Von Mäusen und Hinterzimmerrevoluzzern
Die Haushaltsberatungen stehen vor der Türe und die Konstanzer SPD lud zur Debatte. „Wer hält die Mäuse zusammen? Wofür die Stadt Geld hat und woher es kommt“. So der Titel des Abends im Barbarossa am vergangenen Freitag. Die Einschätzungen der aktuellen Haushaltslage gingen ziemlich weit auseinander. Geht es Konstanz gut oder eher schlecht? Bisweilen nahm die Diskussion sogar richtig Fahrt auf und sorgte für Stimmung in der Bude
Rund vierzig Interessierte waren gekommen, um sich schlau zu machen. Darunter viele aktive und ehemalige RätInnen, aber auch Stadttheater-Intendant Christoph Nix und Museumsdirektor Tobias Engelsing. Kaum auszumachen war der gemeine Homo Constanciensis, die Anwesenden hatten meist sozialdemokratischen Stallgeruch.
„Investitionsfähigkeit ab 2016 gefährdet“
Der langjährige SPD-Fraktionsassistent Winfried Kropp erklärte die Eckdaten und präsentierte die dazugehörigen Zahlen. Er tat das sachlich, ruhig und gut informiert. Vor allem die nötigen Investitionen im Bereich Kinderbetreuung, Kultur, Schule, und Sport würden „ständig steigen“. Noch, so der Referent, ginge die Rechnung halbwegs auf, aber bereits ab 2016 seien die vorhandenen Rücklagen „komplett aufgebraucht“. Konstanz lebe von vergangenen guten Jahren, in denen die Gewerbesteuereinnahmen von Takeda noch fürstlich sprudelten. Sein abschließendes Fazit: „Es ist bald vorbei mit der Insel der Seligen“. Das wollte Bürgermeister Andreas Osner so nicht stehen lassen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass man auch 2016 eine schwarze Null schreibe. Belegen konnte er das allerdings nicht, so sehr er sich auch mühte. Kropps Ausführungen hingegen kamen gut an und mehrmals wurde im Laufe des Abends von amtierenden MandatsträgerInnen erklärt: „Eine derart präzise Analyse hätten wir uns bei der angeblichen Haushaltsklausur im Juli am Schluchsee auch gewünscht“. Damals wurde der gesamte Rat über ein Wochenende in den Schwarzwald gekarrt. Kosten: rund 15 000 Euro. Allgemeiner Erkenntnisgewinn: Den teuren Betriebsausflug hätte man sich auch sparen können.
Starke Worte im vertrauten Kreis
Stadträtin Hanna Binder bekräftigte teilweise die Aussagen Kropps und verteidigte, ungewohnt deutlich im Ton, Investitionen in Millionenhöhe, an denen keinesfalls gerüttelt werden dürfe: „Wer im Bereich KiTa sparen möchte, spart an der falschen Stelle“. Klar auch ihre Aussage: „Das Handlungsprogramm Wohnen muss zügig umgesetzt werden“. Oder: „Die Leiharbeitsverhältnisse in der Verwaltung nehmen überhand“, das müsse ein Ende haben. Heftige Kritik übte sie an der Seilbahnidee, mit der sich Oberbürgermeister Uli Burchardt schon im Frühjahr in die bundesweiten Schlagzeilen gehievt hatte. Dass für die dazugehörige Machbarkeitsstudie im Haushalt 100 000 Euro veranschlagt seien, kann Binder nicht nachvollziehen: „Darauf sollten wir verzichten“.
Auch ihr Ratskollege Jürgen Ruff, ansonsten ein eher zurückhaltender Kritiker des kommunalpolitischen Geläufs, sprach überraschenderweise Klartext – unter „Genossinnen“ und „Genossen“ ist eben doch mehr kämpferische Attitüde angesagt. Die Umsetzung vieler Vorhaben, so Ruff ärgerlich, „lässt auf sich warten und viele Projekte sind fraglich“, weil es angeblich an Geld fehlt. Als Beispiel führte er unter anderem die beabsichtigte Neugestaltung der Marktstätte an. Die BürgerInnen würden zwar zur Beteiligung zu einem Workshop zum Thema geladen, „aber erst 2018/19 soll der Umbau angegangen werden, als genau dann, wenn kein Geld mehr da ist“. Vieles, so Ruff, „wird auf irgendwann verschoben und verschwindet in der Schublade“. Nicht nur bei Ruffs Ausführungen kam immer wieder mal der Haushaltsbrocken Centrotherm zur Sprache. Allmählich, so scheint es, dämmert vielen GenossInnen, dass die veranschlagten 18 Millionen Euro für Kauf und Umbau des Gebäudes wie ein beidseitig geschliffenes Damoklesschwert über anderen, weitaus wichtigeren Investitionen hängen. Darf man an dieser Stelle daran erinnern, dass noch vor wenigen Monaten außer Zahide Sarikas alle SPD-RätInnen für das finanzielle Wagnis stimmten?
