Von der Digitalisierung 1.5 auf die Überholspur
Ich war schon auf vielen städtischen Websites, doch Konstanz schlägt sie fast alle. Nirgendwo sonst finde ich das, was ich suche, derart schlecht wie eben auf www.konstanz.de.
Die Strukturen kaum verständlich, die Informationen so versteckt und die Homepage mittlerweile mit Buttons und Icons vollgestopft, dass es symptomatisch und irgendwie für Konstanz doch auch so treffend erscheint, wenn versucht wird, mit modernen Apps und Meldesystemen für die Bürger einem uralten und lustlosen System einen Anstrich zu verpassen, der an der eigentlichen Problematik aber nichts ändert: Die Stadt jagt der Konkurrenz der Kommunen im ganzen Land hinterher, wenn es um die Möglichkeiten dessen geht, was die heutige Technik bieten würde.
Doch anscheinend bestand über lange Zeit nicht einmal das Interesse, die Jagd überhaupt auch aufzunehmen. Da dümpelte eine Homepage dahin, die eine Freundin von mir mit viel Hintergrundwissen über die Gestaltung von Webseiten aus dem Norden vor kurzem beim ersten Anblick recht trefflich beschrieb: „Ziemlich abgefrackt, dieses Ding…“.
Konstanz – auch digital am Ende der Welt
Eine konzeptlose und irgendwie auch sinnfreie Aneinanderreihung von Services, die wir heute auf der Startseite finden, steht stellvertretend für so viele Mängel, die den zuständigen Ämtern bekannt sind und an denen auch schon länger gearbeitet wird. Und doch entsteht der Eindruck, dass unser Konstanz eben nicht nur am Ende der Welt liegt, sondern sich in vielen Bereichen auch so verhält.
Eine bürgerfreundliche Webpräsenz, die Ansprechpartner anschaulich aufzeigt, die dabei hilft, Antworten auf das persönliche Anliegen in wenigen Klicks zu finden, die eine Suchmaschine derartig gestaltet, dass die Ergebnisse mich auch wirklich weiterbringen, die Unterseiten so benennt, dass ich dahinter auch das finde, was ich vermute.
Ich muss dabei nicht einmal in die Tiefe einsteigen und versuchen, archivarische Dokumente suchen zu wollen. Es genügt, wenn ich beispielsweise auf den Umweltseiten großflächige Verordnungen von Ministerien entdecke, obwohl ich doch eigentlich nur wissen möchte, wer meine Kontaktperson für den Baumschnitt ist. Oder im Sozialbereich die Texte des Landes sehe, die mir aber noch immer nicht durchgängige Hilfestellung bei meiner Antragstellung bieten. Und gerade dort, wo es um Bürgerbeteiligung geht, offenbaren sich Lücken in Protokollen oder Dateiensammlungen – auch deshalb, weil es nicht gelungen ist, das „ALLRIS“ bis heute für alle Daten zentral zu nutzen.
Trends jahrelang verschlafen?
Stattdessen glänzt die Website mit oftmals unvollständigen und wenig aktualisierten Inhalten, läßt kein wirkliches Konzept in der Ordnung der Unterseiten erkennen, spart gerade bei Ämterangaben wesentliche Details aus und präsentiert stattdessen überholte Standardtexte bei gleichzeitig stellvertretenden Grafiken, die sich allemal durch ihren antiken Gehalt vom restlichen Umfeld abgrenzen lassen. Ich vermisse den informativen Mehrwert, den ich von einer offiziellen Präsenz erhoffe. Dagegen sind viele Webseiten, auf die das Konstanzer Stadtportal verweist, in einem deutlich besseren Zustand, gepflegter und dem Stand der Informationstechnik viel näher als die „Mutterseite“ selbst.
