Von Päpsten und Gegenpäpsten
Am 24.6. debattierte der Gemeinderat auch über das Konstanzer Konzil (1414 bis 1418), an das die Stadt ab 2014 erinnern will. Geplant sind allerlei Veranstaltungen, die dazu beitragen sollen, so der überaus bescheidene Anspruch, Konstanz endlich wieder in den Mittelpunkt Europas zu rücken. (Siehe auch auf der rechten Seite das neue Moment Mal!). Feiern ist angesagt, Kritik ist unerwünscht
Religion sei, so darf man in den letzen Jahren meist sogar straffrei behaupten, Opium fürs Volk. Und wie es aussieht, sind auch zahlreiche Mitglieder des Konstanzer Gemeinderates von Weihrauch, Vergebung ihrer Sünden und was dergleichen religiöser Mummenschanz mehr ist, ziemlich angetan.
Jedenfalls brachte bei der Gemeinderatssitzung am 24. Juni ein Beitrag von Holger Reile (DIE LINKE.Liste Konstanz) zum Konzilsjubiläum 2014–2018 Leben in den sommerlichen Saal. Reile forderte, wenn man dieses Jubiläum schon derart (kosten)intensiv begehen wolle, müsse man ein sinnvolles Veranstaltungsprogramm erarbeiten, das nicht nur als mehrjähriges Kostümfest daherkomme – vielmehr sei es wichtig, auch das Leben der damaligen „normalen“ Menschen, die von weltlichen und geistlichen Obrigkeiten unterjocht wurden, zu präsentieren. Außerdem lebten wir heute in einer aufgeklärten, säkularen Gemeinschaft, und daher sei es ganz und gar nicht wünschenswert, zum Konziljubiläum ausgerechnet den Papst einzuladen, denn Papst Ratzinger stehe etwa der reaktionären „Pius-Bruderschaft“ nahe.
Offensichtlich ist ein nicht unbedeutender Teil des Konstanzer Gemeinderates von der Vorstellung angetan, das Konziljubiläum werde ein mehrjähriges Massenspektakel von europaweiter Ausstrahlung, das die Stadt Konstanz durch einen Besuch des Papstes im Bewusstsein der touristischen Massen als eine der Hauptstädte der Christenheit verankern werde.
Wolfgang Müller-Fehrenbach (CDU) kritisierte Reiles Geschichtsverständnis und schlug ihm vor, doch lieber die verschiedenen totalitären Regime zwischen 1933 und 1989 zu studieren. Auch Dorothee Jacobs-Krahnen (FGL) distanzierte sich ebenso engagiert von Reile wie Klaus Frank (Frank & Freie), der behauptete, sich intensiv mit dem Konzil beschäftigt zu haben. Er jedenfalls pries es als eine große Party, an der er nur zu gern teilgenommen hätte.. Man darf mutmaßen, welche historische Person er denn gerne gewesen wäre. Die schändliche Verfolgung und Verbrennung von Jan Hus jedenfalls bezeichnete er als „Krimi“.
Autor/In: A. Schwede
Nachfolgend der Redebeitrag, der als „bizarr“ und „niveaulos“ eingestuft wurde:
„Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen
Das sogenannte Konziljubiläum wirft seine Schatten voraus. Dazu auch von unserer Seite einige Anmerkungen
Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn man an ein Ereignis erinnert, dass hier vor knapp 600 Jahren stattgefunden hat und das aus unterschiedlichen Gründen durchaus von Wichtigkeit war. Die Frage allerdings ist: Wie erinnern wir? In welchem Umfang? Und mit welchem Aufwand?
Uns ist schon sehr daran gelegen, dass das Jubiläum auch kritisch beleuchtet wird. Denn einer Mehrheit der Bevölkerung war damals sicher nicht zum Feiern zumute – stand sie doch überwiegend unter der Fuchtel von weltlichen und geistlichen Menschenschindern, deren Tagesgeschäft weitgehend darin bestand, das gemeine Volk zu knechten und auszubeuten.
Wir gehen mal davon aus, dass diese Tatsache vor Ort ab 2014 nicht unter den Tisch fällt, sondern bei der historischen Betrachtung breiten Raum einnimmt.
Wenn nun die Landesregierung Gelder für die Ausstellung im Konzil bereit stellt, ist dagegen nichts einzuwenden. Ob es sich die Stadt Konstanz aber leisten kann, dafür 500 000 Euro zuzuschießen, ist doch sehr fraglich. Wie wir alle wissen, werden wir uns die kommenden Jahre damit abfinden müssen, dass es kaum mehr finanziellen Spielraum gibt. Unsere Hauptaufgabe besteht darin, das Notwendigste für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt aufrecht zu erhalten – für finanzielle Abenteuer und sonstige Träumereien wird es keinerlei Spielraum geben.
Bleiben wir doch bitteschön auf dem Teppich und beschränken uns auf das Nötigste und auch Sinnvollste: Eine Landesausstellung im ersten Halbjahr 2014 scheint eventuell machbar, ebenso die angedachte Ausstellungskooperation des Rosgartenmuseums und des Archäologischen Landesmuseums zum Thema „Lebenswelten zur Konzilzeit“.
