Weg mit den Wahlplakaten!?
In seiner letzten Sitzung hatte der Konstanzer Gemeinderat einiges zu lachen, vor allem über die FDP, die einen Vorstoß unternommen hatte, in Konstanz künftig einvernehmlich auf Wahlplakate ganz oder zumindest teilweise zu verzichten. Für die Bürger von größerem Interesse dürfte aber die aktuelle städtische Vorhabenliste sein, die online einsehbar ist und wichtigere Vorhaben für das nächste halbe Jahr aufführt. Außerdem erfuhr man etwas über den Segen hoher Mieten.
Mit der Vorhabenliste will die Stadtverwaltung den BürgerInnen mehr Transparenz bieten und die BürgerInnenbeteiligung stärken. In der Aufstellung „informiert die Stadt Konstanz in Form von Vorhaben-Steckbriefen über alle wichtigen Vorhaben und Planungen, die aus Sicht der Bürgerschaft von hoher Bedeutung sind. Neben den fachlichen Informationen zu den Vorhaben finden sich auf den Vorhaben-Steckbriefen auch Angaben über die vorgesehene oder bereits durchgeführte Bürgerbeteiligung.“
Die Vorhabenliste, für die der städtische Koordinator für Bürgerbeteiligung Martin Schröpel verantwortlich zeichnet, wird jeweils zu Beginn eines Halbjahres vom Gemeinderat beschlossen und anschließend veröffentlicht. Sie ist digital unter www.konstanz.de/vorhabenliste einsehbar. Abgeschlossene Vorhaben wandern ins Archiv, wo man sie unter https://konstanz-mitgestalten.de/topic/vorhabenliste_archiv nachlesen kann. Das alles findet sich unter dem Dach der Beteiligungsseite https://konstanz-mitgestalten.de/, über die man/frau auch Anliegen an die Verwaltung herantragen kann.
Information für alle KonstanzerInnen
Zu jedem einzelnen Vorhaben gibt es eine Erläuterung der Einzelmaßnahmen und der Zeitpläne, außerdem ist jeweils die Ansprechperson in der Verwaltung für die jeweilige Maßnahme aufgeführt. So erfährt man unter Nr. 12 etwa über den Radverkehr: „Planung 2018: Insbesondere Umwandlung der Petershauser Straße und Jahnstraße in eine Fahrradstraße, Installation neuer Wegweisung für den Radverkehr im gesamten Stadtgebiet, Erweiterung der Fahrradabstellanlagen (Fahrradbügel) in der Altstadt, Errichtung einer Dauerzählstelle für den Radverkehr.“ Die Liste lässt sich im Internet nach Stadtteilen sortieren, so dass jede/r schauen kann, was in seiner Nachbarschaft geschehen soll. Die Themen sind denkbar breit gefächert und reichen von Kanalarbeiten bis zur Schulentwicklung. Natürlich bietet die Liste mit aktuell 66 Einträgen nur eine Auswahl der städtischen Projekte.
Oberbürgermeister Uli Burchardt schätzte die Gesamtzahl der allein durch den Gemeinderat 2018 zu bearbeitenden Vorlagen auf 600. In der Debatte klang dann aber doch Kritik an der Auswahl der Vorhaben an: Die Grüne Christiane Kreitmeier etwa vermisste das Thema Integration, und Anke Schwede (LLK) hätte gern gewusst, wie es mit der Flüchtlingsunterbringung in der Stein- und Luisenstraße weitergehen soll, während Johann Hartwich (FDP) der Tennisclub fehlte. Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn versicherte, dass man die Flüchtlingsunterkünfte „in der Mache“ habe und erwähnte zudem die Planungen zur Renaturierung im Hörle-Park, wo Mauerreste entfernt und das Ufer abgeflacht werden sollen.
Vom Nutzen hoher Mieten
Recht kurz fiel dieses Mal der Vortrag des Bevölkerungsstatistikers Tilman Häusser aus, der eine „Kleinräumige Bevölkerungsvorausrechnung der Stadt Konstanz bis zum Jahr 2035“ vorgelegt hat. Die Ergebnisse sind wenig überraschend: Konstanz als „Schwarmstadt“ dürfte weiter wachsen, bis 2035 um etwa 10 400 Einwohner. Vor allem Familien mit Kindern unter zehn Jahren aber ziehen wegen der hohen Mieten aus Konstanz weg, und der Bedarf an Pflegeplätzen wird erheblich steigen. Der Oberbürgermeister warf in die Debatte, dass am Klinikum 20 Pflegebetten gesperrt seien, weil man dafür kein Personal finde, denn BewerberInnen kriegten in Konstanz einfach keinen für sie bezahlbaren Wohnraum.