Das ist nicht nur peinlich, sondern wird auch zum Problem, wenn es um eine Lösung geht. Mittlerweile scheint man erkannt zu haben, dass lediglich eine radikale Erneuerung des Angebots die Fehler wieder wettmachen kann, die sich durch jahrelanges Verschlafen der zeitgemäßen Trends eingeschlichen haben. Gerade öffentliche Seiten sind dem Anspruch unterstellt, der ständigen Dynamik der Entwicklung im IT-Wesen auch aufmerksam zu lauschen. Aus politischen oder verwaltungstechnischen Gründen, weil man anderweitig befasst war oder einfach nicht erkannt hat, welche Bedeutung heute eine ordentliche Webpräsenz für das Ansehen einer Stadt besitzt, hat die Rückständigkeit erschreckende Dimensionen erreicht.
Auf dem Bürgerbüro dauert es auch nicht länger
Doch nun soll alles anders werden. Der Gemeinderat möge beschließen, den Weg für die Teilnahme an einem Wettbewerb freizumachen, aus dem Konstanz als die „digitale Vorzeigestadt“ hervor geht. So gab es das Pressebüro dieser Tage bekannt. Ja, haben wir denn schon den 1. April? Auferstanden aus den verbliebenen IT-Ruinen der Anfänge des „World Wide Web“, als statische Webpräsenzen noch ein Garant für Fortschrittlichkeit waren und es ein Gewinn für die Bevölkerung schien, wenn sie nach dreieinhalb Stunden die Nachricht im Dschungel der Verlinkungen plötzlich erfuhr, dass sie ungefähr dieselbe Zeit im Bürgerbüro auf den nächsten freien Platz in der Schlange des Schalters warten muss.
Ja, man wird sich auf einen kompletten Umbruch einlassen müssen, um die zu überholen, die schon kilometerweit voraus sind – und selbst auch nicht träumen. Denn Digitalisierung bedeutet heute nicht nur, dass ich aktuelle Inhalte biete. Es geht um Systeme, die sich an die Gewohnheiten der Menschen anpassen. Um Webseiten, die sich in Form, Größe und Anordnung einem Smartphone, einem Tablet oder einem Laptop unterwerfen – und gleichzeitig auch auf dem PC zuhause in optimaler Qualität und auch Vollständigkeit gelesen und genutzt werden können. „Responsive Web Design“, das sich mit der Herausforderung von Barrierefreiheit und möglichst viel an virtuellem und insbesondere multimedialem Content verbindet – und dabei die Möglichkeiten ausnutzt, die eine „digitale Vorzeigestadt“ auch gut gebrauchen kann.
In diesem Sinne: Ho Narro!
Denn wie wunderbar wäre es, wenn künftig die Informationstafel, die aktuell und testweise die Abfahrten der Busse an der Haltestelle der „Stadtwerke“ wie in der Großstadt anzeigt, direkt auf die städtische Webseite übertragen würde, um dort auch die Ankunft der nächsten Seilbahn über dem Münster kundzutun? Oder eine App sich immer dann lautstark zu Wort meldet, wenn trotz idealer Berechnungen doch wieder ein Stadtbus im „C-Konzept“ der Altstadt hängen geblieben ist? Nur ein Klick genügt, um beim nächsten Bürgerentscheid über den Abriss des „Bodenseeforums“ mithilfe von einem einzigen Klick auf „Gefällt mir“ entscheiden zu können? Am Architektenentwurf für das „Vincentius-Areal“ mit dem installierten Grafikprogramm der Stadt eine echte Bürgerbeteiligung erlaubt ist, indem jeder sein eigenes Zimmer kreieren kann? Ich per Sprachaufruf den Antrag auf Wohngeld öffnen kann, der mir zwar automatisch meine persönlichen Daten einträgt, das Programm mir aber zurückmeldet, dass die Mieten in Konstanz noch zu gering sind, um wenigstens ein paar Euro zu erhalten? Und ich mir auf Knopfdruck auf der Startseite der Stadt durch einen 3D-Drucker den „To-Go Becher“ direkt selbst fertigen lassen kann, den ich beim Glasverbot zur Fastnacht dann mit auf die Marktstätte nehme? In diesem Sinne: Ho Narro!
Dennis Riehle