Vom aktuellen Umgang mit NS-Eugenik-Opfern
Am 26. September 2022 fand in Berlin eine Anhörung des Kulturausschusses des Deutschen Bundestags statt. Das Votum nach der Expertenanhörung hätte einhelliger nicht ausfallen können: Die Opfer der „Euthanasie“-Morde und der Zwangssterilisationen während des Nazi-Regimes sollen endlich als solche anerkannt, ihre Schicksale verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gerückt und in der historischen Aufarbeitung berücksichtigt werden. Wie wichtig diese längst überfällige Forderung ist, zeigt nicht zuletzt die vor kurzem eröffnete NS-Dauerausstellung im Konstanzer Rosgartenmuseum, die das Schicksal von über tausend hiesigen NS-Eugenik-Opfern völlig ausblendet.
Der perverse Rassen- und Auslesewahn der Nazis
In ihrem Ende November 2021 geschlossenen Koalitionsvertrag haben die Ampel-Parteien festgelegt, dass sie „die Opfer der ‚Euthanasiemorde’ und Zwangssterilisation offiziell als Opfer des Nationalsozialismus anerkennen“ wollen. Ein mehr als überfälliger Schritt.
Denn Kranke und behinderte Menschen, oder wen die Nazis dafür hielten, gehörten zu den ersten Opfern im Nationalsozialismus. Die Umsetzung der „Rassenhygiene“ zum Schutz des „gesunden Volkskörpers“ begann unverzüglich nach ihrer Machtübernahme. Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ wurde am 14. Juli 1933 beschlossen und trat am 1. Januar 1934 in Kraft. Für seine Umsetzung waren die Innenministerien maßgeblich, wobei die staatlichen Gesundheitsämter auf kommunaler und regionaler Ebene eine entscheidende Rolle spielten.
Die Sterilisationskampagne wurde von einer groß angelegten Propagandaaktion begleitet, die die ungemein große Belastung der gesunden arbeitenden Menschen durch die unnützlichen Erbkranken (auch als unnütze Esser oder Ballastexistenzen bezeichnet) zum Ausdruck bringen sollte. In der Folge wurden fast 400.000 Menschen, davon mehr als 20.000 Frauen und Männer aus dem heutigen Baden-Württemberg, gegen ihren Willen unfruchtbar gemacht. Nach einer Schätzung der Historikerin Gisela Bock kamen im Rahmen dieser Zwangsmaßnahmen zwischen 5000 und 6000 Menschen – davon 90 Prozent Frauen – zu Tode.
Doch dies war lediglich der erste Schritt der „Rassen“-Politik des NS-Regimes. Es folgte ein NS-Mordprogramm, das die Nazis mit dem euphemistischen Ausdruck „Euthanasie“ (guter, süßer, auch „schöner Tod“) belegten und das 1939 mit der Ermordung von mindestens 5000 vermeintlich erbkranken und kognitiv oder körperlich beeinträchtigten Säuglingen und Kindern eingeleitet wurde. Danach fielen ab Januar 1940 dem heute meist nach der Zentralstelle in der Berliner Tiergartenstraße 4 als „Aktion T4“ bezeichneten Mordprogramm über 70.000 PsychiatriepatientInnen und AnstaltsbewohnerInnen zum Opfer. Sie wurden vergast.
Nachdem dieses „Euthanasie“-Programm im August 1941 infolge öffentlicher, vor allem kirchlicher Proteste offiziell eingestellt wurde, lief das Morden im Rahmen „dezentraler Euthanasie“-Maßnahmen durch systematisches Verhungernlassen, die Überdosierung von Medikamenten und die Verabreichung von Todesspritzen bis kurz vor dem Zusammenbruch des NS-Regimes weiter und forderte neueren Forschungen zufolge weitere bis zu 230.000 Tote.
Die immer noch ausstehende vollständige Anerkennung der Opfer
Wenn auch auf Beschluss des Bundestags für die Opfer dieser Verbrechen am historischen Ort der Täter in der Berliner Tiergartenstraße im September 2014 ein sichtbarer Gedenkort eingeweiht wurde, sind die circa 300.000 Toten des NS-„Euthanasie“-Programms und die circa 400.000 zwangssterilisierten Frauen und Männer rechtlich noch immer Opfer zweiter Klasse.
Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ wurde nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes zunächst nicht als typisches NS-Unrecht eingestuft – was die Voraussetzung für Entschädigungsansprüche gewesen wäre. Das Bundesentschädigungsgesetz von 1956 schloss Zwangssterilisierte und Betroffene der „NS-Euthanasie“, die durch den nationalsozialistischen Massenmord an Kranken, Behinderten und sozial Stigmatisierten ihre nächsten Angehörigen verloren haben, explizit aus. Erst ab 1980 konnten Zwangssterilisierte Einmalzahlungen und monatliche Beihilfen als sogenannte Härteleistungen beantragen, „Euthanasie“-Geschädigte hingegen erst seit dem Jahr 1988. Sie alle tragen zudem schwer an dem Vorurteil, sie selbst oder ihre Familien seien „minderwertig“ oder „lebensunwert“ gewesen.
Noch immer ist das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“, das den Nazis als Grundlage für die zwangsweise „Unfruchtbarmachung“ vermeintlich „erbkranker“ Menschen diente, nicht für nichtig erklärt worden. Obwohl die Sterilisationsurteile der ehemaligen Erbgesundheitsgerichte 1998 aufgehoben wurden, beschloss der Deutsche Bundestag im Jahr 2007 lediglich die Ächtung des Gesetzes als „nationalsozialistisches Unrecht“.
Eines der „beschämendsten Kapitel in der deutschen Geschichte“
Auf Antrag der Fraktion Die Linke trat nun am 26. September 2022 der Kulturausschuss des Bundestags zu einer Experten-Anhörung zusammen. Der Ausschuss hatte dazu den Historiker Prof. Dr. Wolfgang Benz, den Arzt und Psychiater Prof. Dr. Michael von Cranach, Dr. Ute Hoffmann von der Gedenkstätte für die Opfer der NS-„Euthanasie“ Bernburg, Jan Erik Schulte von der Gedenkstätte Hadamar und die frühere Bundesgesundheitsministerin und ehemalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, Ulla Schmidt von der Bundesvereinigung Lebenshilfe, geladen.
Wolfgang Benz zeigte nicht nur die Dimension dieser Verbrechen auf, sondern betonte in seiner Stellungnahme auch, dass diese den Beginn einer Bevölkerungspolitik durch systematischen Massenmord darstellten: Die Erfahrungen und das Personal der „Aktion T4“ wurden bereits wenig später, im Jahr 1942, in den Vernichtungslagern Bełżec, Sobibór und Treblinka auf polnischem Gebiet bei der „Endlösung der Judenfrage“ eingesetzt. Ausführlich erläuterte er anhand vieler Beispiele, wie sich die Akteure dieser Programme im zivilen Leben nach dem Zusammenbruch der NS-Herrschaft wieder sehr gut einrichten konnten und als Lehrstuhlinhaber oder Institutsleiter in der Bundesrepublik hochdekoriert waren.
Michael von Cranach, der als einer der ersten deutschen Klinikdirektoren damit begann, die Geschichte der NS-Psychiatrie-Verbrechen anhand erhaltener Unterlagen aus Kaufbeuren und Kloster Irsee aufzuarbeiten, warnte vor der Gefahr, die aus der Verkürzung der Aufbewahrungsfrist für Kranken- und Verwaltungsakten aus der NS-Zeit entstanden sei: Es müsse dringend ein Verbot für die Vernichtung dieser Akten durchgesetzt werden, da ansonsten die weitere historische Erforschung dieser NS-Verbrechen kaum mehr möglich sei.
Dass es keinen einzigen Grund gebe, die Opfer von „Euthanasie“ und Zwangssterilisation nicht als Opfer des Nationalsozialismus anzuerkennen, dass ihre Schicksale verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gerückt und in der historischen Aufarbeitung berücksichtigt werden müssen, war auch das einhellige Votum der BerichterstatterInnen aller Fraktionen im Ausschuss. Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) aus Tübingen brachte es auf den Punkt, als sie von einem der „beschämendsten Kapitel in der deutschen Geschichte“ sprach.
