Viel Lob und wenig Geld für das Kulturbüro
Wie so oft im Konstanzer Gemeinderat und seinen Ausschüssen: Entscheidungen haben Seltenheitswert, mutige Entscheidungen gar kommen kaum vor. So auch in der letzten Sitzung des Kulturausschusses, als es um die Zukunft des Kulturbüros und seine personelle Aufstockung ging. Viel Lobendes wurde gesagt, wenn es um die Theorie der Kulturarbeit und die Leistung des Kulturbüros ging, und wenig Konkretes, als es um zusätzliche Stellen – mithin auch um mehr Geld – ging
Und auch das kommt uns bekannt vor: Die Freie Grüne Liste (FGL) konnte sich einmal mehr nicht auf eine gemeinsame Position einigen und stimmte letztlich uneinheitlich ab. Wobei sie sich schon in ihrer Grundhaltung von der aller anderen Fraktionen im nur spärlich besetzten Kulturausschuss absetzte. Doch der Reihe nach:
Zur Einstimmung beschrieb Kulturbürgermeister Andreas Osner erneut seine Politik in Sachen Kulturbüro (für jedermann nachzulesen im Allris-Programm auf der städtischen Homepage), gespickt mit einigen aktuellen Vorschlägen: Er regte eine externe Beratung an (wie viel Steuergeld ist eigentlich allein in den letzten fünf Jahren für solche externen Berater ausgegeben worden?), er plädierte für eine Entfristung der größtenteils befristeten und überwiegend in Teilzeit angebotenen Stellen, könnte sich, unabhängig von den anstehenden Haushaltsberatungen, eine Aufstockung um einen Arbeitsplatz vorstellen und denkt offensichtlich im Zuge der Neuaufstellung des Stadtmarketings an eine mögliche Zusammenarbeit dieser Stabsstellen.
Arbeitsverträge sollen entfristet werden
Weiter ging Anselm Venedey (FWK). Er kämpfte in verschiedenen Wortmeldungen wortreich für eine Abschaffung der Praktikanten-Stellen und entpuppte sich dabei als Fürsprecher des Mindestlohns (denn mit Einführung des Mindestlohns ab 2015 würden die 10, bisher im Kulturbüro beschäftigten Praktikanten um 22 000 Euro teurer) und forderte zwei neue Stellen für das Kulturbüro: „Wenn wir Geld für unnötige Preisverleihungen und Millionen für ein Veranstaltungshaus in die Hand nehmen, sollten wir hier auch über unseren Schatten springen.“
Erstaunliches war von Wolfgang Müller-Fehrenbach (CDU) zu vernehmen. Nach seiner Beschwerde, nicht als erster in der Rednerliste bedacht worden zu sein, kritisierte er die Vorlage und den Vortrag von Bürgermeister Osner als „unstrukturiert und lückenhaft“ (sollten da persönlich-politische Animositäten eine Rolle spielen?), lehnte eine externe Beratung schlichtweg ab und sprach sich für eine zügige Entfristung der bislang befristeten Arbeitsverhältnisse aus.
FGL schießt quer
Davon wollten Gisela Kusche und später Peter Müller-Neff wie auch Christiane Kreitmeier (alle FGL) nun gar nichts wissen. Ihrer Meinung nach sollte zunächst das Aufgabenfeld des Kulturbüros analysiert, dann ein Organigramm mit Stellenbeschreibung formuliert und erst zuletzt über die Dauer der Arbeitsverträge entschieden werden. Zwar ruderte Stadträtin Kusche nach Vorhalten von Anselm Venedey zurück – sie wollte den Eindruck der Beschäftigten-Feindlichkeit vermeiden, aber genau das wurde in den FGL-Beiträgen nur zu deutlich – und sprach von Missverständnissen, aber bei der letztlichen Abstimmung stimmten alle drei FGL-VertreterInnen dem Entfristungs-Vorschlag nicht zu.
Die eigentliche Hauptperson dieser Sitzung, die Kulturbüro-Leiterin Sarah Müssig, kam nur einmal und erst nach eineinhalb Stunden Diskussionsdauer zu Wort: Sie gab zu bedenken, dass die Befristungen in ihrem Büro gegen Anfang oder Mitte 2016 auslaufen würden und bei einer Vorlaufzeit von bis zu einem Jahr für die Kulturprojekte eine schnelle Entscheidung des Ausschusses wie des Gemeinderates nötig sei.
Die getrennt durchgeführten Abstimmungen konnten dann nicht mehr überraschen: Einstimmig votierte der Ausschuss für die Einschaltung eines externen Beratungsbüros. Dem Gemeinderat die Auflösung der Befristungen in Arbeitsverträgen zu empfehlen, stimmten sieben StadträtInnen zu (zwei stimmten dagegen, eine enthielt sich) und für den Venedey-Vorschlag, die Praktikanten-Stellen durch zwei zusätzliche Arbeitsplätze zu ersetzen, war nur er allein, fünf StadträtInnen stimmten dagegen, vier enthielten sich.
