Was geschah wirklich in der Singener Teestube?
Die Nerven lagen blank in der Nacht auf den 28. August im Singener Jugendtreff „Teestube“: 26 Polizeibeamte aus Singen, den angrenzenden Gemeinden und sogar aus Konstanz stürmten die „Teestube“, es kam zu Rangeleien, es gab Verletzte. Und jetzt gibt es gegenseitige Vorwürfe und natürlich unterschiedliche Darstellungen beider Seiten
Dabei ging es nur um eine lächerliche Ruhestörung – doch Gerd Kauschat vom Förderverein Teestube Singen spricht in einer Pressemitteilung von „überflüssiger Polizeigewalt“. Dass Gewalt angewendet wurde, bestätigt auch Michael Aschenbrenner, Sprecher der Konstanzer Polizeidirektion – es kam zum Einsatz von Pfefferspray, es kam sogar zu einem Unfall mit Pfefferspray, als die Kappe einer Spraydose abriss und das ausströmende Gas Polizisten wie Teestuben-Besucher gleichermaßen verletzte.
Doch damit erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten in der Berichterstattung. Während Kauschat von einer „ungesetzlichen Beschlagnahmung“ von Handies und Kameras spricht, verteidigt Aschenbrenner seine Kollegen: „In dem Trubel ließen sich keine Quittungen ausstellen“. Man habe stattdessen am Tag darauf die Bescheinigungen auf der Wache ausgestellt. Dem widerspricht Gerd Kauschat, der berichtet, auf der Wache seien die jungen Leute genötigt worden, ihre Handies ohne Bescheinigung einzusammeln. Auch den Vorwurf der „unterlassenen Hilfeleistung“ will die Polizeidirektion nicht auf sich sitzen lassen – schließlich seien die Verletzten gemeinsam von Gästen einer nahen Gaststätte versorgt worden.
Mittlerweile laufen polizeiliche Vernehmungen, aber auch schon Dienstaufsichtsbeschwerden. Mittlerweile sind Anwälte eingeschaltet und bei der Polizei wird Schadensbegrenzung versucht.
Im Anschluss dokumentieren wir zunächst die Presseerklärung des Fördervereins Teestube und letztlich die Mitteilung der Polizei.
Autor: hpk
Überflüssige Polizeigewalt bei Einsatz in der Teestube
Singen – In der Teestube fand in der Nacht vom 27.08.2013 auf 28.08.2013 ein Polizeieinsatz im Zusammenhang mit einer Ruhestörung bei einem Konzert statt, bei dem insgesamt neun Besucher der Teestube z.T. erheblich verletzt wurden. Gegen 22.45 Uhr tauchten drei Beamte der Polizei vor der Teestube auf, da nach Angaben der Beamten ein Anruf eines Nachbarn erfolgt war. Dabei fiel bereits auf, dass den Beamten die der Polizei vor einem Monat benannte Ansprechpartnerin für Konzerte nicht bekannt war. Den Beamten wurde daraufhin die Ansprechpartnerin erneut benannt. Das Konzert wurde dann mit deutlich reduzierter Lautstärke fortgesetzt.
Gegen 23.15 Uhr tauchten dann mehrere Streifenwagen vor der Teestube auf. Erneut versuchten die Beamten nicht, die benannte Ansprechpartnerin zu erreichen, sondern verschafften sich unter
Einsatz von Pfefferspray (in geschlossenen Räumen!), angeblich zur Beschlagnahme der Musikanlage, Zutritt zur Teestube, obwohl Ihnen bereits an der Tür angeboten wurde, die Anlage auszuhändigen. Im weiteren Verlauf des Einsatzes drangen Beamte der Polizei, der Bundespolizei und des Zolls sowohl in den Bereich des Jugendzentrums, wie auch in die angeschlossene Jugendwohngemeinschaft ein.
Alle verbliebenen Besucher der Teestube sowie die Bewohner der WG, die z.T. in ihren privaten Zimmern schliefen, wurden zwangsweise zur Feststellung der Personalien auf die Straße geführt. Verletzten, die zur Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe das Singener Krankenhaus aufsuchen wollten, wurde das Verlassen des Gebäudes verwehrt. Ein daraufhin zu Hilfe gerufener Krankenwagen wurde nach dem Eindruck von Besuchern von der Polizei wieder weggeschickt. Versuche, das rüde Vorgehen der Polizei mit Kameras und Handykameras zu dokumentieren, endeten mit der Beschlagnahme fast aller vorhandenen Handys und Kameras durch die Polizei. Dabei weigerte sich die Polizei, auch auf mehrfaches Verlangen, die Beschlagnahme zu bescheinigen. Mehrere Personen, die ihren Unmut über das Vorgehen der Polizei äußerten, wurden fest- oder in Gewahrsam genommen.
