier ein Medium für innerstädtische Debatten entsteht, das verhindert, dass solche Themen in soziale Medien getragen werden, auf die die Stadt keinen Einfluss hat.

Das ist doch mal ein ultramodernes Verständnis von bürgernahem eGovernment.

O. Pugliese