„Was bewegt Sie, die Leiche Konzerthaus auszugraben?“
Sie können es nicht lassen. Eine große Mehrheit des Konstanzer Gemeinderates stimmte auf der Sitzung am 31. Januar für eine Neuauflage der Konzerthauspläne. Dabei warb besonders Oberbürgermeister Uli Burchardt vehement für ein solches Projekt. Die Fraktionen von CDU, FWG, FDP und UFG stimmten geschlossen zu, die SPD und die FGL teilweise. Die Stadträte der Linken Liste Konstanz (LLK), Vera Hemm und Holger Reile, lehnten die Verwaltungspläne ab. Der Redebeitrag von Holger Reile dazu:
Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,
Bei diesem Thema fällt mir ein Lied von Wolfgang Ambros ein, der schon vor Jahrzehnten sang: „Es lebe der Zentralfriedhof mit allen seinen Toten, der Eintritt ist für Lebende heut` ausnahmslos verboten“.
Da stellt sich nicht nur mir die Frage: Was bewegt Sie, die Leiche Konzerthaus erneut und fast schon hektisch auszugraben? In Fachkreisen, erklärte mir gestern ein kommunalpolitisch interessierter Psychologe mit einem Schmunzeln, nenne man ein derartiges Verhalten Nekrophilie oder auch ausgeprägten Exhumierungsfetischismus.
Ganz im Ernst: Wir haben die kommenden Jahre andere Probleme, die es zu lösen gilt und für die wir auch viel Geld in die Hand nehmen müssen. Ich will nur einige wenige nennen:
– Der weitere Ausbau unserer Schulen, Kindertagesstätten und anderer Betreuungsangebote
– Konkrete Pläne für die Bewältigung der eklatanten Wohnungsnot
– Geeignete Maßnahmen, um einem fortschreitenden Pflegenotstand entgegenzuwirken
– Die schnelle Umsetzung unserer Vorhaben, die desolate Verkehrssituation endlich in den Griff zu bekommen und nicht nur an die guten Umsätze unseres Einzelhandels zu denken, sondern auch die Bedürfnisse unserer Bürgerinnen und Bürger zu berücksichtigen.
Diese Liste ließe sich noch verlängern, aber alleine diese kleine Aufzählung zeigt deutlich, wo wir unsere Prioriäten zu setzen haben. Da verbietet es sich unserer Meinung nach auf lange Zeit, das Fass Konzerthaus, Veranstaltungshaus oder wie immer sie es nennen mögen, erneut aufzumachen. Diese Pläne wurden von der Bürgerschaft zweimal vernichtend abgewatscht und wir alle wissen, dass es nicht nur die Standortfrage war, wie es uns die Vorlage weismachen möchte, die zu dieser eindeutigen Ablehnung geführt hat.
Natürlich spielten auch finanzielle Bedenken eine große Rolle – auch jetzt, fast drei Jahre später. Für ein Projekt, das laut vager Einschätzungen mindestens 20 Millionen Euro aufwärts kosten wird, haben wir auch heute nicht genügend Spielraum. Nur nebenbei: Diese Einordnung hat nichts mit Denkverboten zu tun, aber wir haben uns den Realitäten anzupassen und unsere Steuergelder sind nicht dafür da, um die überzogenen Bedürfnisse einiger weniger zu finanzieren.
In den letzten Wochen wurde mehrmals behauptet, Konstanz sei bereit für eine neue Konzerthaus-Diskussion. Wirklich ganz Konstanz? Kolleginnen und Kollegen: Hören Sie sich bitte in der Stadt um und sie werden ganz schnell feststellen, dass davon nicht die Rede sein kann. Ist es nicht eher so, dass die Initiatoren mit ihrem neuen Anlauf der Einfachheit halber eine ganze Stadt in Sippenhaft nehmen wollen? Frei nach dem Motto: Dann lassen wir eben so lange abstimmen, bis uns das Ergebnis passt. Befeuert wird die momentane Geisterdebatte von der hiesigen Tageszeitung.
