vhs: Veranstaltungs-Highlights im November

Stefan Rahmstorf

Das Programm der Volkshochschule Landkreis Konstanz bietet diesen Monat einige spannende Termine mit prominenten ReferentInnen. Die politisch brisanten Vorträge behandeln u. a. die unterschätzte Klimakrise, selbstbestimmten Widerstand gegen die weibliche Verfügbarkeit, durch Vorurteile „aufgeheizte“ Gesellschaften, das verhängnisvolle Wachstumscredo und die Geschichte der schikanierten Verschickungskinder. Es lohnt sich also, sich das eine oder andere Mal auf den Weg in die Katzgasse zu machen!

Nachfolgend die Highlights im Einzelnen, das vhs-Gesamtprogramm kann hier abgerufen werden. Anmeldungen über die Webseite oder per e-mail an info@vhs-landkreis-konstanz.de.

Wolfgang Benz – Vom Vorurteil zur Gewalt

Wie Ausgrenzung und Hass entstehen: Vorurteile und Stereotype gibt es seit Jahrtausenden. Antisemitismus, Rassismus oder auch Feindschaft gegen Muslime sind langlebige, scheinbar nicht an Anziehungskraft verlierende Phänomene – aber warum ist das so? In seinem Vortrag zieht Wolfgang Benz die Summe seines jahrzehntelangen Forschens über Vorurteile und ihre Folgen. Wie entstehen und wie verändern sich Vorurteile, Ressentiments und Stereotype? Welche Feindbilder prägen die europäische Geschichte? Und wie entwickeln sich daraus Ausgrenzung und Gewalt? Wolfgang Benz erklärt uns Geschichte und Gegenwart eines höchst problematischen und hartnäckigen Phänomens. Ein Vortrag von größter Aktualität.

Wolfgang Benz, geb. 1941, ist einer der renommiertesten deutschen Zeithistoriker. Er lehrte von 1990 bis 2011 an der Technischen Universität Berlin und leitete das Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU. In seinen Forschungen und Veröffentlichungen beschäftigt sich Wolfgang Benz mit Vorurteilen und ihren Ausprägungen in Antisemitismus, Antiziganismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.

11. November 2021, 19:30 Uhr im Milchwerk Radolfzell (Kleiner Saal). Eintritt frei.

Ulrich Büttner: Die USA im Würgegriff von Hass und Populismus – wie gefährdet ist die älteste Demokratie der Welt?

Die USA befinden sich seit mindestens 25 Jahren im Dauerkrisenmodus. Die von Trump geforderte Mauer steht schon längst – aber sie verläuft nicht an der Grenze zu Mexiko, sondern mitten durch Amerika und die Köpfe der Menschen. Die Supermacht und älteste Demokratie der Welt steht am Scheideweg: Wenn der Zustand der gesellschaftlichen Polarisierung sich weiter vertieft, könnte dies das Land zerreißen. Erleben wir gerade den Anfang vom Ende der USA, wie wir sie kennen?

Ulrich Büttner studierte Geschichte, Philosophie, Politologie und Germanistik, ist Lehrer und Direktor des Bildungszentrums Konstanz. Darüber hinaus ist er seit vielen Jahren als Vortragsdozent aktiv und vermittelt historisch-philosophisches Wissen und Erkenntnisse.

15. November 2021, 19:30 Uhr in der vhs, Raum 7.0.
7,00 €; SchülerInnen und Studierende mit Ausweis und mit vhs-Vortragskarte frei.

Prof. Dr. Stefan Rahmstorf: Die unterschätzte Klimakrise

Seit Beginn des Industriezeitalters ist der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre auf den höchsten Wert seit mindestens drei Millionen Jahren gestiegen. Wir katapultieren uns damit aus dem Holozän heraus – schon jetzt liegt die globale Temperatur höher als jemals in der Geschichte der menschlichen Zivilisation, und sie steigt weiter. Auch in Deutschland sind wir von zunehmenden Problemen mit Hitze, Dürre, Waldbränden, Extremregen und steigendem Meeresspiegel betroffen. Die riesigen Eisschilde in Grönland und der Antarktis verlieren zunehmend an Masse, wie Satellitendaten zeigen. Dies trägt zum immer schnelleren Anstieg des globalen Meeresspiegels bei.

Im Vortrag des renommierten Klimaexperten Rahmstorf werden einige der aktuellen „heißen Themen“ der Klimaforschung diskutiert. Wie und in welchem Ausmaß sind die jüngsten Extremereignisse wie Waldbrände, Sturzfluten und tropische Wirbelstürme durch den vom Menschen verursachten Klimawandel beeinflusst? Wie bekommen wir nach Corona auch die Klimakrise in den Griff? Was bedeutet das Pariser Abkommen für uns und sind die deutschen Klimaziele ausreichend?

Stefan Rahmstorf ist Klimatologe und Abteilungsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf Klimaänderungen in der Erdgeschichte und der Rolle der Ozeane im Klimageschehen.

Es steht eine begrenzte Anzahl an Plätzen zur Verfügung. All diejenigen, die keinen Platz vor Ort erhalten, bekommen am Veranstaltungstag einen Link zugeschickt, um die Veranstaltung online zu verfolgen (Anmeldung hier).

