Wählen bei der demokratischsten aller Wahlen

dseemoz-JugendwahlReges Interesse, viele Fragen und manche Lacher bei der ersten Erstwählerveranstaltung am Ellenrieder Gymnasium. Viele der rund 150 Schüler und Auszubildenden waren dankbar für erste Einblicke in das Wahlprozedere, als Moderator Tobias Bücklein die Spitzfindigkeiten des Kumulierens und Panaschierens erklärte, und die 50 KandidatInnen versuchten, ihre Positionen auf dem Podium und im persönlichen Gespräch darzustellen.

Es ist dem Gesamtelternbeirat hoch anzurechnen, dass er sich der Aufgabe der frühen politischen Bildung der Schüler und Auszubildendenen angenommen hat. Dass so ein Gemeinderat bei konkreten Dingen wie Schulraumausstattung, Buspreisen oder Freiräumen für Jugendliche den Daumen hebt oder senkt, ist vielen jungen Menschen kaum bewusst – und wohl auch vielen Älteren nicht. So gab die Schülersprecherin des Ellenrieder Gymnasiums und neben Bücklein zweite Moderatorin, Anna Rohde, ununwunden zu, dass sie da nicht so wirklich Bescheid wisse.

„Ihr habt die Möglichkeit einer Bürgerfragestunde“

Während sich die Vertreter der meisten KandidatInnene-Listen damit zufrieden gaben, die eigenen Positionen zu Umweltstandards und sonstigen Wahlversprechen zu referieren, brachte es Holger Reile (Linke.Liste, Listenplatz 1) auf den Punkt: „Es herrscht oftmals Politikverdrossenheit nach dem Motto ‚die da oben machen eh, was sie wollen‘. Die da oben machen das nur, wenn man sie lässt. Während der Gemeinderatssitzungen gibt es die Möglichkeit einer Bürgerfragestunde. Die sollte viel öfter genutzt werden. Und überhaupt, ein Jugendgemeinderat sollte stimmberechtigt sein bei konkreten Fragen. Das verstehen wir unter direkter Demokratie.“

Johann Hartwig (FDP) schlug vor, Jugendliche sollten sich lieber einmal pro Halbjahr mit dem Gemeinderat treffen, um Anliegen zu besprechen. Heinrich Fuchs von der CDU empfahl den jungen Wählern, sie mögen doch für Anliegen und konkrete Anträge lieber das Gespräch mit Fraktionen suchen, die das für sie dann umsetzen könnten. Dass dabei die Entscheidungskompetenzen so immer noch ausschließlich beim Gemeinderat bleiben und sich an der aktiven Beteiligung der Jugendgremien nichts ändern würde, kehrte Fuchs lieber unter den Teppich.

Debatte um Konzerthaus dient als Freiraum-Nebelkerze

Auf dem Podium wie in den Zwiegesprächen hatte die Frage nach genügend Freiräumen für Jugendliche großes Gewicht. Dass es an Veranstaltungsräumen für Abschlussbälle, Konzerte oder Bandproben mangelt, bemängelten die Schüler deutlich. Wenn Konzerthaus-Befürworter allerdings dann vorschlagen, ein solches Haus könne als Freiraum für Bandproben und Abibälle dienen, so ist dies dann wohl mit Vorsicht zu genießen. Wieder fehlt es an einem tragfähigen Finanzierungskonzept, die CDU fabulierte gar eine Beteiligung der Industrie- und Handelskammer (IHK) herbei. Zudem gab Gaby Weiner (Freie Wähler) unter Anspielung auf die Paradieshalle, in der die Erstwählerveranstaltung stattfand, ihre Skepsis zum Ausdruck, dass man nicht wisse, „wie es in so einer Halle hinterher aussieht, wenn man sie Jugendlichen überlässt.“ Ob das bürgerliche Lager also Schülern die Schlüssel für ein teures Konzert- und Kongresshaus freiwillig überlässt, darf bezweifelt werden. Geld für Jugendräume dürfte die Idee jedenfalls nicht in die Stadtkassen spülen

„Die werben für Drogen?“

seemoz-SAM_1332Leicht irritiert reagiert eine Schülerin auf den Passus im Linksjugend-Wahlprogramm, der sich für die Einrichtung von Modell-Canabisclubs in Konstanz ausspricht. Als Tobias Bücklein ihr das Mikro unter die Nase hält, fragt sie irritiert: „Warum werben die hier für Drogen?“ Gleich drei, vier jugendliche KandidatInnen erklärten ihr und einigen Mitschülern darufhin, weswegen die Linksjugend [’solid] eine liberale, aufgeklärte Drogenpolitik frei von jeder Art der Verbotspraxis bevorzugt und was das mit Kommunalpolitik zu tun habe.

„Demokratischste aller Wahlen“

Der die Innenstadt verstopfende Verkehr, gerade am Wochenende, war ebenfalls Thema. Verschiedene Verkehrskonzepte wurden kurz angerissen. Holger Reile forderte schnelle Sofortmaßnahmen: Eine eigene Busspur müsse es mindestens geben, langfristig einen ÖPNV zum Nulltarif.

In seinem Abschlussplädoyer bekräftigte er: „Die Kommunalwahlen sind die demokratischsten aller Wahlen, man sitzt am nächsten dran. Allerdings gab es bei den letzten Wahlen in Konstanz nur eine Wahlbeteiligung von 47 %, in Singen sogar nur von 36. Also geht hin, ihr könnt direkt auf die Räte zugehen und mit eurer Stimme richtig was bewegen.“[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]

Autor: Ryk Fechner, Fotos: Luise Schönemann, Stephan Kühnle