Und der Stadt Konstanz nicht der Rede wert?
Wie wichtig die Auseinandersetzung mit diesem Thema ist, beweist die neue, erst im Juni 2022 eröffnete Dauerausstellung des städtischen Rosgartenmuseums „Konstanz im Nationalsozialismus 1933–1945“. Denn während die von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis getragene Initiative „Stolpersteine für Konstanz – Gegen Vergessen und Intoleranz“ bereits seit dem Jahr 2006 Stolpersteine für T4-Opfer und zwangssterilisierte Frauen und Männer verlegt, wird ihr Verfolgungsschicksal in der Ausstellung noch nicht einmal am Rande erwähnt; es wird schlichtweg ausgeblendet.
Dabei hat bereits Heinz Faulstich, von 1973 bis 1991 stellvertretender Direktor des Psychiatrischen Landeskrankenhaus Reichenau (heute Zentrum für Psychiatrie), in seinem 1993 erschienenen Werk „Von der Irrenfürsorge zur ‚Euthanasie’. Geschichte der badischen Psychiatrie bis 1945“ genau belegt, wie übereifrig das Konstanzer Erbgesundheitsgericht ans Werk ging. Das für die Bezirke der Amtsgerichte Konstanz, RadolfzeIl, Singen und Überlingen zuständige Gericht legte das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ mit besonderer Härte aus und veranlasste bis 1945 die Zwangssterilisation von 609 Männern und 499 Frauen.
Auch Jürgen Klöckler hat in seinem Beitrag zu „100 Jahre Eröffnung des heutigen Zentrums für Psychiatrie Reichenau“ im Jahr 2013 über Ferdinand Rechberg, der ab 1. April 1935 Leiter des staatlichen Gesundheitsamtes Konstanz und auch ärztlicher Beisitzer des Erbgesundheitsgerichts gewesen war, die beiden Instanzen so beschrieben: Sie „arbeiteten konsequent ‚dem Führer entgegen‘ mit dem ideologischen Ziel, die Zahl der sich ‚hemmungslos‘ fortpflanzenden ‚Ballastexistenzen‘ zu minimieren.“
Rechberg blieb auch nach 1945 seiner Linie treu und konnte in seinem Verhalten keinerlei Unrecht erkennen: „Die Lehre von der Vererbung, die dem Erbgesundheitsgesetz zu Grunde liegt, war und ist wissenschaftlich doch unbestreitbar und unbestritten.“ Was nicht verhinderte, dass Rechberg bereits 1950 wieder im Psychiatrischen Landeskrankenhaus Reichenau arbeiten konnte, dessen Leitung er 1954 auch übernahm.
All dies ist seit Jahrzehnten bekannt – wie auch die Tatsache, dass 508 Patientinnen und Patienten der Reichenau zwischen Mai 1940 und Februar 1941 in den Tötungsanstalten Grafeneck und Hadamar ermordet wurden.
Längst ist auch der 1990 im ehemaligen „NS-Archiv“ des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR entdeckte „Bestand R 179 Kanzlei des Führers, Hauptamt II b“ mit 30.000 PatientInnenakten der T4-Aktion online zugänglich. (Die übrigen 40.000 Akten gelten als vernichtet.) Informationen hätten damit zur Genüge vorgelegen, auch viele Konstanzer Opferbiografien.
Doch während in Tübingen seit dem Jahr 2016 der „Geschichtspfad zum Nationalsozialismus“ mit einer Info-Stele vor der Nervenklinik an die dort vorgenommenen Zwangssterilisationen erinnert und in Ulm im Oktober 2019 vor dem Landgericht eine Gedenkstätte für Zwangssterilisierte und die Opfer der „Euthanasie“-Morde errichtet wurde, der Bodenseekreis und die Stadt Ravensburg entsprechende Projekte initiiert und Opferbücher online gestellt haben, blendet die Stadt Konstanz in ihrer NS-Ausstellung diese Opfergruppe völlig aus.
