Was wird im Gemeinderat verdient?
„Transparenzoffensive“ nennt es das Junge Forum Konstanz: Die Mitglieder wollen „sämtliche Einkünfte aus dem Gemeinderat auf der eigenen Homepage offenlegen.“ In einer entsprechenden Anfrage von seemoz sprachen alle Fraktionen davon, die Einkommen aus Gemeinderatstätigkeit offen beziffern zu wollen. Nur bei den übrigen Einkünften hapert es mit der Offenheit
Die Krux: Mit einer Offenlegung der Gemeinderats- und Aufsichtsratsentschädigungen auf den Homepages der Fraktionen erfahren die Wählerinnen und Wähler tatsächlich kaum mehr, als sie ohnehin schon wissen. Der Südkurier-Artikel „Alle Zahlen liegen auf dem Tisch“ von Jörg-Peter Rau gibt beispielsweise auch keine Auskunft darüber, wie hoch der Aufsichtsratsposten bei der Sparkasse für GemeinderätInnen dotiert ist. Aus Sicht von Stadträtin Gabriele Weiner (FWK) sei alles „transparent“. Immerhin, von der Freien Grünen Liste war zu vernehmen, dass Charlotte Biskup, die am 03.07. in den Sparkassen-Aufsichtsrat gewählt wurde, derzeit noch keine Informationen habe.
„Private Einkünfte und Vermögen sind Privatsache“
Besonders „erbost“ über die Anfrage nach Auskunft über ihr Einkommen war der liberal-konservative Flügel des Gemeinderates: „Einkünfte aus beruflicher Tätigkeit sind jedoch Privatangelegenheit und sollten dies auch bleiben“, heißt es von der CDU. „Keiner ist bereit
(auch ich nicht) über seine Einkünfte aus beruflicher Tätigkeit, Erbschaft, Rente, oder sonstwas Auskunft zu geben“, schreibt Heinrich Everke von der FDP.
Die Vergütungsansprüche bei den Freien Wählern lassen dann allerdings etwas nachdenklich stimmen. Aus Jörg-Peter Raus Südkurier-Artikel „[geht] hervor, dass wir uns damit im Mindestlohnbereich bewegen. Es gibt sicherlich keinen Gemeinderat/rätin, die dieses Amt aus finanziellen Erwägungen anstrebt“, kommentiert Ewald Weisschedel die Anfrage. Seine Fraktionskollegin Weiner kritisiert die Berechnung der Arbeitsstunden, die für die Gemeinderatsarbeit aufgebracht werden müssten: „Korrekt wäre es, die Stunden, die wir wegen der GR- Arbeit nicht einer regulären Arbeit nachgehen können, in die Gesamtberechnung mit einzubeziehen.“
„Auffindbarkeit verbessern“
Die SPD möchte die Auffindbarkeit der Zahlen auf der Homepage der Stadt verbessern. „Diese Angaben“ sollten „bei den einzelnen Gemeinderatsmitgliedern auf der Homepage der Stadt abrufbar [sein]“, heißt es hierzu von SPD-Stadträtin Hanna Binder. „Im Hinblick auf das sonstige Einkommen (Erwerbstätigkeit, Vermögen, Rente u.a.) haben wir Verständnis, dass die Veröffentlichung nicht für alle in Betracht kommt“, heißt es weiter, da diese Informationen dem Schutz der Persönlichkeit unterliegen: „Hinzu kommt, dass die Gemeinderatstätigkeit nicht mit einem Parlament, für das Abgeordnete im Haupterwerb tätig sind, verglichen werden kann.“
Dass in der hiesigen Gesellschaft niemand so recht offenlegen will, von welchem Vermögen und Einkommen man denn seinen Lebensunterhalt bestreitet, mag nun wirklich niemanden verwundern. Allerdings ergibt sich aus den Antworten von FDP und Freien Wählern vor allem die Frage, welches Politikverständnis einige denn an den Tag legen. Wenn Einkommen Privatsache sind, warum müssen dann Menschen, die einen Hartz-IV-Antrag stellen, sich vor dem Amt erst buchstäblich ausziehen, lückenlos erklären, was sie besitzen, mit wem sie zusammenwohnen, etc.? So handelt es sich bei Hartz IV doch genauso um eine öffentliche Leistung wie die Aufwandsentschädigung für Gemeinderatsarbeit. Wer jetzt unkt, Hartz IV gäbe es ohne Gegenleistung, hat von willkürlichen und unrechtmäßigen Leistungskürzung und Sanktionen wohl in den letzten neun Jahren nicht viel mitbekommen.
