Von Erblassern und mildtätigen Stiftungen
Ums liebe Geld ging es in der letzten Gemeinderatssitzung auch in einem Tagesordnungspunkt, der aufgrund seiner Nähe zum Tod emotional anrührend ist: Was tun mit den Schenkungen und Hinterlassenschaften von Bürgern in Zeiten, in denen die Zinsen so niedrig sind, dass das angelegte Kapital praktisch keine Rendite für den guten Zweck mehr abwirft? Soll das Kapital auf einmal zweckgebunden ausgegeben werden – oder macht die Stadt weiter wie bisher und hofft auf höhere Zinsen?
Es gibt immer wieder Bürger, die sich ihrer (zumeist Heimat-)Stadt so nahe fühlen, dass sie sie testamentarisch in der einen oder anderen Form mit Geld oder anderen Vermögenswerten bedenken. Dies wird oft mit der Forderung verbunden, das Geld nur für einen bestimmten Zweck einzusetzen. Dahinter steht einerseits das Bedürfnis, Gutes zu tun, und andererseits die Hoffnung, so zumindest ein wenig im Gedächtnis seiner Mitmenschen fortzuleben.
Für die Stadt ist das natürlich ein willkommener Zustupf, auch wenn er angesichts anderer Haushaltszahlen eher unscheinbar daherkommt: „Die Stadt Konstanz verwaltet derzeit ein Vermögen in Höhe von 1.479.750 € aus elf verschiedenen Stiftungen, Erbschaften, Vermächtnissen und einer Schenkung,“ heißt es in der Vorlage für den Gemeinderat. Zum Vergleich: In diesem Jahr erwartet die Stadt 42 Millionen Euro an Gewerbesteuereinnahmen, und für das Personal wurden im aktuellen Etat 52 Millionen Euro veranschlagt.
Es geht hier also weniger um handfeste Finanzinteressen als vielmehr um eine Symbolpolitik, die die wechselseitige Verbundenheit zwischen einzelnen BürgerInnen und ihrer Stadt ausdrückt. Ein emotional sensibles Thema allemal, da es nicht nur um den letzten Willen Verstorbener geht, sondern auch an die eigene Sterblichkeit gemahnt.
Geld jetzt ausgeben?
Der Vorschlag der Verwaltung lautete: „Das Vermögen aus den nicht als Stiftung qualifizierten Erbschaften, Vermächtnissen und Schenkungen wird wie bei einer Stiftung im Bestand erhalten und nur die Erträge daraus werden für die entsprechenden Zwecke ausgeschüttet.“ Es ging bei der Debatte im Rat also nur um Gelder, die in einer bestimmten Rechtsform verwaltet werden.
Normalerweise ist es die Absicht solcher Hinterlassenschaften, das Kapital selbst unangetastet zu bewahren und für den zumeist guten Zweck dann alljährlich nur die Zinsen auszugeben. So können Stiftungen über Jahrhunderte mehr oder weniger Gutes tun (siehe die Spital- oder die Nobelpreisstiftung) und an StifterInnen erinnern, und beide Seiten haben ihr Wohlgefallen. Oder besser: Beide Seiten hatten ihr Wohlgefallen, denn in Zeiten niedriger oder gar negativer Zinsen bleibt da meist nicht mehr viel zu verteilen. Wenn man das Geld hingegen einmalig für den geplanten Zweck ausgibt, lässt sich damit für die Zukunft auch Verwaltungsarbeit sparen.
Eine emotionale Angelegenheit
Selbst Kämmerer Hartmut Rohloff dachte in der Debatte für einmal weniger ans Geld und stellte den emotionalen Aspekt in den Mittelpunkt: Stirbt die jährliche Ausschüttung, stirbt auch die Erinnerung an den, dessen Geld sie ermöglicht hat. Außerdem setzt er, der schon so manche Schwankungen an den Finanzmärkten miterlebt haben dürfte, darauf, dass die Zinsen irgendwann auch wieder steigen werden.
Die Gemeinderätinnen und -räte plädierten mit großer Mehrheit dafür, den letzten Willen der Hinterlassenden zu respektieren und die fraglichen Gelder nicht auszugeben, sondern auf bessere (Zins-) Zeiten zu hoffen. Heinrich Everke (FDP) führte die einer Bürgerstiftung ins Feld, der interessierte Bürger anstiften können. Er verspricht sich davon mehr Effektivität in der Stiftungsverwaltung. Hartmut Rohloff allerdings deutete an, dass die Stadt die Gelder bereits heute gemeinsam etwa bei der Wobak anlegt und daher nur wenig Verwaltungsaufwand treiben muss, egal um welche Summen und um wie viele Einzelbeträge es sich handelt. Trotzdem kündigte Oberbürgermeister Uli Burchardt an, dem Gemeinderat Anfang 2017 den Entwurf einer Bürgerstiftung vorzulegen.
Was wurde aus dem Geld?
Was aber hat die Stadt eigentlich in letzter Zeit mit dem Geld der Bürger getan, fragte Anke Schwede (LLK) die Verwaltung. Sie verwies darauf, dass etwa Herr Fritz Otto Weber die Stadt mit einem Vermächtnis von 12.225 € bedacht hat. Mit dem Geld sollten nach seinem Willen in der Stadt Ahorn-, Ginkgo- und Liquid-Amber-Bäume sowie Felsenbirnensträucher gepflanzt werden. „Wann und wo wurden diese Bäume gepflanzt?“, fragte Anke Schwede die Verwaltung. Außerdem wollte sie wissen, welcher Art die Zuwendungen aus sozial motivierten Vermächtnissen waren. Was also hat die Stadt bisher mit den Zinsen getan und wie viele Bedürftige und Arme konnten von den Geldern profitieren? „Für wie viele arme Menschen gab es zum Beispiel an Weihnachten gutes Schuhwerk und Kleidung, bezahlt mit den Erträgen der Dr.-Wilhelm-Dreher-Stiftung?“ In ihrer Frage schwang die Frage mit, ob die Stadt die Gelder nicht einfach nur verwaltet und die Zinsen anspart, ohne sich die Mühe zu machen, sie auch auszuschütten.
Als einziges Mitglied des Gemeinderates plädierte Anke Schwede dafür, die fraglichen Gelder in nächster Zeit auszugeben. „Da die meisten Stiftungen, Vermächtnisse und Erbschaften konkrete soziale Verwendungszwecke vorsehen, wäre es meines Erachtens angebracht, die Zuwendungen den begünstigten bedürftigen bzw. benachteiligten Personen zukommen zu lassen und die Summen aufzubrauchen. Ich denke, dies wäre auch im Sinne der Wohltäterinnen und Wohltäter, denen es offensichtlich darum ging, konkret mildtätig und sozial zu wirken. Dass die Erinnerung an sie so nicht aufrechterhalten werden kann, ist zu bedauern, aber meines Erachtens zweitrangig.“ Mit dieser Position stand sie ganz allein, und so wird die Stadt Konstanz das ihr anvertraute Kapital auch in Zukunft hüten wie ihren Augapfel.
Abzuwarten bleibt allerdings die Antwort der Verwaltung auf Anke Schwedes Fragen nach der bestimmungsgemäßen Mittelverwendung: Wo also stehen die geschenkten Liquid-Amber-Bäume und Felsenbirnensträucher, und wie viele Menschen durften sich in den letzten Jahren über neue Schuhe freuen?
O. Pugliese