Warnstreik gegen den Pflegenotstand

seemoz-Warnstreik+Theater 006„Wir versorgen doppelt so viele Patienten mit der Hälfte der PflegerInnen wie noch vor zehn Jahren“. Was die Streikenden aus der Intensivstation des Klinikums Konstanz gestern im Streikbüro der Gewerkschaft während ihres eintägigen Warnstreiks berichteten, wirft ein grelles Licht auf den Pflege-Notstand direkt vor unserer Haustür. Und besonders schlimm: Ein Gutteil der Probleme ist hausgemacht.

„Alles fing an mit der Zusammenlegung zweier Intensivstationen zu einer“, berichtet Hannes Hänßler aus der örtlichen Streikleitung, „zuerst in Singen, später auch in Konstanz“. Diese „Rationalisierung“ habe den Leistungsdruck gewaltig erhöht. Und deshalb sei die Streikbereitschaft im Konstanzer Klinikum heute so außerordentlich hoch. „Vor zwei Jahren noch hätte keine dieser Frauen gestreikt – heute hätte am liebsten auch der Notdienst am Streik mitgemacht.“ Vier Kolleginnen jeder Schicht im Dreischichtbetrieb waren zum Notdienst eingeteilt.

„Solange allein betriebswirtschaftliches Denken in der Führungsetage angesagt ist“, weiß Margrit Zepf, Bezirksgeschäftsführerin der verantwortlichen Gewerkschaft ver.di, „und nicht mehr das Wohl der Patienten, wird der Arbeitsdruck immer größer. Dann steigt der Krankenstand unter den Beschäftigten, dann wächst die Unzufriedenheit mit der Arbeit und der Frust.“

„Eigentlich wollten wir helfen, wollten pflegen“

Die Pflegerin J. K. kann das aus eigener Erfahrung nur bestätigen. Nach 17 Jahren auf der Intensivstation hat sie gerade in diesen Tagen gekündigt: „Ich hatte nicht mehr genügend Zeit für die Patienten. Und das zermürbt, denn wir haben doch alle diesen Beruf gewählt, weil wir helfen, pflegen wollen. Doch unter solchen Umständen ist das nicht mehr möglich.“

Rund 50 Schwestern arbeiten noch auf der Konstanzer Intensivstation – „allein 15 haben in den letzten zwei Jahren gekündigt“, weiß Streikleiter Hänßler. Die meisten sind auf Teilzeit umgestiegen, „denn als 100-Prozent-Kraft hält man das nicht aus,“ bestätigen die Streikenden, unter denen nur eine in Vollzeit arbeitet. Knapp 3000 Euro brutto verdient sie damit, alle anderen weit weniger. Und da sind die Zulagen, die sie für die schwere Arbeit auf der Intensivstation erhalten, bereits eingerechnet.

Operationen mussten verschoben werden

„Die Intensivstation ist ein besonders sensibler Bereich“, erklärt Gewerkschafterin Zepf, „für die Klinikleitung wie für uns.“ Deshalb traf der Warnstreik den Arbeitgeber besonders hart, der ausgeklügelte Arbeitsplan musste umorganisiert, einige Operationen mussten verschoben werden. „Und die Streikenden (zwei Männer und sonst nur Frauen) mussten noch einmal mehr erklären, warum gerade sie jetzt streiken.“

Sechs Prozent mehr Lohn fordert ver.di vor allem in der laufenden Tarifverhandlung. Das Angebot der Arbeitgeber-Seite: Gegen Null. Soviel zum Pflegenotstand in Deutschland und zu den hausgemachten Gründen.

Der eintägige Warnstreik am Konstanzer Klinikum dauert noch bis Freitag, 7 Uhr, und er wird nicht der letzte bleiben.

hpk

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