Das ist angesichts der großen Anzahl der an Konstanzern und Konstanzerinnen verübten sogenannten Krankenmorde und den über tausend vom Erbgesundheitsgericht Konstanz verfügten Zwangssterilisationen eine schwer zu vermittelnde Auslassung.
Es ist eines, sich im Gegensatz zu anderen Städten vergleichbarer Größe und NS-Belastung nicht für die Errichtung einer entsprechenden Gedenkstätte einzusetzen. Etwas vollkommen anderes ist jedoch der Versuch der Verantwortlichen der Stadt Konstanz, diese Opfergruppe im Jahr 2022 aus der Konstanzer Stadtgeschichte vollkommen tilgen zu wollen. Dass die Dokumentation ihrer Schicksale fehlt, dürfte zwar vielen Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung – darunter auch ganze Schulklassen – mangels entsprechendem Vorwissen gar nicht auffallen. Wie aber mögen sich die Nachfahren dieser Opfer fühlen, die schmerzhaft erkennen müssen, dass der Mord an ihrer Oma, ihrem Opa, ihrer Großtante oder ihrem Großonkel anscheinend nicht der Rede wert ist?
Dazu noch einmal Wolfgang Benz in seiner Stellungnahme vor dem Kulturausschuss des Deutschen Bundestags: „Zur verweigerten Erinnerung an die Opfer kam das geleugnete Leid, geleugnet durch politische, justizielle und administrative Ignoranz, durch fehlende menschliche Sensibilität. […] Die verweigerte Erinnerung wurde zur zweiten Diskriminierung.“
Sabine Bade (Text und Fotos)
Sehr geehrter Herr Dr. Enegelsing, als Enkel einer im Rahmen der T-4-Krankentötungs-Aktion umgebrachten Patientin bin ich zutiefst empört über Ihre oberflächlich- ablenkende Erklärung, das Verschweigen dieser fürchterlichen, barbarischen Tötungen in Ihrer Ausstellung sei dem Platzmangel geschuldet. Eine so erbärmliche „Entschuldigung“ eines gravierenden, geschichtsverfälschenden Fehlers ist nicht zu akzeptieren und nicht zu verzeihen.
Dr. med. Albrecht Dapp, Spaichingen
Es ist in der Tat ziemlich befremdlich der Autorin Bösartigkeit zu unterstellen, die völlig zu Recht auf die offensichtliche Lücke in der Austellung sachkundig und kompetent hinweist. Den Opfern der Zwangssterilisierungen und der sog. „Euthanasie“, auch bei geringem Platzangebot den zwingend nötigen Platz nicht einzuräumen, ist ein schweres Versäumnis. Nur auf die „digitalen Vertiefungsangebote“ und auf evt. Führungen hinzuweisen ist eindeutig zu wenig. Mit dem nötigen Willen, findet sich bestimmt eine Möglichkeit die Austellung noch zu ergänzen.
Wie man Sabine Bades fundierten Beitrag als „menschlich bösartig“ empfinden kann, verstehe ich nicht. Ist es nicht zutiefst human, auf vergessene Schicksale von NS-Opfern aufmerksam zu machen? Oder kann da jemand Kritik nicht vertragen?
Werter Herr Dr. Engelsing,
Ich muss Ihnen ganz eindeutig widersprechen:
Keine einzige (!) der vielen Schautafeln vermittelt Informationen über die über tausend Frauen, Männer und Kinder, die bei uns Opfer von Zwangssterilisationen und Vergasungen im Rahmen der T4-Aktion wurden, kein einziges (!) der vielen historischen Fotos, kein einziges (!) Exponat / Objekt in einer der Vitrinen.
Wovon sich, nebenbei bemerkt, auch jede Besucherin und jeder Besucher der Ausstellung selbst ein Bild machen kann.