Das wundert nicht, denn der Südkurier hat massiv für das KKH geworben und einen Tag nach der Abstimmung seinen Lesern beleidigt erklärt, die Gegner dieses angeblichen Jahrhundertprojekts wären wohl intellektuell überfordert gewesen. Da ist also noch eine Rechnung offen.
Befeuert wurde diese Debatte auch über eine Podiumsdiskussion, die aber zu einer One-Man-Show ausartete und bei der sich der Moderator in eigener Sache den Hauptanteil der Redezeit sicherte. Die Modelle, die da präsentiert wurden, waren überwiegend auf die Philharmonie und das Stadttheater zugeschnitten. Und spätestens da, Lobbyisten und Freunde der gesitteten Kultur, müssen wir mal Klartext reden. Wir stützen diese Einrichtungen ideell und finanziell nach Kräften, meist bis an die Schmerzgrenze und immer öfter aber auch darüber hinaus.
Das ist gut so und dabei haben Sie uns von der Linken Liste mit im Boot, aber irgendwann – und dieser Zeitpunkt ist jetzt erreicht – sollte man selbstkritisch die eigene Anspruchshaltung überdenken. Will heißen: Wir subventionieren unsere Flaggschiffe der so genannten Hochkultur jährlich mit mehreren Millionen Euro. Mein dringender, aber auch wohlmeinender Rat an dieser Stelle: Überzocken Sie es nicht, der Schuss könnte nach hinten los gehen. Sie spielen mit Ihren Begehrlichkeiten nach einer neuen Halle denjenigen in die Hände, die sowieso der Meinung sind, dass Institutionen wie Philharmonie und Stadttheater der öffentlichen Hand auf der Tasche liegen und dieser Zustand umgehend ein Ende haben müsse. Nicht nur aus diesem Grund ist Ihre heiß gestrickte Kampagne Konzerthaus die dritte meiner Meinung nach unklug und kontraproduktiv.
Ich bleibe bei dem, was ich schon in der Spiegelhalle gesagt habe. Lassen wir diese Debatte gar nicht erst weiter aufkommen und sorgen wir mit vereinten Kräften dafür, dass das in der Tat bunte und gute Kulturangebot in dieser Stadt erhalten bleibt. Damit haben wir genug zu tun. Weitere Höhenflüge stehen da nicht auf der Tagesordnung und sind nach außen auch nicht vermittelbar.
So gesehen wird es Sie nicht wundern, dass wir von der Linken Liste nicht zustimmen und uns Ihren beabsichtigten Wiederbelebungsmaßnahmen nachhaltig verweigern.
Guter Redebeitrag von Herrn Reile
Hier ein paar dazu passende Erfahrungen:
Neulich im K9. Sehr voller Saal, alles ziemlich eng. Der erste Vorstand erklärt vor der Aufführung, dass auf der Empore aus Brandschutzgründen nur noch 10 Personen zugelassen seien. Für mehr Publikum auf der Empore sei ein zusätzlicher Fluchtweg erforderlich, der von der Stadt (als teilweiser Träger des Vereins) und der Spitalstiftung (als Vermieter) allerdings noch nicht genehmigt sei. Später erfahre ich, dass es sich hierbei um einen finanziellen Aufwand in der Größenordnung von 20.000 Euro handelt.
Angesichts voller Kassen der Stadt, neuen Plänen für ein Veranstaltungshaus und etwa 600.000 Euro Verluste der Philharmonie ist das Zögern schwer zu verstehen.
Dazu passt auch die Äusserung von Stadtrat Stiegeler, dass er vermute, der Kulturladen wolle da nur etwas „abgreifen“, wenn er einen moderaten Zuschuss von 125.000 Euro für die Erneuerung der 30 Jahre alten Technik beantragt. Unlängst wurde der Bühnenturm des Stadttheaters für etwa 2 Millionen Euro renoviert. Da hat keiner von „Abgreifen“ gesprochen.