Weit ist‘s nach Kopenhagen

Die Eröffnung der Fahrradstraße durch Petershausen zog trotz drückenden Wetters erstaunlich viele Menschen an, darunter auch zahlreiche LokalpolitikerInnen aus dem rot-grünen Eck des Gemeinderates. Es war wohl nicht nur das Gratis-Eis, das die Menschen faszinierte, sondern auch die Idee einer lärm- und abgasfreien Stadt. Ob diese Fahrrad­straße hält, was man sich von ihr verspricht, wird sich weisen. Sie ist auf jeden Fall ein Schritt, ähh, Pedaltritt, in die richtige Richtung.

Die neue Fahrradstraße in Petershausen ist anders als die Schottenstraße, und man muss abwarten, wie sich das dortige Konzept bewährt. Während sich in der Schottenstraße die Alleinherrschaft der RadfahrerInnen und FußgängerInnen eingebürgert hat, ist in Peterhausen die Lage ein wenig komplizierter, denn die allgegenwärtigen Schilder „KFZ frei“ suggerieren AutofahrerInnen, dass sich wenig geändert habe. Schon bei der Eröffnung gab es weiterhin Autostaus vor der Bahnschranke, und am Ausgang zum Ebertplatz hielten sich Autofahrer nicht daran, dass die rechte Fahrspur jetzt den RadfahrerInnen vorbehalten ist. Am Ebertplatz kam es daher schon am späteren Nachmittag zu einigen lautstarken Auseinandersetzungen zwischen AutofahrerInnen und RadlerInnen.

Zukunftsweisend

Das Konzept einer auch für Autos befahrbaren Fahrradstraße muss sich erst noch durchsetzen. Dass eine Verkehrsmischung auf Dauer doch funktionieren kann, zeigt das inzwischen störungsfreie Miteinander zwischen Fahrrädern und Fußgängern vor dem Münster. Es bleibt also zu hoffen, dass ein ähnlicher Lerneffekt auch in Petershausen eintritt. Ansonsten wird dieses Konzept dann hoffentlich – zugunsten des Radverkehrs – nachgebessert. Man sollte aber auch nicht vergessen, mit welcher Vehemenz OB Uli Burchardt damals die Einrichtung dieser Radverkehrszone blockierte, doch das ist Schnee von gestern.

Die stärkste der Parteien

Jürgen Ruff (SPD) reichte am Rande der Veranstaltung eine SPD-Broschüre aus dem Jahr 1995 herum, in der nach seinen Angaben (ich habe nicht reingeschaut) schon damals eine Fahrradstraße gefordert wurde. Vor dem Wahlkampf ist eben auch nach dem Wahlkampf. Recht hat Ruff auf jeden Fall mit seiner Forderung nach einer schnellen Lösung für RadlerInnen am Zähringerplatz, denn die dortige Situation auf dem Wege von der oder in die Friedrichstraße ist in der Tat suboptimal, wie man auf neudeutsch für „beschissen“ zu schreiben pflegt. Eine Fahrradstraße ist nur dann etwas wert, wenn auch die Anbindung stimmt.

Karl Langensteiner-Schönborn hob bei der Eröffnungsfeier die Bedeutung des Radverkehrs für die Verkehrsplanung von Städten hervor. Er verwies darauf, dass Kopenhagen, weltweit als Vorbild für eine lebenswerte Stadt mit einem vernunftgesteuerten Verkehrsmodell gehandelt, in den nächsten Jahren den RadlerInnenanteil von ohnehin schon erstaunlichen 40 Prozent auf deren 50 steigern wolle. Die Vorteile liegen auf der Hand: Während Elektroautos zwar weniger CO2 ausstoßen als normale Autos (zumindest auf der Teststrecke, wer weiß), brauchen sie doch genau so viel öffentlichen Raum wie herkömmliche Autos: Straßen, Parkplätze, Parkhäuser etc. Eine Auflösung der Staus in den Innenstädten wäre also vor allem durch eine konsequent fahrradfreundliche Umgestaltung der Verkehrsräume möglich, denn ein Fahrrad ist zumeist schlanker als die darauf sitzende Person. Außerdem sei das Fahrradfahren gesund, mache Spaß und wirke sich insgesamt gesellschaftlich positiv aus.

„Ich würde am liebsten jedes Jahr eine neue Fahrradstraße eröffnen,“ sagte der Baubürgermeister bei dieser Gelegenheit, und diese Aussage ist umso mutiger, als ihm in diesem Moment eine schwarz-gelbe Wespe in den Kragen kroch. Nach seinen Angaben ist ein durchdachtes Fahrradstraßenkonzept eines der Kernelemente einer zukunftsorientierten Stadtentwicklung, da das Fahrradfahren die innerstädtische Lebensqualität wie kaum eine andere Maßnahme heben kann. Dem hat auch ein linker Miesmacher wie ich wenig entgegenzusetzen.

Gezählt zu werden macht Spaß

Führte eine Volkszählung noch vor 30 Jahren zu massenhaftem Widerstand, löst sie heute eher Begeisterung aus. „Ja, ich bin wichtig!“ Nachdem die Fahrradbrücke jetzt nach der Umgestaltung des Rheinsteigs wieder (kein Witz!) weniger von Autos genutzt wird, hat die Stadt dort auch eine neue Zählstelle mit Anzeige auf der Petershausener Seite der Fahrradbrücke eröffnet. Natürlich ist eine solche Anzeige, die übrigens nach Angaben des Radverkehrsbeauftragten Gregor Gaffga jeweils am 31. Dezember eines Jahres auf null zurückgesetzt wird, ein großartiges Marketinginstrument.

Bisher liegen der Verwaltung nach deren eigenen Angaben nur relativ unverlässliche Zahlen über die tatsächliche Benutzung der Radverkehrseinrichtungen vor. Mit dieser Messschleife, die unter dem Radweg verlegt wurde, wird es jetzt möglich, die tatsächliche Auslastung des Radweges und der Fahrradfahrerbrücke zu ermitteln. Bei der Enthüllung der Messstation stand der Zähler bereits auf rund 1550 RadlerInnen, da die TBK die Installation der Messstelle bereits mittags abgeschlossen hatten. Man darf also gespannt sein, wie sich die Zahlen in Zukunft entwickeln.

Natürlich führt eine solche Anzeige nicht zu einer Verminderung oder Vermehrung des Radverkehrs, aber sie ist sicher ein wichtiges Propagandamittel, um das Radfahren noch attraktiver zu machen. So ist etwa die Messstation am Maschsee in Hannover längst ein fester Bestandteil der dortigen Folklore – zumal sie neulich von ein paar Bibern aus dem See, denen es offensichtlich an was Ordentlichem zu futtern fehlte, umgenagt wurde. Ob die Konstanzer Messstation, die – optisch durchaus ansprechend – aus filigranem Edelglas besteht, die ersten Partynächte übersteht, ist abzuwarten. Ich wünsche ihr jedenfalls alles Gute.

O. Pugliese (Text und Fotos)