Autor: hpk
P.S. Wobei wichtig ist zu wissen: Entschuldigt fehlten auf der Sitzung die stimmberechtigten Mitglieder Fendrich, Kumm, Reile und Weisschedel.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Die Förderung und Begleitung kultureller Basisarbeit, wie sie das Kulturbüro auf hervorragende Weise und mit viel persönlichem Einsatz leistet, hat in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, dass in der Stadt, die sich langsam aber sicher zu Tode ökonomisiert, ein noch erträgliches, kulturelles Klima erhalten bleibt und Perspektiven dafür auch wieder geschaffen wurden.
Eine entschiedene Personalpolitik ist für den kulturellen Bereich unabdingbar – es sein denn, man will möglichst viel der „lästigen“ Kultur loswerden. Dank einiger Gemeinderäte und Ausschussmitglieder drängt sich dieser Eindruck leider nachhaltig auf.
Wie hilflos ist denn auch der Einsatz einer Kommission?
Boris Petrovsky
Ich würde unheimlich gern wissen, wie es in der politischen Landschaft aussähe, wenn es keine Fraktionszwänge gäbe. Dann wäre die Diversifikation durch persönliche Entscheidungen eine Möglichkeit einer Art Evolution in der Politik,die anderweitig durch den Zwang unterdrückt wird.
Zumal es wie beschrieben dazu führt, dass weniger Leute sich politisch beteiligen, weil sie nichts mit ihrer Stimme mittragen wollen, das sie nicht befürworten.
In dem Sinne: bitte OHNE solche Zwänge.
Lieber Herr Koch, ich verstehe gut, dass es politische Gruppierungen braucht, die zumindest einen Grund-Konsens haben. Damit hängen ja auch weitere wichtige, notwendige Organisationsmerkmale und Strukturen ab. Aber sie gehen mit ihrer Antwort am Thema vorbei.
Es wird wohl nie eine annähernde basisdemokratische Struktur geben, wenn der Einheitsgedanke wichtige Einzelmeinungen unterdrückt. Viele politisch Interessierte bewerben sich eben deshalb nicht aktiv um ein Stadtratsmandat. Ich gehöre dazu.
Natürlich gibt es sogenannte Gruppenwähler, die dann bedauerlicher Weise eher nicht die Ratsarbeit einzelner Räte kennen und sich mehr auf ihre Sinne verlassen.
Aber gut, dass sie wissen, wie der Wähler tickt.
Konsequent wäre dann, lieber GJM, dass Stadträte gänzlich ohne Parteienbindung kandidierten – der Wähler also nur Herrn Puchta oder Herrn Reile und nicht SPD oder Linke beispielsweise wählen. Tun sie aber nicht, sondern signalisieren, dass sie für eine bestimmte Grundstimmung eben der Partei stehen, für die sie antreten. Dann aber sollten sie sich dieser Grundhaltung auch verpflichtet sehen
Hendrik Riemer@ Wie wahr! Das Experten- und Berater-Unwesen grassiert immer weiter. Die Politik verleiht unpopulären Entscheidungen dadurch den Schein von Fachwissen.
Dabei können Leute vor Ort, die täglich mit einer Sache zu tun haben, Bürger, Theaterintendanten, Verkehrspolizisten, Förster ect sehr gutes Fachwissen liefern, ohne daß man Gutachter von irgendwoher beauftragt, die nur die Hand aufhalten.
#….Die Freite Grüne Liste (FGL) konnte sich einmal mehr nicht auf eine gemeinsame Position einigen und stimmte letztlich uneinheitlich ab. ….
Hallo Herr Koch, ihre Erwartung, dass die Fraktionen nach gemeinsamen Positionen einheitlich abstimmen sollten, entspricht nicht dem Wählerauftrag und ist kontraproduktiv zum Wunsch des Wählers, seine Stimme personenbezogen abzugeben. Das demokratische Grundverständnis, keine Einheitspartei zu wählen, sollte besonders in der Kommunalpolitik angekommen sein. Leider werden so manche kritische Stimmen in den vorbereitenden Fraktionssitzungen filtriert und auf die Dominanz von Fraktionssprecher zugeschnitten. So entspricht dies dann ihrem Wunsch nach „gemeinsam und einheitlich“. Die FREIE GL ist die lobenswerterweise die einzige Fraktion, wo die Stadträte noch personenbezogen abstimmen und sich nicht einem Fraktionsdiktat unterwerfen.
Aufträge an Betrater und Gutachter, „objektive“ Aussagen Dritter zu kommunalpolitischen Aufgaben und Vorhaben, hinter denen sich die „sachkundigen“ Bürger im Gemeinderat bei ihrer Entscheidung verstecken können. Kritik an der Entscheidung läßt sich so bequem auf den Berater und Gutachter abschieden. Gibt es sowenig Sachverstand in der kommunalen Verwaltung, dass „Sachverstand“ von außen teuer eingekauft werden muß. Bürgerbeteiligung bei anstehenden Projekten und Planungen frühzeitig aktiviert, spart Kosten für den eingeholten Sachverstand „unabhängiger“ Experten. Die so eingesparten Kosten könnten kommunalpolitisch sinnvoller eigesetzt werden. „Baustellen“ gibt es hierzu ja genug!
Hendrik Riemer