Was die Arbeitslosen-Statistik nicht sagt
Jubelbilanz der Konstanzer Arbeitsagentur: Entgegen dem Bundestrend ging die Arbeitslosigkeit im Bezirk des westlichen Bodensees im Juli zurück. Und die Zahl offener Stellen hat sich merklich erhöht. Doch auch diese Statistik will interpretiert sein: Mehr als ein Drittel der Jobangebote kommen von Zeitarbeitsfirmen. Und die vermieten Arbeitskräfte als schlechter bezahlte Leiharbeitnehmer. Die Zahl „normaler Arbeitsplätze“ ist eher rückläufig.
859 neue Stellen wurden der Arbeitsagentur im Juli gemeldet, 165 mehr als im Juni und 376 mehr als im Juli 2009. Doch von diesen 859 Jobangeboten sind 317 – 36 Prozent – von Zeitarbeitsfirmen angefordert. Sascha Hain, Pressesprecher der Konstanzer Agentur, bestätigt dann auch, dass sich dieser Trend zu Leiharbeitsverhältnissen verstärkt fortsetzt. Jeder fünfte Beschäftigte arbeitet bundesweit, so eine aktuelle Arbeitgeber-Untersuchung, nur noch per Zeitvertrag. Und der Trend zum „Arbeitnehmer zweiter Klasse“ setzt sich ungebremst fort. Da fällt die moderate Erholung am Bodensee-Arbeitsmarkt (die Arbeitslosenquote sank von 4,8 auf 4,7 Prozent und liegt damit genau im Landesdurchschnitt) kaum ins Gewicht..
Eine weitere Entwicklung ist besorgniserregend: 875 Jüngere bis 25 Jahre sind bei der Arbeitsagentur arbeitslos gemeldet, 10,2 Prozent mehr als im Vormonat. Verantwortlich für diese Entwicklung ist neben dem Schuljahresende besonders die Beendigung von Ausbildungsverhältnissen. Allein 272 Jugendliche wurden nach Ausbildungsende von den Arbeitgebern nicht übernommen und melden sich neu arbeitslos.
Auch ansonsten sind die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit mit Vorsicht zu lesen. Fast möchte man meinen, sie würden absichtlich geschönt. Nur einige Beispiele:
Wer fehlt in der Arbeitslosen-Statistik?
Wer sich nicht zur Arbeitssuche meldet, taucht in der Statistik nicht auf; das gilt z.B. für Freischaffende, die als IT-Berater, Schauspieler oder Journalist weniger verdienen als ihnen das Arbeitsamt zahlen würde. Gleiches gilt für alle, die nicht mindestens 15 Stunden pro Woche arbeiten können oder krank geschrieben sind. In der Arbeitslosenstatistik fehlen aber vor allem jene, die an Maßnahmen der Arbeitsförderung teilnehmen. Das betrifft Fort- und Weiterbildung genauso wie Trainings- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Auch wer einen Ein-Euro-Job hat, gilt offiziell als nicht arbeitslos. Eine Sonderregelung gilt für alle ab 58 Jahren. Wer in diesem Alter mindestens ein Jahr Arbeitslosengeld II (Hartz IV) bezogen, aber kein Job-Angebot bekommen hat, ist laut Statistik nicht arbeitslos – diese seit Jahrzehnten mutwillig von Arbeitgebern gepflegte Praxis der „Vorpensionierung“ belastet zudem die Sozialversicherungen zusätzlich.
Wie hoch sind die Arbeitslosenzahlen wirklich?
Wie viele Jobs in Deutschland fehlen, lässt sich nur schätzen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) addiert zu diesem Zweck die registrierten Arbeitslosen und die so genannte Stille Reserve. Damit meinen die Forscher die Teilnehmer an Maßnahmen der Arbeitsförderung sowie all jene, die arbeiten wollen, aber nicht in der Statistik auftauchen. Für 2009 bezifferte das IAB die Stille Reserve bundesweit auf 1,02 Millionen. Die Zahl der „offiziellen Arbeitslosen“ würde sich also um gut ein Drittel erhöhen.
Autor: hpk