Warum Jürgen Puchta die SPD-Fraktion verlässt
Auf der Homepage der Konstanzer SPD-Fraktion sind Name und Bild schon getilgt: Der Austritt von Jürgen Puchta aus Partei und Fraktion muss auf die Genossen wie ein Schock gewirkt haben – das lassen zumindest einige wütende Reaktionen vermuten. Von einer „Missachtung seiner Unterstützer“ und einer „Verzerrung des Wählerwillens“ ist da die Rede, wenn er zur Rückgabe seines Mandats an die SPD gedrängt wird. Wir fragten Puchta nach seinen Beweggründen.
Die Kritik der Genossen kann er nicht nachvollziehen: „Nach über 20 Jahren aktiver Zeit in der SPD – vom Ortsvereinsvorsitzenden, Landtagskandidaten 2001 mit damals 32,8 Prozent der Stimmen … und nach nun jeweils 14,5 Jahren im Gemeinderat Konstanz und im Ortschaftsrat Litzelstetten – finde ich das nicht fair.“ Nein, die Gründe für seinen Austritt, der eben kein Rücktritt sei, ließen sich nicht auf Konstanz beschränken.
„Das ist nicht mehr die SPD, die ich kennen gelernt habe.“
Bundes- und Landespolitik haben für ihn wohl auch eine wichtige Rolle gespielt. Als „Stichworte“ nennt er: „Machterhalt um jeden Preis, Postensicherung und vor allem persönliche Absicherung“. An erster Stelle hat er Andrea Nahles, die Bundesvorsitzende und einstige „linke“ Juso-Chefin, da im Auge. Ihm passt, so scheint es, die ganze Richtung „seiner SPD“ nicht mehr. „Das ist nicht mehr die SPD, die ich kennen gelernt habe.“
Und da vermisst er gerade in Konstanz die Diskussion über das Festhalten an alten Strukturen, beklagt das Denken in Seilschaften („die man heute Netzwerke nennt“) und vermisst effizientes Arbeiten in der Fraktion. Der Frust muss tief sitzen bei dem 57jährigen Psychotherapeuten aus Litzelstetten, wenn er bekennt: „Es gibt nicht die eine Entscheidung, es ist die Summe aller Erfahrungen“, die ihn hat aufgeben lassen.
Keine Chance als Einzelkämpfer
„Ja, ich plane den Eintritt in eine andere Fraktion (gemunkelt wird von den Freien Wählern, Anm. d. Red.), in der ich mir sicher bin, mehr Ehrlichkeit und Offenheit vor allem im Umgang miteinander erwarten zu dürfen.“ Seine kommunalpolitischen Ideen, Ansichten und Ziele will er weiterhin einbringen – „… habe diesbezüglich noch lange nicht fertig und mache auch noch sehr gerne Kommunalpolitik“, sagt er dazu. Aber als Einzelkämpfer sei das eben schwierig, da braucht es den Rückhalt von Freunden und Gleichgesinnten.
hpk (Foto: Bücklein/danneffel blogspot.com)
Kommentar: Mandate-Wechsel-Spiel im Gemeinderat
Ob das aber die Wählerinnen und Wähler ähnlich sehen, wenn sie am 26. Mai nächsten Jahres einen neuen Gemeinderat und Kreistag wählen? Immerhin gab es in der ablaufenden Legislaturperiode genügend Aus- und Übertritte im Konstanzer Rat, auch nicht nachrückende Nachrücker gab es. Beispiele gefällig? Klaus Peter Kossmehl wechselte von der CDU zu den Freien Wählern (FW), weil ihm der Diskussionsstil nicht passte; die FW-Fraktion verlor aber dann ihr Mitglied Gabriele Weiner, die beim Jungen Forum andockte; die FGL-Rätinnen Dreessen und Biskup schieden aus, um lukrative Posten außerhalb zu ergattern – Charlotte Biskup bearbeitet jetzt im OB-Büro die Vorlagen für ihre einstigen KollegInnen; als Nachrücker des Nachrückers fungierte SPD-Mann Jan Welsch, der nur deshalb den Platz von Sonja Hotz einnahm, weil Wolfgang Seibel plötzlich einfiel, dass sein Professoren-Job ihm nicht genügend Zeit für die Politik ließe. Und jetzt Jürgen Puchta. Wer folgt als nächste/r im Mandate-Wechsel-Spiel, fragt man sich.
Bei den WählerInnen könnte da schon der Eindruck entstehen, die MandatsträgerInnen nähmen es mit ihrem Mandat nicht so ernst – Politikverdrossenheit nennt man das dann, die zur Wahlmüdigkeit bis hin zur -verweigerung führen kann. Deshalb trotzalledem: Geht wählen, Leute, vergesst die (Fehl)Entscheidungen der Räte nicht und verhindert durch eine kräftige Wahlbeteiligung den Einzug rechter Quadratschädel in den Konstanzer Gemeinderat (hpk)
Ich erachte es schlichtweg für menschlich, dass es Verwerfungen und Enttäuschungen gibt, die schlussendlich keine andere Möglichkeit lassen, als den Entschluss zum Austritt aus einer Partei oder Fraktion zu fällen.
Im Falle von Jürgen Puchta scheinen es tiefgreifende Gründe inhaltlicher und persönlicher Art zu sein, die ihn zu seinem Rückzug getrieben haben. Ein wirklich sozialdemokratischer Denker verlässt seine politische Heimat – das sollte die SPD zum Nachdenken bringen.
Denn mittlerweile hat sich ihr Abwärtstrend offenbar von Bundes- und Landesebene bis auf die kommunale Ebene Bahn gebrochen. Die Forderungen nach Abgabe seines Mandats, sie können Jürgen Puchta ziemlich kalt lassen. Denn mit der Persönlichkeitswahl bestimmen die Wählerinnen und Wähler bei den Kommunalwahlen einen Namen – und vorrangig keine Partei, die sie in den Gemeinderat schicken wollen.
Im Übrigen ist aus den bisherigen Erfahrungen zu erwarten, dass Puchta seinen tief verwurzelten Überzeugungen noch sozialdemokratischer nachgehen wird als bisher. Denn die Entfremdung zu seiner ehemaligen Partei dürfte nicht von irgendwoher kommen. Ich kann nicht erkennen, dass der bisherige Sozialdemokrat seine einstigen Wahlversprechen in Abrede stellen wird – ganz im Gegenteil…