Singen und Konstanz im Landesschnitt – Triumphe für Grüne und AfD – Abstürze für CDU und SPD
Zwei grüne Frauen werden zukünftig die Wahlkreise Konstanz und Singen im Stuttgarter Landesparlament vertreten: Nese Erikli und Dorothea Wehinger ziehen als Direktkandidaten in den Landtag ein. Dennoch gibt es ein paar Besonderheiten beim hiesigen Wahlergebnis.
Mit dem Rückenwind des Kretschmann-Bonus‘ haben es die grünen Frauen der Region in den Landtag geschafft. An ihren Leistungen im Wahlkampf kann es nicht gelegen haben – Wehinger war kaum präsent, Erikli konnte selten überzeugen. Dennoch spült sie die in dieser Wucht kaum erwartete Grünen-Stimmung auf Abgeordneten-Stühle: Die Grünen kommen in der Stadt Konstanz zum Beispiel auf 41,7 Prozent – mehr als das Doppelte des CDU-Ergebnisses, ein tatsächlich fast historisches Resultat.
Der Wahlausgang in der Stadt Konstanz ist auch in zweierlei anderer Hinsicht bemerkenswert: Die AfD erreicht, ziemlich einmalig in Baden-Württemberg, ein „nur“ einstelliges Ergebnis. Und: Die Linke kommt dank eines fulminanten Wahlkampfs von Simon Pschorr auf eines der besten Ergebnisse seiner Partei im Ländle.
CDU | Grüne | SPD | FDP | Linke | AfD | |
Kreis Singen | 27,8% | 28,8% | 12,8% | 8,3% | 2,2% | 15,7% |
Stadt Singen | 22,74% | 25,4% | 15,9% | 8,5% | 2,9% | 20,2% |
Kreis Konstanz | 22,6% | 39,6% | 12,2% | 9,1% | 3,9% | 9,4% |
Stadt Konstanz | 20,1,% | 41,7% | 13,1% | 8,2% | 4,9% | 8,9% |
Land Ba-Wü | 27,0% | 30,3% | 12,7% | 8,3% | 2,9% | 15,1% |
(Stand: 13.3., 23 Uhr)
Noch ist die politische Zukunft der bisherigen Mandatsträger aus der Region unentschieden. Angesichts der ungewissen Koalitionsverhandlungen dürfte der Ministersessel von Peter Friedrich (SPD-Konstanz) höchst zweifelhaft sein, ein Landtagsmandat bleibt ihm wohl ohnehin verwehrt. Auch Hans-Peter Storz (SPD-Singen) und Wolfgang Reuther (CDU-Singen) können nur wenig Hoffnung hegen, noch über ein „Überhangmandat“ ihren Sitz im Landesparlament zu verteidigen.
Das Erdrutsch-Resultat dieser Wahl wird weitreichende Folgen sogar für die Bundespolitik haben: Welche Rolle will die AfD nicht nur in Stuttgart spielen? Werden die Grünen, z.B. in Fragen der Flüchtlingspolitik, den Rechten noch weiter entgegen kommen? Wird es im Stuttgarter Landtag eine Opposition geben, die diesen Namen verdient? Was wird aus der SPD? Wird die CDU, auch angesichts der für sie beschämenden Wahlergebnisse in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, weiter nach rechts ausscheren? Da fällt einem nur Heinrich Heine ein, schon 150 Jahre her: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“
hpk
Die Wahlagenda „Soziales“ der Linken war richtig und wird im Kampf gegen Rechts entscheidend sein.
Liebe Frau Thalmann,
ich denke, das mit der „Phobie vor linker Politik“ ist wohl am ehesten soziologisch zu erklären: Momentan ist links nicht besonders „in“ – und „der“ Mensch schwimmt als „Herdentier“ eben doch gern eher im Strom derer, die sich stark fühlen. Das sind momentan leider die bürgerlichen bis weit rechten Parteien…
Daneben sind wir wohl insgesamt in einer gesellschaftlich schwierigen Zeitenwende, in der Solidarität unattraktiv geworden ist, weil Egoismus der in wirtschaftlich guten Momenten größer werdenden Mehrheitsgesellschaft aus Wohlhabenden materiell mehr zu bringen scheint. Da lässt man die sozial Schwächeren noch lieber als sonst aus dem Blick und verachtet sie mit neoliberaler Häme als faule Versager im angeblichen Land der finanziellen Möglichkeiten, leistungsorientierten Erfolge und beruflichen Chancen, in dem jeder etwas erreichen kann, wenn er nur will. Dass so ein Denken nicht zuletzt die AfD verfolgt, durften wir erst dieser Tage erkennen lernen. Ob es allerdings ideell erfüllend ist, stellt sich erfahrungsgemäß erst am Ende einer gewissen Epoche heraus…
Grüße
Dennis Riehle
Mann kann Witze reissen oder auch Gewichte, oder sich das Eigentum von anderen unter den Nagel reissen…!