Wenn es von CDU bis Junges Forum den Fraktionen denn letztlich ernst ist um ihre vielbeschworene „Transparenz“, so würde eine Offenlegung der Einkommensverhältnisse auch über das im Gemeinderat hinzuverdiente „Taschengeld“ hinausgehen. Ob man Vertrauen dadurch schafft, dass man mit Ausrufezeichen, Textmarker und blinkenden Internetverlinkungen auf die schon bekannten Zahlen hinweist, darf jedenfalls bezweifelt werden.
Autor: Ryk Fechner
Abschließend die Stellungnahmen der GR-Fraktionen im Wortlaut:
Die CDU-Fraktion unterstützt grundsätzlich jeden Vorstoß, der dazu dient, das Vertrauen in die Politik zu stärken und Transparenz zu fördern. Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn es um das Geld der Steuerzahler geht. Die Höhe der Aufwandsentschädigung für die Arbeit in öffentlichen Gremien wird daher öffentlich beschlossen. Die entsprechenden Informationen sind für jedermann zugänglich. Gleiches gilt für die Entschädigung in den Aufsichts-und Beiräten der städtischen Gesellschaften, die im Beteiligungsbericht ausgewiesen sind. Der Beteiligungsbericht wird jährlich erstellt und in öffentlicher Sitzung behandelt. Die Einkünfte aus beruflicher Tätigkeit sind jedoch Privatangelegenheit und sollten dies auch bleiben.
Hallo,
ich möchte kurz auf Ihre Anfrage zu Einkünften der Gemeinderäte antworten: Wir bekommen für die Tätigkeit im Gemeinderat eine Aufwandsentschädigung von 370,-€ im Monat, das ist allgemein bekannt. In der FGL geben wir 10% davon monatlich in die Fraktionskasse, um Ausgaben zu bestreiten. Da ich neu in dem Gremium bin, weiß ich im Moment selbst nicht, wie viel es für Aufsichtsratstätigkeiten gibt – persönlich würde ich es begrüßen, wenn öffentlich bekannt wäre, für welche Tätigkeiten wie viel bezahlt wird. Besonders ärgerlich finde ich, dass beim Aufsichstrat der Sparkasse absolut „geheim“ ist, wie viel man da bekommt. Das ist aber jetzt meine persönliche Meinung, als Fraktion müssten wir Ihre Fragen noch besprechen.
Gruß,
Gisela Kusche , FGL
Lieber Herr Fechner,
danke für ihre Anfrage. Die Antworten habe ich im Einverständnis mit meiner FGL-Fraktion zusammen unten folgend dargestellt. Von unserer Sicht gibt es keine Bedenken mandatsabhängige Einkünfte offen zu legen, im Gegenteil, wir meinen, dass die Transparenz nötig ist, und die Bürger sollen über die Bezüge und Abgaben informiert sein.
Mit herzlichen Grüßen
Günter Beyer-Köhler
Vorwort:
Die FGL Fraktion erhält pro Gemeinderat 128Euro/Monat von der Stadt für ihre Fraktionsarbeit. Damit finanziert die FGL eine Teilarbeitsstelle/Fraktionsassistenz. Alle Gemeinderäte erhalten derzeit 370.00Euro/Monat Aufwandsentschädigungen Die/der Fraktionsvorsitzende erhält zusätzlich 25% = 92,50/Monat. In der FGL geben alle Fraktionsmitglieder 10% ihrer GR-Aufwandsendschädigung und 50% von allen Aufsichtsratsentschädigungen in die FGL-Vereinskasse als freiwillige Spende ab, dazu bezahlt jeder seinen Vereinsbeitrag. Mit diesen Geldern finanziert der Verein seine politische Arbeit, finanziert Wahlkämpfe sonstige Vereinsaufgaben, unterstützt andere
AUFSTELLUNG ÜBER DIE VERGÜTUNG DER AUFSICHTSRÄTE/ BEIRÄTE Stand 4.07.2014
Aufwandsentschädigungen: Vorsitzender / stellv. Vorsitzender / übrige AR Sitzungsgeld / alle AR
Stadtwerke ab Dez. 2012 500 € / 350 € / 200 € / 100 € Müller-Neff, Dr. Jacobs-Krahnen
WOBAK ab August 2012 400 € / 250 € / 150 € / 100 € Beyer-Köhler, Dreßen, Mühlhäuser