18. November 2021, 19:30 Uhr, Bodenseeforum. Eintritt frei.

Franziska Schutzbach: Die Erschöpfung der Frauen – Wider die weibliche Verfügbarkeit

Frauen haben heute angeblich so viele Entscheidungsmöglichkeiten wie nie zuvor. Und sind gleichzeitig so erschöpft wie nie zuvor. Denn nach wie vor wird von ihnen verlangt, permanent verfügbar zu sein. Franziska Schutzbach schreibt über ein System, das von Frauen alles erwartet und nichts zurückgibt – und darüber, wie Frauen sich dagegen auflehnen und alles verändern: ihr Leben und die Gesellschaft. In unserer Gesellschaft wird Weiblichkeit gleichgesetzt mit Fürsorglichkeit. Frauen sind, ob in der Familie, in Beziehungen oder im Beruf, zuständig für emotionale Zuwendung, für Harmonie, Trost und Beziehungsarbeit – für Tätigkeiten also, die unsichtbar sind und kaum Anerkennung oder Bezahlung erfahren. Sie „schulden“ anderen – der Familie, den Männern, der Öffentlichkeit, dem Arbeitsplatz – ihre Aufmerksamkeit, ihre Liebe, ihre Zuwendung, ihre Attraktivität, ihre Zeit. Diese allgegenwärtigen Ansprüche treiben Frauen in die Erschöpfung.

Die Geschlechterforscherin Franziska Schutzbach wendet sich gegen ein zutiefst misogynes System, das von Frauen alles erwartet und nichts zurückgibt. Und sie zeigt, welch vielfältigen Widerstand Frauen gegen die Ausbeutung ihrer Energie, ihrer Psyche und ihrer Körper leisten. Ein kluger und fundierter Beitrag zu einer anhaltend aktuellen Debatte von vhs, Chancengleichheitsstelle der Stadt Konstanz und TERRE DES FEMMES.

22. November 2021, 19:30 Uhr, vhs Astoria-Saal.
7,00 €; SchülerInnen und Studierende mit Ausweis und mit vhs-Vortragskarte frei.

Prof. Dr. Niko Paech: All you need is less – Wie in Krisenzeiten die Wachstumsfrage gestellt wird

Vor über 15 Jahren hat Niko Paech das Konzept der Postwachstumökonomie entwickelt und ist überzeugt, dass weniger mehr ist. Ausgangspunkt war, dass die lange gehegte Hoffnung bröckelt, wirtschaftliches Wachstum durch technischen Fortschritt nachhaltig oder klimafreundlich zu gestalten. Weiterhin scheint ein auf permanente ökonomische Expansion getrimmtes System kein Garant für Stabilität und soziale Sicherheit zu sein. Darauf deutet nicht nur die derzeitige Eskalation auf den Finanzmärkten hin, sondern auch die Verknappung jener Ressourcen („Peak Everything“), auf deren unbegrenzter und kostengünstiger Verfügbarkeit das industrielle Wohlstandsmodell bislang basierte. Neu entflammt ist diese Diskussion durch die Bewegung „Fridays for Future“ und die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie.

Niko Paech ist Volkswirt und ein profilierter Verfechter der Wachstumskritik. Er lehrt an der Universität Siegen als außerplanmäßiger Professor im Bereich der Pluralen Ökonomik.

Es steht eine begrenzte Anzahl an Plätzen zur Verfügung. All diejenigen, die keinen Platz vor Ort erhalten, bekommen am Veranstaltungstag einen Link zugeschickt, um die Veranstaltung online zu verfolgen. Anmeldung hier.

29. November 2021, 19:30 Uhr. Eintritt frei.

Anja Röhl: Das Elend der Verschickungskinder

Zwischen den 1950er und 1990er Jahren wurden in Westdeutschland zwischen acht und zwölf Millionen Kinder im Alter von zwei bis zehn Jahren auf kinderärztliches Anraten und auf Kosten der Krankenkassen ohne Eltern zur „Erholung verschickt“. Während der meist sechswöchigen Aufenthalte an der See, im Mittelgebirgsraum oder im Hochgebirge sollten die Kinder „aufgepäppelt“ werden. Tatsächlich erlebten sie dort jedoch oft Unfassbares: Die institutionelle Gewalt, die sich hinter verschlossenen Türen ereignete, reichte von Demütigungen über physische Gewalt bis hin zu sexuellem Missbrauch. Betroffene leiden noch heute an den Folgen der erlittenen Traumata. Anja Röhl gibt den Verschickungskindern eine Stimme und möchte die Träger ehemaliger Verschickungsheime in die Verantwortung nehmen. Sie zeigt, welches System hinter den Kinderkuren stand, und geht möglichen Ursachen für die dort herrschende Gewalt nach. Anja Röhl hat einen ersten großen Schritt zur Aufarbeitung eines bisher unerforschten Bereichs westdeutscher Nachkriegsgeschichte und zur Anerkennung des Leids Betroffener getan.

30. November 2021, 19:30 Uhr, vhs Astoria-Saal.
7,00 €; SchülerInnen und Studierende mit Ausweis und mit vhs-Vortragskarte frei.

MM/ans
Bild: Stefan Rahmstorf, © Astrid Eckert.