Vorhang auf für Christoph Nix
Wo der Theaterintendant auftaucht, gerät das kleinste Nebenzimmer zur großen Bühne. Wenn er vorab schelmisch ankündigt, sich kurz fassen zu wollen, weiß man: das kann dauern. So auch diesmal. Wort- und gestenreich überrollte Nix mit einigen Beiträgen mehrmals die Versammlung, bezeichnete den städtischen Kämmerer Hartmut Rohloff als „Zyniker“ und beanspruchte mehr Geld für das baulich in die Jahre gekommene Theater. Seiner Ansicht nach habe Rohloff zuviel Einfluss auf die Politik und lenke die Investitionen in eine falsche Richtung. „Was für eine Stadt wollen wir denn? Es geht nicht nur um Zahlen und Bilanzen, sondern auch um Gefühle und Empfindungen“. Nix warnte auch eindringlich davor, Kultur und Sport auseinander zu dividieren.
Attacke gegen Lünstroth
Der Hintergrund seiner Mahnung: Der frühere Pressesprecher des Stadtsportverbands (SSV) hatte während der Sommerpause über den Südkurier verlauten lassen, dass der Sport im Vergleich zur sogenannten Hochkultur, sprich Theater, Philharmonie und Museen, nur Zuschüsse im Nasenwasserbereich bekäme und derlei Missverhältnis auf Dauer nicht zu akzeptieren sei. Das sorgte für Unmut in der städtischen Kulturabteilung und schnell wurde der Begriff „Neiddebatte“ in die Welt gesetzt. Dem widersprach an diesem Abend Harald Schuster vom SSV ganz energisch. Es gehe keineswegs um eine „Neiddebatte“, vielmehr um eine „Wertigkeitsdebatte“. Das werde man ja wohl noch sagen dürfen, denn „der Sport braucht mehr Geld“. Zumindest ein bis zwei zusätzliche Stellen im Sportamt seien angemessen und dafür sollten „klare Zeichen im Haushalt“ gesetzt werden.
Kontra gab es daraufhin von Tobias Engelsing, der anmerkte, der SSV habe die seiner Ansicht nach unsinnige Verteilungs-Diskussion zusätzlich befeuert und sei damit auf die offenen Ohren von Südkurier-Redakteur Michael Lünstroth gestossen, der den „Brandsatz“ mit Freuden medial verstärkt hätte. Lünstroth habe ja sowieso einen Brass auf die Hochkultur und würde keine Gelegenheit auslassen, dieser und ihren Repräsentanten mit Schmackes vor´s Schienbein zu treten. Zwischenruf Nix: „Der recherchiert sowieso schlecht“. Da hielt es Südkurier-Lokalchef Jörg-Peter Rau nicht mehr auf seinem Stuhl. Höchst erregt sprang er auf, setzte zur Gegenrede an und wies die Vorwürfe zurück. Noch vor dem Ende des insgesamt unterhaltsamen und lebendigen Abends machte er sich erbost mit den Worten vom Acker: „Ich geh´jetzt, es reicht“. Ob das seiner Berichterstattung zuträglich ist, wird sich zeigen. Über den Haushalt der Stadt Konstanz wird am 18.12. entschieden.
Autor: Holger Reile
kein Wort zum Thema Verkehr?
Dachte es wäre eines der großen Probleme in KN.
==> Die Radwegweisung wird wohl weiter verschoben?!
Könnten nicht Kinder die Schilder ( Radwegwesiungen )
malen oder schnitzen und auch aufhängen?
Sie würden so auch Ihre Stadt kennen lernen.
nach den Informationen, die ich noch in den Tagen vor der Abstimmung bekommen habe, hätte ich mit NEIN gestimmt, wohl wissend, dass man das hinterher leicht sagen kann und es einem niemand abnehmen muss … aber ich bedauere, dass es mir nicht gelungen ist, mehr Kolleginnen und Kollegen mindestens zu einer Enthaltung zu bewegen, versucht habe ich es …
Lieber Kollege Jürgen Ruff,
Dein Einwand ist richtig. Dennoch, da wir einige Anfragen von LeserInnen hatten: Wie hätte denn der Mandatsträger Ruff abgestimmt, wenn er beruflich nicht verhindert gewesen wäre?
H.Reile
kleine Korrektur, lieber Holger Reile: außer Zahide Sarikas stimmten alle ANWESENDEN SPD-Räte für den Kauf des Centrotherm-Gebäudes; ich konnte leider aus geschäftlichen Gründen nicht anwesend sein und meine Position zum Kauf dieses Gebäudes dürfte hinlänglich bekannt sein.
Mir scheint, dass sich die sogenannte Hochkultur für unantastbar hält. Wer es wagt diesen durchlauchten Kreis, mit seinen unübersehbaren Ausgaben zu stören, wird schnell zum Brandstifter deklariert. Kritik oder zuviel öffentliche Kontrolle war diesem Kreis im eher angepassten Konstanz fremd. Da konnte das BSO hunderttausende Euro versenken, wahrscheinlich wäre das ohne eine kritische Berichterstattung niemand aufgefallen.
Dem Bürger fällt es sehr wohl auf, dass die Bedarfslage für den Kulturkreis und die aktiven im Sportgeschehen der Stadt nicht unterschiedlicher sein kann. Leider hat der Sport lang nicht die verbal überzeugungsfähige Stadtrat-Lobby, damit hier auch im Sinn der vielen Sportbegeisterten eine gerechtere Bezuschussung stattfindet. Liebe Kulturrepräsentanten, mit dieser ausgefallenen Schelte gegen eine kritische Presse habt ihr eher gezeigt, wie wichtig es wird, eure Ausgaben auf dem Prüfstand zu stellen.