Von Elchen und Kritikern

seemoz-Everke (2)1,85 Millionen Euro investiert die Stadt Konstanz in die Erweiterung eines Depots für die städtischen Museen, das beschloss der Gemeinderat in seiner letzten Sitzung. Diese Entscheidung kritisierte recht deutlich Stadtrat Heinrich Everke (Foto), der mit literarischem Schmackes die rührende Geschichte eines Elchkopfes erzählte, der selbst für Begüterte wie ihn nicht zu kaufen ist. Nicht mal für Geld.

Zumindest ein Freund von Heinrich Everke (FDP) ist zu beneiden: Er besitzt ein großes Haus und hat schon alles, was man sich nur denken kann. So erzählte es jedenfalls Everke dem Gemeinderat, und man kann ihm als FDPler durchaus Glauben schenken, dass er wirklich solche Freunde hat. Vielleicht sogar zuhauf, aber auf deren Zahl kommt es nun wirklich nicht an. Einer langt.

Everke selbst hingegen war jüngst weitaus weniger beneidenswert, er befand sich gar in einer richtig misslichen Situation: Er wusste nämlich partout nicht, was er besagtem Freund noch schenken könne, wo der doch schon alles hat. Und da fiel Everke ein, dass er im Depot der städtischen Museen mal einige ausgestopfte Elchköpfe sah. Also rief er beim Museum an und erbot sich, einen dieser Elchköpfe, die niemals jemand brauchen wird, zu kaufen, um selbigen Kopf seinem Freund zu schenken. Die Stadt würde einen Staubfänger los und kriegte dafür Bargeld, und Heinrich Everke könnte seinem Freund, der eigentlich schon alles hat, etwas schenken, was der noch nicht hat. Brillante Idee. Public-Private-Partnership, Win-win, Teaparty mit Champagner und Happy End oder so.

Nix da!

Das geht aber nicht, wie Everke vom Museum erfuhr. Was der Stadt gehört, wird weder verkauft noch weggeworfen, und wenn’s nur der Zehennagel vom dritten Daumen der Heiligen Katharina von Wollmatingen wäre. Wie viel weniger dann ein Elchkopf, zumal der Elch den nun wirklich nicht mehr braucht. Sonst übrigens auch niemand.

Armer Elch!

Bis die Würmer kommen

Außerdem hat Everke bei einer Begehung des Museums-Depots unter anderem auch eine Sammlung mittelalterlicher Holztüren, die niemals jemand ausstellen wird, sowie andere Stücke entdeckt, die voraussichtlich im Depot bis ans Ende ihrer oder unser aller Tage versauern werden. Da will es ihm nicht recht in den Kopf, dass die Stadt jetzt 1,85 Millionen Euro für „Neubau und Ertüchtigung des zentralen Kunstdepots der städtischen Museen Konstanz“ (so die Beschlussvorlage) im Industriegebiet ausgeben will, statt einen Teil des Plunders einfach wegzuwerfen – oder zu verkaufen, etwa an Leute wie ihn, die doch noch verzweifelt ein ausgefallenes Geschenk suchen.

Das Museum als Flohmarkt also?

Laut Verwaltung sind die „städtischen Museen erfolgreiche Sammler, jährlich wachsen die Bestände um teils bedeutende Zugänge, vor allem durch Schenkungen, Vermächtnisse und Erbschaften.“ Sie werden also wachsen und wachsen und wachsen, bis Konstanz ein einziges Depot ist, eine Landkarte seiner Vergangenheit im Maßstab 1:1. Abgänge gibt es wohl nur aus natürlichen Gründen wie Zerfall, wie dem mahlenden Kiefer des Holzwurms oder dem nagenden Biss des Schimmelpilzes.

Das wird teuer

Heinrich Everke sieht diese Situation weniger euphorisch: „Langsam wird das für die Stadt richtig teuer. Was wir geschenkt kriegen, müssen wir annehmen und für Jahrhunderte aufbewahren, auch wenn wir’s niemals brauchen, und das kostet.“ Das passt ihm als sparsamem Volksvertreter natürlich nicht. Trotzdem stimmte der Gemeinderat mit einer Gegenstimme (der von Everke, da ist er als Liberaler konsequent) geschlossen für das neue Depot.

Unter uns: Rein privat erfüllt mich das neue Depot der Museen mit Neid. Jeder schenkt mir Bücher, aber niemand Bücherregale. Gemein, gell?

O. Pugliese