Tourist-Information Konstanz 210 € / 105 € / 0 € / 55 € Kusche
Bädergesellschaft Konstanz 250 € / 130 € / 60 € / 70 € Küttner
Bodensee-Schiffsbetriebe 250 € / 130 € / 70 € / 70 € Dr.Jacobs-Krahnen
Bodensee-Hafen-Gesellschaft 0 € / 0 € / 0 € / 100 € Dr.Jacobs-Krahnen
Stadtmarketing Konstanz 0 € / 0 € / 0 € / 0 € Biskup,Dreßen
Flughafen-Gesellschaft Konstanz 0 € / 0 € / 0 € / 0 € Küttner,Dreßen
Vincentius Krankenhaus AG 300 € / 150 € / 80 € / 100 € kein FGL Mitglied
Katamaran-Reederei Bodensee 0 € / 0 € / 0 € / 50 € Müller-Neff
Gesundheitsverbund LK KN AR 600€ / 400€ / 400€ / 150€ Küttner
BHS Städtebau Bodensee/Hegau GmbH 180€ / 200 € Beyer-Köhler
Biskup (Frau Biskup wurde gestern (3.07.14) für die Sparkasse neu gewählt und hat derzeit noch keine Informationen)
Lieber Ryk,
die Bezüge für Gemeinderäte sind bekannt. 370€ pro Rat und pro Monat. Der Fraktionsvorsitzende erhält einen Zuschlag von 25%. Darüber hinaus können pro Gemeinderat bei Fraktionsstärke 128€ Personalkosten im Monat erstattet werden. Das Junge Forum Konstanz plant im Rahmen seiner Transparenzoffensive/initiative, sämtliche Einkünfte aus dem Gemeinderatsmandat auf der eigenen Homepage offen zu legen, sofern dies nicht durch Geheimhaltungsverpflichtungen verhindert wird. Einer Initiative zur Aufhebung dieser würde das JFK zustimmen. Des Weiteren werden die Räte des Jungen Forums als erste Fraktion in der Geschichte des Konstanzer Stadtrates geschlossen ihr Abstimmungsverhalten transparent veröffentlichen. Mehr Details zur JFK-Transparenzoffensive/Initiative werden in den kommenden Wochen bekannt gegeben.
Mit freundlichen Grüßen
Hans Christian Hillmann
Lieber Herr Fechner
Ich habe mich bei meinen Kollegen von der FDP erkundigt. Keiner ist bereit (auch ich nicht) über seine Einkünfte aus beruflicher Tätigkeit, Erbschaft, Rente, oder sonstwas Auskunft zu geben. Unsere Einnahmen als Stadträte sind Ihnen und der Öffentlichkeit bekannt. Heute standen sie ja auch im Südkurier. Dem ist aus unserer Sicht nichts hinzuzufügen.
Gruß Ihr
Dr. med. Heinrich Everke
Sehr geehrter Herr Fechner,
der heutige Artikel im Südkurier schildert korrekt unsere Einnahmen als Gemeinderäte. Es geht daraus hervor, dass wir uns damit im Mindestlohnbereich bewegen. Es gibt sicherlich keinen Gemeinderat/rätin, die dieses Amt aus finanziellen Erwägungen anstrebt
Ihr Ewald Weisschedel
Anbei eine weitere Stellungnahme unseres FWK-Fraktionsmitglieds Gabriele Weiner:
Sehr geehrter Herr Fechner,
es ist transparent, was die StR für ihre Gemeinderatstätigkeit erhalten. Dies sind 370€ pro Monat, die z.T. versteuert werden müssen und davon gehen bei uns noch 50 -60 € an den Ortsverein. Die Aufwandsentschädigungen für die einzelnen Aufsichtsräte findet man im jährlichen Beteiligungsbericht der Stadt. Korrekt wäre es, die Stunden, die wir wegen der GR- Arbeit nicht einer regulären Arbeit nachgehen können, in die Gesamtberechnung mit einzubeziehen.
Schöne Grüße
Gaby Weiner
Bei der Linken Liste Konstanz ist das einfach: Pro Kopf gibt es 370 Euro und ebenfalls pro Kopf nochmals 128 Euro für die Fraktionszuarbeit, die ein LLK-Mitglied übernommen hat.
Holger Reile
Linke Liste Konstanz
interessieren dürfte viele Wohnungssuchende auch der Grundbesitz der Räte und insbesondere die Nutzung als vermietete Ferienwohnungen, da bei dem ein oder anderen evtl. ein Interessenskonflikt bei der Abstimmung über das Zweckentfremdungsverbot vorliegen dürfte.