Der Vorstand des Fördervereins Teestube Singen e.V. bedauert ausdrücklich, dass die Polizei in der
oben beschriebenen Weise bestehende Absprachen missachtete und dadurch unnötigerweise Menschen zu Schaden kamen. Darüber hinaus ist es offensichtlich, dass eine Eskalation ohne weiteres hätte vermieden werden können, wenn das Angebot, die Konzertanlage auszuhändigen, von der Polizei wahrgenommen worden wäre. Der Vorstand bedauert weiterhin, dass die Nachtruhe der Anwohner, die, sofern sie überhaupt beeinträchtigt wurde, ohne das unbesonnene Vorgehen der Polizei bereits vor 23.30 Uhr wieder hätte hergestellt sein können, durch den völlig unverhältnismäßigen Polizeieinsatz bis ca. 2.00 Uhr erheblich gestört war.
Für den Förderverein Teestube Singen e.V.
i.A. Gerd Kauschat
Widerstand – mehrere Polizeibeamte verletzt
Singen Am Dienstag ertönte aus einem Gebäude in der Hauptstraße gegen 22:45 Uhr sehr laute Musik. Anwohner beschwerten sich. Eine Streifenbesatzung wies die Ruhestörer an, die Musikanlage leiser zu drehen. Gleichzeitig wurde seitens der Beamten darauf hingewiesen, dass bei Missachtung der polizeilichen Weisung mit einer Beschlagnahme der Musikanlage zu rechnen sei. Gegen 23:20 Uhr musste die Polizei erneut anfahren, da die Musik immer noch in voller Lautstärke lief. Als die Beamten die Räumlichkeiten betreten wollten, um die Musikanlage der völlig uneinsichtigen Störer zu beschlagnahmen, stellten sich ca. 20 Personen in den Weg und verhinderten das Betreten der Räume, indem sie sich vor den Polizisten aufbauten und diese immer wieder zurückstießen. Weitere Personen aus anderen Zimmern kamen hinzu und bedrängten die Beamten, die daraufhin Verstärkung anfordern mussten.
Die Situation eskalierte. Die Ruhestörer gingen die Beamten körperlich an und schlugen auf sie ein. Die Polizisten waren deshalb gezwungen, Pfefferspray einzusetzen. Dabei gelang es einer Widerstand leistenden Person, den Verschluss eines Pfefferspray-Sprühgerätes abzureißen, wodurch das Pfefferspray schlagartig entwich. Die in unmittelbarer Nähe befindlichen Beamten wurden davon tangiert. Sie erlitten Reizungen auf der Haut – ein Beamter wurde an der Hand verletzt. Kräfte von umliegenden Revieren, sowie der Bundespolizei und des Zolls mussten unterstützend eingreifen. Drei Personen wurden vorläufig festgenommen. Vier Personen in Gewahrsam genommen, da sie einem Platzverweis nicht nachkamen. Gegen 26 Personen läuft ein Ermittlungsverfahren.
Hurrle/Aschenbrenner, Polizeidirektion Konstanz
Hallo Herr Kauschat,
das sind gute Nachrichten, und vielen Dank dafür 🙂
Warten wir zunächst einmal ab, wie die Aufarbeitung des kürzlich stattgefunden habenden Polizeieinsatzes in der Teestube verläuft.
Als Mitglied des Kreisvorstands der Partei DIE LINKE in Konstanz möchte ich Ihnen mitteilen, dass wir weiterhin ein sehr interessiertes Auge haben werden auf die Entwicklungen in und um die Teestube in Singen.
Unserer Solidarität können Sie gewiß sein!
Es ist mir auch ein persönliches Anliegen: Denn Einrichtungen wie die Teestube gibt es leider immer noch viel zu wenige im grün-roten Baden-Württemberg …
Grüße aus Konstanz,
Stefan Frommherz
Hallo Herr Frommherz,
> In Singen hat vor Kurzem ein OB-Wechsel stattgefunden.