Nichts, rein gar nichts beleuchtet in der Ausstellung die beteiligten Konstanzer Instanzen (Gesundheitsamt, Erbgesundheitsgericht, Amtsgericht, Jugendamt etc.), die in diese Verbrechen nicht nur tief verstrickt waren, sondern sie mit aller Vehemenz durchsetzten. Ebenso wie Informationen über all die namentlich sehr wohl bekannten Konstanzer Täter in örtlichen Ämtern und Kliniken, in denen Zwangsterilisationen durchgeführt wurden, fehlen – die im Konstanz der Nachkriegszeit wieder zu Amt und Würden kamen, obwohl sie vorher selbst überlastete Konstanzer Frauen und Mütter mit fadenscheinigsten Diagnosen in den Tod schickten.
Auch in der durchaus irritierend zu nennenden Aufzählung der Personenkreise, die es einzig und allein nicht „gut hatten in Hitlers Reich“, fehlt unverständlicherweise jeglicher Hinweis auf kranke, geistig, körperlich und seelisch beeinträchtigte Menschen.
Und wenn auch meine Suche nach dem Fall der zwangssterilisierten „20-jährigen Konstanzerin“, auf den in Ausstellungsankündigungen und der Homepage des Rosgartenmuseums hingewiesen wird, bisher erfolglos blieb, so fand ich letztlich dann doch noch einen Touchscreen, nach dessen Berührung (denn kein äußerer Hinweis deutet darauf hin!) beim Thema „Repressionen im Alltag“ – Anmerkungen zu dieser Verharmlosung menschlichen Leids erübrigen sich – einige wenige Zeilen über den Fall der zwangssterilisierten 17-jährigen Gertrud G. zu lesen sind. Falls man sie denn findet.
Während ihrem Schicksal (damals noch als „Gertrud T. aus Egg“ bezeichnet) in der alten Dauerausstellung noch eine Schautafel gewidmet war, die BesucherInnen auch sehen konnten, ist es nun nur noch nach akribischer Spurensuche in den Tiefen dieses „digitalen Vertiefungsangebotes“ zu entdecken. Wobei im übrigen auch nur „vertieft“ werden kann, was in der Ausstellung sichtbar ist.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Bade
Die Behauptung der Autorin Sabine Bade, die neue Ausstellung im Rosgartenmuseum zur Lokalgeschichte des Nationalsozialismus blende das Leid von Konstanzer Eugenik-Opfern völlig aus und erwähne deren Verfolgungsgeschichte „noch nicht einmal am Rande“ ist sachlich unzutreffend: Im Kapitel der Ausstellung über den Verfolgungsapparat finden sich in den digitalen Vertiefungsangeboten zwei berührende biografische Geschichten zur sogenannten Zwangssterilisierung.
Diese Darstellung folgt dem Grundansatz der Ausstellung, jüngeren Besucherinnen und Besuchern fern erscheinende historische Fakten an anschaulichen biografischen Beispielen nahe zu bringen.
Dass wir in dieser Ausstellung bedeutend mehr zu vielen Einzelaspekten des Nationalsozialismus in und um Konstanz hätten erzählen und zeigen können, ist allgemein richtig. Es stand dem Städtischen Museum aber nur dieser eine 250 Quadratmeter kleine Raum als Ausstellungsfläche für dieses Kapitel der Stadtgeschichte zur Verfügung. Der lange geforderte Neubau von Ausstellungsflächen auch für die Museen ist durch die aktuelle Finanzkrise jedoch erneut in weite Ferne gerückt.
Aus der nur kursorischen Behandlung eines Aspekts der weit gespannten NS-Geschichte den Vorwurf zu konstruieren, das Museumsteam blende ein wichtiges Thema der NS-Verfolgungsgeschichte vorsätzlich aus und dieses Thema sei uns „nicht der Rede wert“, ist fachlich absurd und menschlich bösartig.
Gerne aber benutzen wir die Kritik an der strukturbedingten Lückenhaftigkeit einer solchen Ausstellung – die T-4-Aktion und die Rolle des Landeskrankenhauses Reichenau können etwa nur in Führungen berücksichtigt werden – um Verwaltung und Gemeinderat erneut den Mangel an Ausstellungsfläche zur Darstellung der Zeitgeschichte zu verdeutlichen.
Dr. Tobias Engelsing
Direktor der Städtischen Museen