Häusser beschrieb auch einen Zyklus des Wohnens. Danach bleiben Eltern, wenn ihre Kinder nach 18 oder 20 Jahren das Haus verlassen, in den relativ großen Räumlichkeiten der Familie wohnen, obwohl sie nur noch zu zweit oder irgendwann gar alleinstehend seien. Dieser Wohnraum werde also erst frei, wenn die Alten eines Tages in die Pflege gehen oder sterben, dann beginne der Zyklus von vorn. Bisher gebe es noch keine Konzepte, Wohnraum flexibel umzugestalten, so dass eine Wohnung oder ein Haus nach dem Auszug der Kinder von mehr Personen genutzt werden könne.
Uli Burchardt, der immer wieder den steigenden Quadratmeterbedarf pro Kopf der Bevölkerung als eine wesentliche Ursache des aktuellen Wohnungsmangels betont, ist aber hoffnungsfroh: Je teurer der Quadratmeter wird, desto mehr wachse der Druck, neue Ideen und Wohnungsschnitte zu entwickeln. Die steigenden Mieten hätten also den positiven Effekt, dass Umbauten und Wohnungsteilungen auf Dauer rentabel würden, so werde zusätzlicher Wohnraum geschaffen.
Sauberer isch’s konstanzerischer
Die FDP hatte für einmal ein gleichermaßen ökologisches wie ästhetisches Anliegen: „In den Wochen vor der letzten Bundestagswahl konnte man beobachten, dass eine Unmenge an Wahlplakaten an unseren Laternen hingen. Bei den Gemeinderatswahlen der vergangenen Jahre war die Situation ähnlich. Wir fragen uns, ob diese Plakat-Flut in Zeiten von Internet und sozialen Medien noch zeitgemäß ist. Das Ganze kostet unnötig Geld und der Effekt auf die Entscheidung der Wähler ist sehr gering. Wir regen daher eine Debatte an, mit dem Ziel, eine Einigung mit allen im Gemeinderat vertretenen Parteien zu erzielen, wie wir weiter verfahren sollen. Hilfreich wäre es, wenn das Bürgeramt darüber berichten könnte, wie andere Kommunen mit diesem Problem umgehen.“
Fazit der Verwaltung: Andere Kommunen halten es ähnlich wie Konstanz: Hier sind maximal 220 Wahlplakate (DIN A1) je Partei im öffentlichen Raum zugelassen, manche Parteien haben aber auch weniger Plakate beantragt. Nach Angaben der Verwaltung hingen vor den letzten Wahlen jeweils etwa 1000-2000 Plakate „im Straßenraum des Stadtgebiets“.
Die FDP fand für ihre Anregung kaum Unterstützung. Oberbürgermeister Uli Burchardt erinnerte gleich launig daran, dass die FDP mit Christian Lindner ja den schönsten Kandidaten plakatiert habe. Andere GemeinderätInnen nannten Wahlplakate ein Grundrecht und eine wichtige Erinnerung für Wähler, dass demnächst wieder Wahl sei. Holger Reile (LLK) wunderte sich, dass ausgerechnet die FDP nach neuen Regulierungen rufe. Anselm Venedey (FWK) hingegen nahm weniger an den Plakaten selbst Anstoß als an deren beleidigender Inhaltsleere, die die Menschen störe [was waren nochmal die zündenden Slogans auf den Plakaten der Freien Wähler bei der letzten Gemeinderatswahl?].
Heinrich Everke (FDP) zeigte sich schließlich überrascht, dass die sonst so umweltaffinen Grünen der FDP im Kampf gegen die Plakate nicht beisprangen, sah sich aber zumindest in einem Punkt bestätigt: Immerhin seien die FDP-Plakate zur Bundestagswahl gut in Erinnerung geblieben, und erfolgreich sei die FDP damit auch gewesen, was andere Parteien von sich ja nun wahrlich nicht behaupten könnten. Als Mediziner weiß Everke einfach, wie man einen schmerzhaften Leberhaken mitten im sozialdemokratischen Gemüt landen kann, und die unverhohlene Mordlust in den Gesichtern einiger SPDler belohnte ihn reichlich.
Gelassen aber sprach Normen Küttner (FGL) das Wort des Tages zu diesem Thema, als er Loriot zitierte: „Der beste Platz für einen Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen.“
O. Pugliese