Von der erhellenden Wirkung der Bebauungspläne
Wie macht man einen Gemeinderat so kirre, dass der nicht mehr weiß. worüber er überhaupt abstimmen soll? Mit einem Bebauungsplan natürlich! Das weiß Dompteur OB Horst Frank, und wenn es darum geht, irgendwo noch ein paar Bauten hinzuklotzen, legt er seinen Kopf gern mal in den Rachen des Löwen, sprich des Gemeinderates, der dann allerdings plötzlich Beißhemmung kriegt. Aber auch sonst bot der Konstanzer Gemeinderat in seiner Sitzung am 3. Mai einige gute Showeinlagen.
Bagger marsch
Die Bürgerfragestunde wurde dieses Mal zu einem Highlight des Abends, denn Rudy Haenel rief in einer sehr emotionalen Rede im Namen einer Initiative von Cherisy-Bewohnern sehr eindringlich dazu auf, der vorliegenden 4. Änderung des Bebauungsplans Cherisy nicht zuzustimmen. Er warnte vor allem davor, dass die geplanten neuen Studentenwohnungen und Gewerbeflächen zu noch mehr Verkehr auf dem ohnehin schon verkehrsreichen Gelände führen würden; Verkehr, der nicht zuletzt für die dort spielenden Kinder und alte Menschen gefährlich sei. Insbesondere bestritt er die Notwendigkeit weiterer Tiefgaragenplätze, da Studenten die ohnehin nicht bezahlen könnten und die auf dem Gelände schon vorhandenen Plätze zur Hälfte ungenutzt blieben. Er betonte ausdrücklich, dass er nicht prinzipiell gegen Studentenwohnungen sei, sondern gegen diese Art privat finanzierter Studentenwohnungen. Vor allem aber forderte er den Rat auf zu verhindern, dass die Investoren diese Wohnungen in ein paar Jahren umwidmen und dann als Eigentumswohnungen verkaufen können. Genützt hat sein Engagement nichts. Beinahe einhellig beschloss der Rat die Änderung des Bebauungsplanes, und so dürften denn in absehbarer Zeit in der Cherisy die Bagger anrücken.
Bebauungspläne können aber auch Spaß machen, und den hatte OB Horst Frank sichtlich, als er den komplett überforderten Gemeinderat in Sachen Alpsteinweg/Zur Torkel vorführte und mit ein wenig Paragraphenreiterei vor sich hertrieb, um zu erreichen, dass jetzt auch schon über die Zukunft der Christiani-Wiese mit abgestimmt wurde, während die meisten Volksvertreter wohl davon ausgingen, dass an diesem Tag nur über ein anderes Gelände beschlossen werden sollte. Totale Konfusion, niemand wusste mehr, worum es überhaupt ging, und der alte Hase Jürgen Leipold (SPD) traf den Nagel wohl auf den Kopf, als er feststellte, die Verwaltung wolle hier offenkundig etwas durchdrücken – im Interesse der Bauherren, darf man getrost vermuten.
Viel Lärm um die Musik
Alexander Stiegeler (FWG) hat besonders empfindliche Ohren, wie sich das für einen künstlerisch veranlagten Menschen ja auch gehört. Und so hört er denn nicht nur gelegentlich das politische Gras wachsen, sondern vernimmt vor allem ruhestörenden Lärm allerorten, und das selbst nach 22 Uhr, weshalb er die Verwaltung um eine Offenlage des Lärmschutzkonzeptes und der Ausnahmegenehmigungen für Freiluft-Musikveranstaltungen ersucht hatte. Er selbst forderte die Menschen dazu auf, sich doch zu leisen Unplugged-Klängen oder zur Kammermusik zu bekehren, und man kann sich gut vorstellen, dass dieser feinsinnige Mensch auch deshalb im Kunstleben der Stadt so aktiv ist, weil Bilder keine Musik machen.