Bei anderen sogenannten Projektideen drängt sich für mich der Verdacht auf, dass hier einige der Meinung sind, man könne über den Zeitraum von immerhin fünf Jahren ein Kostümfest rund um die Uhr veranstalten, quasi als verlängerte Fasnacht.
Das geplante Belehnungsfest beispielsweise wird jetzt schon vollmundig als – Zitat – „Ein Projekt Konstanzer Bürger“ – bezeichnet, das regelmäßig auf dem Obermarkt aufzuführen sei – und – ebenfalls Zitat: „alle Bürgerinnen und Bürger einbinden soll, um sie für die Konzilidee zu begeistern“. Ich plädiere nachdrücklich dafür, realistisch zu bleiben und das gesamte Wunschprogramm gehörig abzuspecken, auf den inhaltlichen Prüfstand zu stellen und finanziell durchzukalkulieren.
Nichts gegen Ideenvielfalt, aber es geistert vieles durch den Raum, was schlichtweg nicht machbar sein wird, außer man findet Sponsoren, die das Geld säckeweise nach Konstanz schleppen : Brauchen wir tatsächlich den Nachbau eines alten Lastenseglers oder die Einrichtung eines Handwerkerdorfes ?– um nur einige Vorschläge herauszupicken.
Nochmal: Spätestens nächstes Jahr bricht aufgrund der Finanzlage auch bei uns ein sehr großes Zähneklappern aus – also fahren wir doch die Ansprüche für das Konziljubiläum herunter und vermeiden es, bereits jetzt unangemessen abzuheben, Begehrlichkeiten zu wecken und Wolkenkuckucksheime zusammen zu schustern.
Zwei Punkte noch: Mehrmals wurde der Wunsch geäußert, zum Thema Konziljubiläum noch vor der Sommerpause eine Arbeitsgruppe zu bilden, in der auch Vertreter aller Gemeinderatsfraktionen vertreten sein sollen. Ich gehe mal davon aus, dass in dieser Arbeitsgruppe auch Platz ist für uns und die beiden Einzelkämpfer hier. Diesbezüglich erwarten wir ein klares Signal.
Zum Schluß eine Bemerkung Richtung Papstbesuch. Wenn das tatsächlich eine Projektidee sein sollte, dann bitte ich um sofortige Streichung dieses Vorschlags. Wir zumindest legen keinerlei Wert auf den Besuch Herrn Ratzingers und die überwiegende Mehrheit der Konstanzer wohl auch nicht. Warum sollten wir einen ungeheuren, auch finanziellen Aufwand betreiben, um einen rückwärtsgewandten Kirchenfürsten und Hardliner hierher zu locken, der mit den Holocaustleugnern der Pius-Bruderschaft sympathisiert und dessen Glaubensgemeinschaft ethisch und moralisch so ziemlich am Ende ist.
Vorschlag: Das sparen wir uns und verweisen auf den erfreulichen Umstand, dass ein papstähnlicher Gnom bereits im Konstanzer Bahnhof sitzt und sich dort offensichtlich auch recht wohl fühlt. Da nun die Landeszuschüsse für die Ausstellung zugesagt wurden, können sich die Aufsichtsratsmitglieder der Tourist-Information nächsten Mittwoch also getrost für den Verbleib der Lenk-Figur einsetzen.“
Bild: Jan Hus auf dem Scheiterhaufen in Konstanz
Das muss in Konstanz ja ein seltsames Sammelsurium an Stadträten sein, wenn kritische Stimmen als „niveaulos und bizarr“ eingestuft werden. Fragt sich denn niemand, ob der Anlass „600 Jahre Konzil“ überhaupt ein Grund zum Feiern ist? Das Konzil in Konstanz war von Anfang an eine korrupte und machtbesessene Veranstaltung. Womit will Konstanz sich da eigentlich schmücken? Die historischen Begebenheiten rechtfertigen keine Jubeljahre.
Wie im St. Galler Tagblatt vom 29.10.2007 nachzulesen ist, sieht OB Horst Frank in den Konzilsfeierlichkeiten die Chance, die Stadt Konstanz „wieder auf die europäische Landkarte zu setzen, die epochale Wirkung, die das Konstanzer Konzil hatte, soll positiv für Konstanz genutzt werden.“
Welche epochale Wirkung?
Die Beendigung des Schismas mit einer ganzen Palette unlauterer Mittel? Sie diente dem drei Tage vor Beginn des Konzils zum „rex Romanorum“ gekrönten Sigismund von Luxemburg dazu, seinen Universalanspruch als künftiger Kaiser anzumelden.
Die enormen Schulden, die das Konzil der Stadt damals aufbürdete, wie der bis 1990 an der Uni Konstanz lehrende Geschichtswissenschaftler Arno Borst schreibt?
Die grauenvolle Verbrennung der beiden Reformer Jan Hus und Hieronymus von Prag? Sie war der Auslöser der Aufstände in Böhmen und jahrzehntelanger Kämpfe gegen die Hussiten mit unzähligen Toten, in der Folge zwei Jahrhunderte andauernde religiös motivierte Kriege, die erst mit dem Dreißigjährigen Krieg endeten.
Ja, die Wirkung des Konzils war in der Tat „epochal“!
Mir jedenfalls ist nicht zum Feiern zumute,
Anna-Maria Frey