Hier wären ggf. auch Hinweise aus der Bevölkerung hilfreich, welche Vetterles der honorigen Bürgervertreter durch die Versandung dieses Themas profitieren.
700 dringend benötigte Wohnungen werden einem völlig ausgetrockneten Wohnungsmarkt dadurch unnötigerweise vorenthalten. Die Bürger haben Vorrang vor Touristen.
Das soziale Gewissen scheint hier ziemlich unterentwickelt zu sein.
Heisst das, wenn ich auf die Seite der Linken Liste Konstanz gehen würde, dass ich dort von den 2 Gemeinderatsvertretern der Linken Liste ALLE Einkünfte offengelegt finden würde? Super. Bitte gebt mir den entsprechenden Link, damit ich euer gutes Beispiel sehen kann. Danke im vorraus.
Zwei simple Fragen:
Wie würden die Marktextremisten aus dem bürgerlichen Lager vorgehen, wenn Sie, wie in Norwegen und Schweden üblich, ihre gesamten Einkünfte im Internet veröffentlichen müßten?
Und, nachdem mir die erste Reaktion schon präventiv in den Ohren gellt, daß wir hier ja in Deutschland wären: Woher nehmen diese Demokratie-Darsteller die Gewißheit, daß der Souverän einer solchen Regelung abgeneigt ist/bleibt?
Die Sperenzchen, die Koßmehl z. B. aufführt, provozieren ja richtiggehend die Vermutung, daß hinter den Kulissen politische Landschaftspflege bis hin zum Schmieren, zur Korruption, kultiviert wird. Diese Gedanken beenden natürlich auch abrupt die idealistisch naive Vorstellung, die bürgerlich-marktwirtschaftlich, schlicht kapitalistisch kontaminierten Räte wären der Bevölkerung verpflichtet. Da geht es nur noch um den Abgleich des „Gewissens“ mit dem Kontostand; ganz große Preisfrage, was letztlich schwerer wiegt.
lieber herr moersch,
mich müssen sie da nicht belehren. also nochmal mein vorschlag: fragen sie doch bei frau biskup und herrn tscheulin einfach nach.
grüße
h.reile
Halle Herr Reile, diese Stadträte/innen sind doch keine Harz IV – Empfänger, die evtl. ihre Zusatzeinkünfte verbergen wollen. Außerdem dürften die im Raum stehenden Beträge eher ein „kleines“ Zubrot für diese Empfänger sein. Hier geht es doch nicht um, wie auch immer zustande gekommene Formalitäten der Sparkasse, denn auch diese hätte eine gewünschte Transparenz im Aufsichtsratswesen herzustellen. Zu welchem Zweck sitzen denn unsere Räte/innen im Aufsichtsrat? Ein gewählter Rat/in ist als erstem seinem Wählerauftrag verpflichtet, und da möchte man schon wissen, was da vor sich geht. Was soll denn diese Geheimniskrämerei?
hallo herr moersch,
das wüssten wir auch gerne. nachgefragt haben wir bei werner allweiss von der freien grünen liste. er hatte den aufsichtsratsposten bei der sparkasse, gab aber an, durch das sparkassengesetz sei er zum stillschweigen angehalten. was ich so nicht glaube…nun hat charlotte biskup von der fgl diesen lukrativen nebenjob, der monatlich mit vermutlich rund 700 euro oder mehr vergütet wird. eine anfrage bei ihr wäre evt. hilfreich, sind es doch auch die grünen, die gerne mit transparenz hausieren gehen. den zweiten aufsichtsratsposten hat sich nun roger tscheulin von der cdu geschnappt – was wiederum seinen ex-kollegen peter kossmehl nachhaltig so verärgert hat, dass er der cdu den rücken kehrte. auch eine nachfrage bei tscheulin wäre sicher aufschlussreich. ich kann mir jetzt schon gut vorstellen, wie er rumdruckst….
beste grüße
holger reile
Also, irgendwie möchte ich doch jetzt mal als Bürger dieser Stadt wissen, was ein/e Delegierte/r des Stadtrats im Sparkassenaufsichtsrat bekommt (verdient ist ja wohl was anderes). Schließlich hat er vom Bürger u.a. den Auftrag bekommen, eine Aufsichtsratspflicht zu erfüllen. Welche Beträge sollen dann hier vor dem Wähler verborgen werden bzw. welche Gründe hierfür liegen vor?