Was ist und wie funktioniert abgeordnetenwatch?

Foto: Djorcevic

Über das Internetportal abgeordnetenwatch.de sind jetzt auch Stadt- und Gemeinderäte erreichbar. Die Webseite hat ein Pilotprojekt gestartet, an dem sich auch die baden-württembergischen Städte Stuttgart, Pforzheim und Villingen-Schwenningen beteiligen. Warum nicht auch Singen, Konstanz oder Friedrichshafen? seemoz fragte nach – und stieß auf Ahnungslosigkeit. Das sollte sich doch ändern lassen…

Weder Pressestelle noch Hauptamt der Stadt Konstanz sind jemals von dem Hamburger Verein abgeordnetenwatch.de angesprochen worden. „Das war bislang nie Thema bei uns“, bekennt Pressesprecher Dr.Walter Rügert. Auch Axel Huber, Presseverantwortlicher der Stadt Singen, weiß nichts von Initiativen des Hamburger Vereins am Hohentwiel. Nach Auskunft von abgeordnetenwatch kommt häufig der Anstoß gar nicht vom Verein selbst, sondern aus der Bürgerschaft der betreffenden Gemeinden. Aber auch da hat sich offensichtlich rund um den Bodensee bisher nichts geregt.

Was ist und wie funktioniert abgeordnetenwatch?

2004 waren es zuerst die Hamburgerinnen und Hamburger, die ihre Abgeordneten in der Bürgerschaft auf abgeordnetenwatch.de öffentlich befragen konnten. 2005 wurden bereits die Kandidaten zur Bundestagswahl auf den Prüfstand gestellt. Ein Jahr später, am 8. Dezember 2006, ging abgeordnetenwatch.de für den Bundestag an den Start, im September 2008 folgte das Europaparlament. Das heißt: Jede Wählerin, jeder Wähler kann jeden dieser Abgeordneten, jede Kandidatin und jeden Kandidaten, via Internet befragen. Und für alle sichtbar, werden diese Antworten auch veröffentlicht. Ab sofort gilt das auch für Gemeinderäte, für 14 in ganz Deutschland zumindest. Weitere Informationen unter www.abgeordnetenwatch.de

Man kann sich vorstellen, dass solche Neugier nicht bei allen Politiker auf Begeisterung trifft. So wehrte sich im Vorfeld der Landtagswahl die CDU im Ländle gegen solche Befragungspraxis – aber sie kam doch. Landtagskandidaten auch der Bodensee-Wahlkreise nahmen munter an dem Frage- und Antwortspiel teil wie schon die Bundestagsabgeordneten zuvor. Doch auch das Pilotprojekt stieß auf Skepsis: So empörte sich ein lokaler Bauunternehmer zum Beispiel aus Villingen, der gleichzeitig im Stadtrat sitzt, am Telefon und will „keine Mails voller Schrott“ über abgeordnetenwatch.de. Auch die Erklärung, dass jede Bürgeranfrage von einem Moderatorenteam gegengelesen und Beleidigungen etc. nicht freigeschaltet werden, konnte ihn nicht überzeugen.

Andere Kommunalpolitiker verbaten sich, dass Bürger ihnen öffentlich Fragen stellen. Sie hätten dazu nicht ihr Einverständnis gegeben. Wieder andere redeten sich mit Datenschutz heraus: Wenn ihr Name ohne Zustimmung im Internet veröffentlicht würde, seien sie in ihren Rechten verletzt.

Transparenz in den Gemeinderäten

Auf Gemeindeebene scheint einiges im Argen zu liegen. Offensichtlich haben sich manche Kommunalpolitiker im Stadtrat bereits bequem eingerichtet. Und sonnen sich in ihrer Wichtigkeit, was gerade in Konstanz z.B. zu einer Inflation geheimer Sitzungen führt. Aber gerade deshalb gibt es viele Fragen, die man als Bürger gerne stellen möchte. Und dafür gibt es jetzt abgeordnetenwatch.de in Stuttgart, Pforzheim, Leipzig, Dresden, Leverkusen und Villingen-Schwenningen – auch ohne Zustimmung der Politiker. Denn aktive Bürgerinnen und Bürgern vor Ort haben ehrenamtlich die Datenrecherche übernommen. Und Fördermitglieder finanzieren die technische Erweiterung des Portals und die verlässliche Freischaltung aller Fragen und Antworten. Später sollen auch wichtige Abstimmungen in den Stadt- und Kreisparlamenten dokumentiert werden.

Doch es soll nicht bei diesen 14 Städten des Pilotprojekts bleiben. Vision ist, abgeordnetenwatch.de für alle Städte, Landkreise und Gemeinden in Deutschland anzubieten. Das schafft der Verein widerborstiger Journalisten aus Hamburg aber nur mit langfristiger Unterstützung von Bürgern, die als zahlende Fördermitglieder oder ehrenamtliche Rechercheure mitarbeiten. So kann man helfen, abgeordnetenwatch.de stetig zu erweitern und Transparenz auch in den Kommunen zu schaffen.

 

Autor: hpk