> Und ich denke, in Anbetracht der Vorfälle sollte der
> neue OB die Causa Teestube zur Chefsache machen!
> Dialog mit der Jugend hat immer Zukunft!
Beide Kandidaten haben im Wahlkampf Unterstützung für die Teestube zugesagt, Herr Häusler allerdings, insbesondere was eine Stelle angeht, deutlich mehr, als Herr Ehret.
Herr Häusler hat unmittelbar nach dem Vorfall gegenüber den Schaffhauser Nachrichten geäussert, dass er weiterhin beabsichtige, die Teestube verstärkt zu unterstützen. Auch hat er, als wir am Samstag nach dem Vorfall mit anderen Gruppen eine Aktion gegen den NPD-Stand machten, uns versichert, dass die gegebenen Zusagen weiterhin gelten. Bei der Gelegenheit hat er dann auch allen anwesenden Teestüblern öffentlich die Hand geschüttelt.
Ich kann über Herrn Häusler in Punkto Teestube nichts Schlechtes sagen, wirklich nicht. Die Gespräche mit der Stadt über einen Zuschuss laufen auch nach dem Vorfall unverändert weiter.
Grüssle aus Singen
Gerd Kauschat
Vielleicht etwas zu früh geurteilt, aber nach allem was ich bisher zu dem Vorfall gelesen und gehört habe, drängt sich mir doch eine schlimme Vermutung auf.
Was da in der Teestube in Singen passiert ist hat mit Verhältnismäßigkeit und Besonnenheit seitens der herbeigerufenen Polizeibeamten wenig zu tun.
Der überzogene Einsatz riecht einfach nur dermaßen schlecht nach einem interessengeleiteten Vorhaben gegen eine als lästig betrachtete Einrichtung der alternativen Jugendkultur.
Statt nach einem lächerlichen Vorwand zu suchen hier aufzuräumen, sollte die Stadt Singen eher froh sein, dass es bereits seit Jahrzehnten die Teestube gibt, in der Jugendliche jenseits von „Kommerz“ selbstbestimmt ihre Freizeit, ihren Feierabend verbringen können, anstatt auf der Straße herumhängen zu müssen.
Ich fühle mich um Jahre (um nicht zu sagen Jahrzehnte) zurückversetzt, wenn ich mir Berichte und Berichterstattungen zu dem Teestuben-Einsatz vergegenwärtige.
Moderne Stadtplanung sieht mittlerweile überall anders aus!
Da sollte Singen nicht zurückstehen!
In Singen hat vor Kurzem ein OB-Wechsel stattgefunden. Und ich denke, in Anbetracht der Vorfälle sollte der neue OB die Causa Teestube zur Chefsache machen! Dialog mit der Jugend hat immer Zukunft! 🙂
Noch kurz zum Thema Ruhestörung: das muss man natürlich immer ernst nehmen, keine Frage!
Ich war viele Jahre im Gastronomie- und Musikveranstaltungsbereich tätig. Da gibt es immer wieder mal einzelne (oft berechtigte!) Beschwerden.
Herkömmlicherweise kommen dann zwei PolizeibeamtInnen vorbei, mit denen man die Angelegenheit dann meist kurz und einvernehmlich klärt.
Das ist der Normalfall und nichts wirklich Aufregendes.
Und warum musste es in Singen ausgerechnet so aufregend sein?
Diese Frage stellt
Stefan Frommherz
Hallo Herr Lichtwald,
> Meine Frage: War der eintreffenden Polizei bewusst, zu welch’
> politisch umstrittenen Ort sie gerufen wurden?
Na, ja, die Teestube hat bei der Stadt wieder Fördergelder und eine Stelle beantragt, und zu diesem Zweck ein neues Konzept erarbeitet. Das wird jetzt am 10.10. im JSO behandelt.
Ich habe bei dem Einsatz der Polizei mehrfach Sätze wie „Das ist jetzt hoffentlich das Ende für die Teestube“ von Seiten der Beamten gehört.
Darauf kann mensch sich jetzt einen Reim machen, oder auch nicht.