Fulminant ist hier wie der Schreiber mit der Sprache umgeht, die den Mainstream-Medien angepasst ist, die Systemkritisches „runterschreiben“.
Herr Pschorr ist ein Kandidat, der engagiert und informiert für ein gutes Ergebnis gekämpft hat, für Demokratie und gegen Unrecht eintritt.
Warum gibt es soviele Phobiker gegen Links?
Eigenlob stinkt. Die Linke in Konstanz hat ein passables Ergebnis und es sollte ja wohl niemand wundern, dass man in Konstanz bessere Ergebnisse für die linke einfährt als in Hintertupfingen. Gerade wenn man das Ergebnis der Linken mit dem Ergebnis der Linken in anderen Uni-Städten (Tübingen, Karlruhe, Heidelberg, Freiburg, Stuttgart) vergleicht, dann wird man feststellen, dass Konstanz nicht nur das niedrigste Ergebnis der Uni Städte hat (mit Ausnahme von Ulm), sondern das der Zuwachs auch deutlich unter denen der anderen Uni Städte liegt. In den Stadtgebieten der andern Unistädte wurden teilweise Ergebnisse von deutlich über 8 Prozent erzielt. Die Konstanzer Linke und ihr Kandidat sollten sich daher wohl eher fragen, was man in dieser Stadt im Vergleich zu den anderen Unistädten falsch macht, als sich selbst für einen „fulminanten“ Wahlkampf zu loben.
Herr Lehmann, Sie sollten schon richtig lesen und differenzieren: Die Aussage im Artikel bezog sich auf den Wahlkampf von Simon Pschorr, nicht auf den der LINKEN im Allgemeinen. Und dass dieser Kandidat nun mal eines der besten Ergebnisse der linken Kandidaten in Baden-Württemberg erzielt hat, spricht zumindest dafür, dass er seinen Wahlkampf tatsächlich nicht schlecht gemacht hat. Es kommt immer auf die Relationen an: Bei einem Ergebnis um die 3 Prozent im Schnitt sind knappe fünf in Konstanz wirklich bemerkenswert.
Dass bei Ihnen offenbar nur jemand „etwas gerissen“ hat, wenn er die Hürde zum Sprung ins Parlament nimmt oder gar zweistellig wird, ist schade. Denn damit missachten Sie den Einsatz der Kandidaten, die sich bemühen, Ihnen als Wähler eine möglichst große Auswahl an politischen Positionen zu bieten – auch wenn es eben nicht klappt, damit im Anschluss in den Landtag einzuziehen. Es wäre eine traurige Demokratie, in der nur noch die Bedeutung haben, denen ein Abgeordnetensitz sicher scheint.
Mit solch einem Ergebnis, wie Pschorr es eingefahren hat, errang er zweifelsfrei ein beachtliches Mandat in der außerparlamentarischen Opposition…
Geschätzter hpk,
was Ihr Heine-Zitat angeht (Denk ich an Deutschland…), da muss ich leider mal den Oberlehrer spielen:
Heines Gedicht „Nachtgedanken“, das mit dieser Zeile anfängt und im französischen Exil geschrieben wurde, bezieht sich nicht auf Deutschland sondern auf Heines geliebte alte Mutter, die in Deutschland lebt und die er seit 12 Jahren nicht gesehen hat.
„„Nach Deutschland lechzt’ ich nicht so sehr,
Wenn nicht die Mutter dorten wär’…“
heißt es im Weiteren.
Klar, die Anfangszeilen wurden berühmt und haben sich verselbstständigt, aber weil sie auch dauernd in AfD-Foren in Anspruch genommen werden…
Ach, Sie wissen schon.
Loben und nutzen wir Heine lieber fundierter – so mein Vorschlag.
Hallo Hinterwäldler,
die Wahlbeteiligung lag in Baden-Württemberg bei 70,1 Prozent.
Das macht für die „Nichtwähler“-Partei 29,9 Prozent.
Beste Grüße
Marco Walter
An dieser Stelle einen herzlichen Glückwunsch an Simon Pschorr, der gerade in der Stadt Konstanz ein beachtliches Ergebnis erzielt hat. Auch wenn das Abschneiden der Linken landesweit höchst enttäuschend ist, konnte Pschorr zeigen, dass man mit Präsenz und Fachkunde überzeugt. Wenngleich für die Partei nicht mehr drin war, können Erfahrung wie die seinige nun helfen, für kommende Urnengänge Lehren zu ziehen und neue Konzepte zu entwickeln.
Das ist ja schon lustig. Die Linken, die ja sowas von gar nix reissen, werden nicht unter ‚Absturz‘ eingereiht, sondern für ‚fulminanten‘ Wahlkampf gelobt. So kann mans natürlich auch sehen …
Stärkste Kraft ist immer noch die Partei der Nichtwähler. Offizielle Meldungen gehen von 60 bis 70% aller Wahlberechtigten aus. Warum zum Teufel werden Hartz4-Empfänger nicht gefragt, weshalb sie nicht wählen gehen.