Man ahnt es schon: Die Genehmigungslage für Ereignisse mit Musik ist denkbar kompliziert. Es gibt zahlreiche Nutzungswünsche von allen Seiten, und dem steht ein durchaus restriktives Recht gegenüber – so darf es laut Hans-Rudi Fischer, dem Leiter des Bürgeramtes, gemäß der Freizeitlärmrichtlinie nur 15 mal jährlich abends lauter werden. Die Verwaltung benötigt wohl ein ausgeprägtes Fingerspitzengefühl, um zwischen Brauchtums-, einmaligen und seltenen Ereignissen zu unterscheiden, und man bekommt als Zuhörer richtiggehend Mitleid mit den Menschen, die sich all diese Richtlinien ausgedacht haben: Die wurden von den anderen Kindern sicher nicht mit in den Sandkasten gelassen …
Bürger gegen Straßenumbenennung
Ebenso wie es immer wieder Beschwerden wegen Lärms gibt, murren auch die Bewohner der von-Emmich-Straße, die ja in Georges-Ferber-Straße umbenannt werden soll. Eine solche Umbenennung bringt natürlich Kosten und Lauferei mit sich – man braucht neues Briefpapier, muss verschiedene Einträge ändern, Abonnements auf die neue Adresse umstellen und Unterlagen umschreiben lassen. Einige Rätinnen und Räte gaben sich denn zumindest zerknirscht, nicht wegen der Umbenennung, die sie weiterhin für richtig halten, sondern weil sie die Bürger nicht vorher gehört und über deren Köpfe hinweg entschieden haben. Insbesondere Werner Allweiss (FGL) zeigte sich schuldbewusst und forderte eine Informationsveranstaltung für die Betroffenen und nach Möglichkeit eine Kostenübernahme durch die Stadt. OB Horst Frank wandte dagegen ein, dass eine solche Veranstaltung wenig Sinn mache, wenn eh schon vorher feststeht, dass die Straße umbenannt wird. Man einigte sich denn darauf, denn Beschluss vorläufig noch nicht zu veröffentlichen und damit erst mal noch nicht rechtsgültig werden zu lassen.
Wie viel Öffentlichkeit verträgt ein Gemeinderat?
Man sollte denken, die Gemeinderäte wären froh, wenn möglichst viele Menschen ihre Debatten zur Kenntnis nehmen. Ganz so einfach ist das aber nicht. Jedenfalls gingen die Überlegungen, die öffentlichen Sitzungen des Rates in Zukunft live im Internet zu übertragen, in eine neue Runde, und da wurde schnell klar, dass es eine ganze Reihe juristischer wie politischer Bedenken gibt. Neben den Persönlichkeitsrechten der Rätinnen und Räte werden auch Fragen des Urheberrechts sowie der Funktionsfähigkeit des Gemeinderates berührt, und man verfängt sich schnell in einem juristischen Dickicht, was den Laien umso mehr überrascht, als die Sitzungen ja ohnehin größtenteils öffentlich sind.
So riefen denn manche Räte gar nach einer Klärung durch den Städtetag, und Roger Tscheulin (CDU) schlug vor, die Sitzungen erst mal ein Jahr zur Probe zu übertragen. Offen blieb dabei, ob komplette Sitzungen übertragen werden sollen oder nur einzelne, vermutlich besonders interessante Themen, wer auch immer die auswählt. Na ja, und kosten soll die Übertragung die Stadt möglichst auch nichts, weshalb es Heinrich Everke (FDP) begrüßte, dass der Südkurier die Übertragungen übernimmt, vielleicht flankiert von zwei oder drei anderen Medien, damit es Konkurrenz gibt. Das kam aber nicht bei allen Räten und Rätinnen gut an. Holger Reile (Linke Liste) sieht die Stadt in der Pflicht, denn ein privater Anbieter wie der Südkurier werde die Redebeiträge unter Umständen so zusammen schneiden, dass man sie womöglich nicht mehr wiedererkenne. Auch Andreas Ellegast (CDU) fürchtet die sinnentstellende Bearbeitung durch die Medien, weshalb er salomonisch vorschlug, doch die Finger von dem ganzen Projekt zu lassen, bis es andere Gemeinden ausprobiert haben. Mit großer Mehrheit beschloss der Rat schließlich eine Pilotphase, in der von Juni bis zum Jahresende live aus dem Gemeinderat übertragen wird.
Allerdings – und hier ist die Fantasie der Wirtschaftspolitiker von Freien Wählern und FWG besonders gefordert – hat der Rat die Möglichkeiten der Liveübertragungen der Sitzungen noch nicht ganz zu Ende gedacht. Hier sind doch nicht nur miesepetrig Kosten zu befürchten, nein, man muss doch auch mal die üppigen Gewinnchancen sehen! Denn mit diesen Übertragungen lässt sich (man denke nur an die Bundesligarechte) sogar viel Geld verdienen. Die FWG könnte schmucke Werbekäppis „Konstanzer kaufen nur bei Konstanzern“ aufsetzen, die CDU in Ruppaner-Leibchen einlaufen oder sich nach jedem prickelnden Redebeitrag ihres Vordenkers Alexander Fecker ausgelassen mit Spitalsekt zuprosten, und die Linke könnte etwas für die Stadtkasse tun, indem sie sich in grellrote T-Shirts „Rot wählen – Schwarz rauchen! Roth-Händle“ zwängt.
Autor: O. Pugliese