Grüssle
Gerd Kauschat
Solche kontroverse Debatten erschrecken mich aus einem wohl ganz anderen Grund: Die Teestube ist in Singen ein Politikum seit Jahren. Andreas Renner wollte sie als OB ganz loswerden, das Übergangsquartier im Treffpunkt Süd war unerträglich. Jetzt haben engagierte jüngere Leute eine innerstädtische Anlaufstelle geschaffen, die keineswegs ein Lieblingskind der städtischen Kommunalpolitik ist. Im Gegenteil. Meine Frage: War der eintreffenden Polizei bewusst, zu welch‘ politisch umstrittenen Ort sie gerufen wurden? Wie „ehrlich“ ist da der Umgang miteinander? Ruhe und Ordnung kennzeichnete das „ehretliche“ Loblied auf die lokale Kriminalprävention während des OB-Wahlkampfes. Und wie sieht dann die Praxis aus, wenn sie auf den Prüfstand kommt? Darüber muss man miteinander nachdenken. Wichtig wäre es, das eigene Bild von der Stadt, also die Innenansicht, gemeinsam gerade zu rücken.
„Dem widerspricht Gerd Kauschat, der berichtet, auf der Wache seien die jungen Leute genötigt worden, ihre Handies ohne Bescheinigung einzusammeln“
Nach meinem Wissensstand wurden Leute auf die Wache gelockt mit dem Versprechen, sie würden dort ihr Handy zurückerhalten. Dort wurden sie stattdessen zur Einvernahme da behalten. Auch wurde wohl versucht, Leuten eine Unterschrift abzunehmen, dass sie ihr Handy dort freiwillig abgegeben haben.
Grüssle
Gerd
Pfeffersprayer gegen passiven Widerstand.
In der verkehrsregulierenden klar geordneten Hauptstraßen-Umgebung, wo brave Anwohnerinnen den Fernseher schon mal lauter stellen müssen wegen fließender Berufspendler, steht ein kleines Häuschen eingezwängt von Plattenbauten – sozusagen ein gallisch-alemannisches Wespennest alternativer Jugendkultur.
Was tun bei einer schönen Spätsommernacht – mal kurz einen heißen Herbst einläuten.
Ruhe als Bürgerpflicht gilt als durchsetzungsnotwendige Maxime in der Stadt der um Wohlstand ringenden Mitmenschen.
Da schellt das Sorgentelefon bei den Ordnungshütern und der Adrenalinpegel steigt enorm.
Schon mal den Plan C wie chemische Attacke aktiviert.
Ja – Nein – oder gar beschwichtigen – hier brechen einige muntere Wespen den Damm der schlummermüden Nachbarschaft.
Die Anzahl der Ordnungshüter reicht nicht – die rote Linie scheint längst überschritten zu sein – also wird der Heldenring verstärkt, so dass auch kein kleines stichelendes, motzendes Monsterlein entkommt.
Es spielt in dieser Nacht überhaupt keine Rolle, dass die Teestuben-Engagierten sonst, wenn ein Musikabend geplant war, die Anwohner per Infoblatt rechtzeitig um Verständnis baten.
In dieser Nacht wurde eben eine Bergpredigt der anderen Art durchgesetzt – nichts für Warmduscher, Softies oder für auf gegenseitige Besinnung geschulten Sozialkräfte – nur herb und effizient durchgreifen.
Ich bin nun fast 70 und leide noch nicht an Altersvergesslichkeit. Wir waren auch nicht besser! Wirklich, ich kann mich noch genau erinnern. Damals vor 55 Jahren hatten wir aber auch Menschen die lauthals aus den Fenstern plärrten : „In unserer Jugend gab es so etwas nicht.“ Damals gab es zu unserem Glück kaum Telefone.
http://www.youtube.com/watch?v=ZbmG8qhq_cg
StGB § 117
Unzulässiger Lärm
(1) Ordnungswidrig handelt, wer ohne berechtigten Anlaß oder in einem unzulässigen oder nach den Umständen vermeidbaren Ausmaß Lärm erregt, der geeignet ist, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft erheblich zu belästigen oder die Gesundheit eines anderen zu schädigen.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünftausend Euro geahndet werden, wenn die Handlung nicht nach anderen Vorschriften geahndet werden kann.
Pfefferspray ??? Wann gegen Falschparker?
Frage:
Wer nimmt endlich der Polizei dieses provozierende Zeug weg? Ist sein Einsatz verhältnismäßig? Nach welchem Gesetz darf es eingesetzt werden? Mehr als 65 Jahre ging es ohne. Warum heute nicht mehr? Was ist anders bei unserer heutigen Jugend?