Wandervögel, Rechtsradikale und begnadete Musiker

Was tut sich in Sachen Zeltfestival? Warum treibt es den hiesigen Theaterchef zu sommerlicher Zeit nach Rom? Hält ein reaktionärer Bischofschädel auch einem Konstanzer Blumentopf stand? Wer erinnert sich noch an den legendären Jazzmusiker Claus Veeser? Hoffentlich viele. Und: Ein Konstanzer Altnazi meldet sich wieder zu Wort und wähnt Bolschewisten auf dem Vormarsch 

Auf Anregung der Linken Liste wurde schon vor geraumer Zeit darüber diskutiert, ob man das beliebte Konstanzer Zeltfestival nicht wiederbeleben sollte. Angedacht war auch, das Festival grenzüberschreitend zu gestalten und die Schweizer Nachbarn mit einzubinden. Allgemeine Zustimmung. Nun aber scheint es mit dem Vorhaben nicht so richtig voran zu gehen. Woran liegt’s? Mitorganisator KoKo-Entertainment hat sich auf Anfrage von seemoz nicht geäußert und übt sich in nonverbaler Kommunikation. Oberbürgermeister Uli Burchardt, der das Projekt grundsätzlich unterstützt, wurde deutlicher. Erst kürzlich habe ein Treffen mit KoKo stattgefunden, so Burchardt. Resultat: KoKo-Geschäftsführer Dieter Bös möchte alsbald eine Kostenkalkulation präsentieren, und bis Ende Mai soll ein Feinkonzept auf dem Tisch liegen, über das  dann der Gemeinderat zu entscheiden hat. Weiterhin geht man von städtischer Seite davon aus, dass das Zeltfestival nach jahrelanger Pause 2015 wieder Kulturbegeisterte auf das Gelände Klein Venedig locken wird.

Theaterintendant Christoph Nix ist unter die Wandervögel gegangen. Sein Sommerplan steht: Er will zu Fuß nach Rom pilgern und auch den Vatikan heimsuchen. Dort möchte er die katholischen Glaubenskrieger davon überzeugen, dass nunmehr der Zeitpunkt gekommen sei, den vor 600 Jahren in Konstanz hingerichteten Reformator Jan Hus endlich zu rehabilitieren. Das Vorhaben wurde von diversen überregionalen  Presseorganen verbreitet und somit steht der Theatermann unter Zugzwang. Die ersten Etappen bis Chur hat Nix schon hinter sich, quasi als Warming Up. Richtig die Socken qualmen lassen wird er dann, wenn das Theater in die Sommerpause geht und der Chef somit Zeit hat, seine Reststrecke in Angriff zu nehmen. Wir haben nachgerechnet: Von Chur bis nach Rom sind es schlappe 800 Kilometer. Wir wünschen gutes Gelingen und passendes Schuhwerk.

Ein Hardliner der besonderen Art will am 3. Mai in Konstanz einfallen. Erzbischof Wolfgang Haas, einer der reaktionärsten Vertreter der christlichen Glaubensgemeinschaft, hat für sich und seine Entourage eine Stadtführung gebucht. Haas war von 1990 bis 1997 Erzbischof von Chur. Von Anfang an gab es massive Proteste gegen ihn, und die Zahl der Kirchenaustritte stieg wie nie zuvor. Schließlich schaffte man für Haas das Erzbistum Vaduz in Liechtenstein und lagerte ihn dorthin aus. Doch auch hier regte sich Widerstand gegen ihn, der sich gerne mit Aktivisten der katholischen Kaderorganisation „Opus Dei“ umgibt. Viele liechtensteinische KatholikInnen sind mittlerweile aus der Kirche ausgetreten und zum Verein „Offene Kirche“ übergelaufen. Haas, extrem schwulen- und frauenfeindlich, wäre in Konstanz ein passender Empfang zu wünschen. Nichts dagegen, wenn ihm in der Niederburg ein Blumentopf auf den Kopf fällt, denn alles Gute kommt schließlich von oben.

Gute Nachricht für alle Fans von Claus Veeser (1935 – 1997). Als der begnadete Jazz-Saxophonist, der auch auf der Querflöte ein Meister war,  starb, entstand eine große Lücke nicht nur in der Konstanzer Musiklandschaft. Mircia „Duci“ Cosmovici, der mit Veeser von 1954 bis 1969 zusammen spielte, bekam jüngst einen Mitschnitt eines Veeser-Konzerts aus dem Jahre 1982 in die Hände. Yogi Groß, ein Konstanzer Gitarrist und einst Mitglied in der damaligen „Veeser Group“, hat diesen Mitschnitt in seinem Archiv aufbewahrt. Cosmovici ist begeistert von dieser Rarität und ließ sogleich einige CDs brennen, die man käuflich in der Seekuh erwerben kann. Da schließt sich ein Kreis, denn das Konzert wurde vor 32 Jahren beim Konstanzer Jazzherbst  in der Seekuh aufgenommen. Mit Veeser spielten damals: Yogi Groß (Gitarre), Heiner Merk (Bass) und Gerald Moniez (Schlagzeug).

Walter Eyermann (89), Altstadtrat und stadtbekannter Rechtsradikaler, als der er in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrtausends für die Nazipartei NPD die Trommel schlug, meldet sich kurz vor seiner Einäscherung in der Kommunalpolitik zurück. In einem aktuellen Schreiben an alle RätInnen geißelt er das Rezept gegen Wohnungsnot, dem sich Konstanz verschrieben hat. Der geplante Neubau von über 5000 Wohnungen bis zum Jahre 2030 bringt den braunen Walter auf die Palme. Er warnt vor drohenden Enteignungen  und wähnt die „Eigentumsrechte privater Haus- und Grundbesitzer“ in höchster Gefahr. Und er befürchtet zudem eine Überbauung der Gemarkung, die dazu führen könnte, die Lebensqualität der Eingeborenen und ihrer Nachfahren zu vernichten. Die Forderung nach bezahlbaren Mieten hält er für „Volksverdummung“, hinter der nichts anderes stehe als „die hinlänglich bekannte Neidpolitik, welche Hausbesitzer unter die Kostendeckung drücken möchte“. Der Träger des Goldenen HJ-Abzeichens, der 1939 als jüngster Konstanzer in die NSDAP eingetreten war, hat anscheinend den Traum von zusätzlichem Lebensraum im Osten immer noch nicht aufgegeben.

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Autor: H. Reile